Aberglaube in Deutschland – SG #209

Aberglaube in Deutschland – SG #209

Meine beste Freundin ist Chinesin. Mit ihr habe ich über Aberglaube gesprochen. Denn wenn wir zusammen essen gehen, dürfen wir nicht vier verschiedene Dinge bestellen - denn vier ist eine Zahl, die Unglück bringt. So ist das zumindest in China.
7 Minuten

Beschreibung

vor 5 Jahren

Meine beste Freundin ist Chinesin. Mit ihr habe ich über
Aberglaube gesprochen. Denn wenn wir zusammen essen gehen, dürfen
wir nicht vier verschiedene Dinge bestellen – denn vier ist eine
Zahl, die Unglück bringt. So ist das zumindest in China. Hier in
Deutschland mögen wir die vier als Zahl. Viele Produkte sind so
abgepackt, dass sie vier Einzelteile enthalten. Vier Brötchen,
vier Stifte, vier Äpfel. Vier ist irgendwie eine schöne Zahl,
finde ich, weil sie zwei Paare ausdrückt. In China klingt die
Zahl aber so wie die Wörter von sterben und Tod – also schlecht.


Das alles ist aber nur die Vorgeschichte dafür, wie
unterschiedlich die Kulturen und Nationen mit ihrem Aberglauben
umgehen. Und natürlich gibt es auch Dinge, die in Deutschland
abergläubischen Menschen Angst machen. Fangen wir mit den Zahlen
an. Bei uns ist die 13 die Zahl, die Pech bringt. Es gibt im
Flugzeug keine 13. Sitzreihe, im Hotel kein 13. Stockwerk.


Weiter geht’s mit dem Aberglauben: Ich selber liebe Katzen, vor
allem wenn sie schwarz sind. Aber wenn eine schwarze Katze von
links über den Weg läuft, dann kann das Pech bringen. Die Ursache
dafür ist wie so oft das Mittelalter. Im Mittelalter verbrannte
man Hexen, man hatte Angst, dass manche Frauen magische böse
Kräfte hätten. Schwarze Tiere sollten ebenfalls dämonisch sein,
zum Beispiel Raben oder eben schwarze Katzen. Also wurden diese
oft getötet. Heute gibt es kaum Katzen, die komplett schwarz
sind!


Dass es vor allem Pech bringt, wenn die Katze von links nach
rechts läuft, ist auch interessant. Man sagt nämlich auch, wenn
jemand schlechte Laune hat: „Der ist wohl mit dem falschen Fuß
aufgestanden“, und meint damit den linken Fuß.


Pech bringt es in Deutschland auch, wenn man unter einer Leiter
hindurchgeht. Angeblich bilden Leiter, Wand und Boden ein
Dreieck, und das Dreieck ist die heilige Form. Wer da durchgeht,
der macht die Form kaputt, und dann erlebt er Böses. Ich kann mir
vorstellen, dass dieser Aberglauben aber einen ziemlich
praktischen Ursprung hat: Wenn nämlich oben auf der Leiter ein
Maler steht, wird man sicher ganz schön dreckig, wenn man direkt
darunter hindurch läuft.


Wenn du Geburtstag hast und mit den Menschen an deinem Tisch
anstoßen möchtest, nimmst du dein Glas in die Hand und hältst es
den anderen Menschen hin. Sie tun das gleiche und stoßen mit dir
an. Ganz wichtig: In Deutschland musst du deinem Gegenüber in die
Augen schauen, während sich die Gläser berühren! Die Strafe ist
sonst besonders schlimm: Sieben Jahre schlechter Sex… Das
zumindest sagt der Aberglaube.


A propos sieben: Wenn du einen Spiegel kaputt machst, dann hast
du sieben Jahre Unglück. Denn im Spiegel siehst du deine Seele,
und die zerbricht dann mit dem Spiegel. Nach sieben Jahren ist
sie wieder geheilt. Komischer Aberglaube, denn auf der anderen
Seite haben wir das Sprichwort „Scherben bringen Glück“.


Du darfst übrigens auch keinem oder keiner Deutschen vor seinem
eigentlichen Geburtstag zum Geburtstag gratulieren! Sag also ja
nicht am Tag davor: „Alles gute zum Geburtstag!“ Sonst wird dich
dieser Mensch sehr böse anschauen. Denn du hast das Schicksal
herausgefordert. Wer weiß, was bis morgen noch passiert? Also
erst gratulieren, wenn der Tag wirklich da ist.


Es gibt auch positiven Aberglauben: Wenn du in eine neue Wohnung
oder ein neues Haus einziehst kann es sein, dass deine deutschen
Nachbarn oder Freunde dir ein Brot und Salz mitbringen. Das sind
die Geschenke, die dir Glück bringen sollen. Wenn du übrigens
Salz verschüttest dann bringt das wieder Unglück – und zwar mal
wieder sieben Jahre. Die arme Zahl sieben, was hat sie nur
verbrochen…


Text der Episode als PDF:
https://slowgerman.com/folgen/sg209kurz.pdf

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