SG #196 – Juden in Deutschland

SG #196 – Juden in Deutschland

Ich habe letztens eine Zahl gelesen, die mich überrascht hat. In Deutschland leben weniger als 100.000 Juden. Ich dachte, die Zahl wäre viel höher. Es macht mich traurig, das zu lesen. Zum Vergleich: Es leben über vier Millionen Muslime in Deutschland....
10 Minuten

Beschreibung

vor 6 Jahren

Ich habe letztens eine Zahl gelesen, die mich überrascht hat. In
Deutschland leben weniger als 100.000 Juden. Ich dachte, die Zahl
wäre viel höher. Es macht mich traurig, das zu lesen. Zum
Vergleich: Es leben über vier Millionen Muslime in Deutschland.


Welche berühmten deutsch-jüdischen Menschen fallen mir ein?
Albert Einstein, Heinrich Heine, Karl Marx? Aus der neueren Zeit
denke ich an Michel Friedman, den man oft in Talkshows sieht,
wenn es um das Thema geht. Er war Politiker und Moderator, er
schreibt Bücher und ist Jurist.


In dieser Folge möchte ich über die Geschichte der Juden in
Deutschland sprechen. Es ist nicht leicht, alles so kurz
zusammenzufassen. Aber es ist wichtig, das Thema nicht zu
ignorieren.


Juden leben schon sehr lange in Deutschland. Es gibt Beweise,
dass es sie in Köln schon im Jahr 321 gab. Damals war die Stadt
noch von den Römern besiedelt. Im 10. und 11. Jahrhundert stieg
die Zahl der jüdischen Bürger auf 20.000 an. Jüdische Kaufleute
kamen an den Rhein. 1012 wurde die erste Synagoge in Köln gebaut,
es wurden jüdische Schulen und Friedhöfe gegründet. Da die
Christen damals keine Zinsen verlangen durften, weil es so in der
Bibel stand, übernahmen die Juden das Kreditgeschäft. Beide
Religionen lebten damals friedlich zusammen beziehungsweise
nebeneinander.


Das blieb leider nicht so. Die Kreuzzüge begannen 1096. Menschen
zogen in Europa los, um Palästina zu erobern. Auslöser war die
Predigt des damaligen Papstes. Bereits auf ihrem Weg wurden Juden
ermordet, so auch in der Region um Köln. Sie wurden als
Gottesmörder beschimpft. Einige Jahre später wurde beschlossen,
dass sie keine Waffen tragen durften. Nochmal hundert Jahre
später wurden alle Juden zu unfreien Knechten des Kaisers. Sie
mussten sich kennzeichnen. Im 14. Jahrhundert wurden Tausende von
ihnen umgebracht.


1348 war die Zeit der Pest. Viele Menschen starben an der Seuche.
Wie sich die Krankheit übertrug verstanden sie nicht. Also wurden
die Juden verantwortlich gemacht. Ihnen wurde vorgeworfen,
Brunnen vergiftet zu haben. Viele von ihnen wurden verfolgt und
getötet.


Es ging immer so weiter: Christliche Prediger wetterten gegen
Juden. Auch die Schriften von Martin Luther waren antisemitisch.
Die Bevölkerung handelte danach und verfolgte sie. Sie wurden
vertrieben, auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder auf andere Art
getötet. Bis 1520 waren sie aus den großen Städten verschwunden.
Ghettos entstanden. Wer konnte, der floh nach Böhmen, Polen und
Osteuropa.


Um das Jahr 1600 lebten bis zu 10.000 Juden in Deutschland. Auch
wieder in den Städten. Das Verhältnis zu den Christen entspannte
sich etwas. Nach dem Dreißigjährigen Krieg und der Aufklärung
ging es ihnen besser in Deutschland. Weil sie an ihren Namen aber
sofort erkannt wurden, gaben sich im 18. Jahrhundert viele von
ihnen neue Familiennamen.


Napoleon brachte ihnen erst die Emanzipation, später wieder
Einschränkungen. So war es auch später, mal bekamen sie neue
Rechte, dann wurden sie ihnen wieder genommen. 1847 wurde ein
einheitliches Judengesetz geschaffen. Juden durften danach manche
Staatsämter übernehmen und in manchen Fächern als Professoren
unterrichten. Juden waren Staatsbürger. Sie begannen, ihre
Religion zu reformieren, es gab zum Beispiel erste Predigten auf
Deutsch.


Die Reichsverfassung 1871 machte alle deutschen Juden zu
gleichberechtigten Bürgern. Der Antisemitismus der Menschen blieb
jedoch erhalten. Die jüdischen Gemeinden blühten auf, vielen
Juden ging es finanziell sehr gut. Sie waren erfolgreich. Das
brachte Neid und Hass. Es gründeten sich erste politische
Parteien gegen die Juden. Antisemitismus wurde
gesellschaftsfähig.


1933 wurde Adolf Hitler zum Reichskanzler und die systematische
Judenverfolgung begann. Ziel war die Vertreibung und Vernichtung
der deutschen Juden. 1938 wurden in der Reichspogromnacht
Synagogen und jüdische Geschäfte zerstört. Juden wurden in
Vernichtungslagern systematisch umgebracht. Eine halbe Million
von ihnen lebte 1933 im Deutschen Reich. Das waren 0,77 Prozent
der Bevölkerung. Dennoch fühlten sich die Deutschen von dieser
Minderheit bedroht. Juden aus über 20 europäischen Ländern wurden
deportiert und getötet. Schätzungen zufolge wurden 6 Millionen
jüdische Menschen im Holocaust ermordet.


Wer Glück hatte, konnte fliehen. Die meisten Juden leben heute in
den USA, dort sind es fast 7 Millionen. Etwas weniger in Israel.
In Deutschland verbleiben wie gesagt rund 100.000. Das sind 0,1
Prozent der Bevölkerung. Antisemitismus gibt es heute immer noch
in Deutschland. Erst kürzlich wurde ein Anschlag auf eine
Synagoge in Halle verübt.


Hier noch ein interessantes Video darüber, wie junge Juden in
Deutschland leben:


Text der Episode als PDF:
https://slowgerman.com/folgen/sg196kurz.pdf

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