Likes, Bewertungen und smarte Assistenten – Risiken einer digitalen „Verbraucherdemokratie“

Likes, Bewertungen und smarte Assistenten – Risiken einer digitalen „Verbraucherdemokratie“

Mit Jörn Lamla von der Universität Kassel
44 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren
Der Unterschied zwischen einem einfachen Like und einer
ausformulierten Begründung für eine Entscheidung ist klar: Das eine
ist eine bloße Präferenz, die keine ihrer Kriterien preisgibt, das
andere eine Rechtfertigung für ein Urteil, das man nachvollziehen
und sich zu eigen machen kann oder auch nicht. Beide tauchen
gleichermaßen auf, wenn Menschen im Netz Erfahrungswerte teilen,
die anderen bei Konsumentscheidungen helfen sollen. Likes und
gepostete Bewertungen haben außerdem eine gemeinsame Konkurrentin:
die algorithmisch generierte, personalisierte Empfehlung. Sie ist
gar nicht mehr an expliziten menschlichen Aussagen orientiert,
sondern trackt Nutzer:innenverhalten. Im Extemfall starten dann
Maschinen den nächsten vorgeschlagenen Song oder die nächste Serie
automatisch. Von Nutzer:innen wird also nicht einmal mehr eine
Bewertung erwartet – das getrackte Konsumverhalten reicht. So gibt
es eine Entwicklung von diskursiver Verbraucherkommunikation, in
der Rechtfertigung verlangt und erbracht wird, über unbegründete
und kaum hinterfragbare Affektbekundungen bis hin zu einer
automatisierten Kosumdynamik, die keine Reflexion mehr vorsieht –
kritisches Bewusstsein rückt dabei immer weiter in den Hintergrund.
Womöglich verschwindet es schließlich ganz. Trifft dieses Bild
schon heute auf unsere Gewohnheiten zu? Woran ließe sich ein
solcher Wandel festmachen? Und: Wohin entwickelt sich eine
Gesellschaft, die im Netz immer weniger Raum für kritische
Auseinandersetzung mit dem Alltäglichen vorsieht? Jörn Lamla ist
Professor für Soziologische Theorie an der Universität Kassel und
erforscht Verbraucherplattformen, seit sie in den 1990er Jahren im
World Wide Web auftauchten. Im Digitalgespräch erklärt er, welchen
Wandel die Praxis des Bewertens und Bewerbens von Produkten mit der
Entwicklung von Web 2.0, Social Media und algorithmengestützten
Plattformen in den letzten Jahrzehnten genommen hat und wie die
heutigen Formen der digitalen Konsumgesellschaft unser Selbstbild
vom kritischen, souveränen Individuum erschüttern. Mit den
Gastgeberinnen Marlene Görger und Petra Gehring diskutiert er, wie
sich Konsumgewohnheiten und verschiedene Varianten digitaler
Marktplätze auf Demokratie und Selbstbestimmtheit auswirken, welche
Interessen dabei im Spiel sind und welche politischen Forderungen
daraus erwachsen könnten.

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