IHK-Prüfungen mit Dr. Ingo Strauch – Anwendungsentwickler-Podcast #112

IHK-Prüfungen mit Dr. Ingo Strauch – Anwendungsentwickler-Podcast #112

Ein Interview zu den IHK-Prüfungen mit Dr. Ingo Strauch – Prüfer für Anwendungsentwickler in Hamburg – gibt es in der einhundertzwölften Episode des Anwendungsentwickler-Podcasts. Inhalt Über folgende Fragen haben wir im Verlauf des Interviews gesproch...
1 Stunde 14 Minuten

Beschreibung

vor 8 Jahren

Ein Interview zu den IHK-Prüfungen mit Dr. Ingo Strauch – Prüfer
für Anwendungsentwickler in Hamburg – gibt es in der
einhundertzwölften Episode des Anwendungsentwickler-Podcasts.
Inhalt

Über folgende Fragen haben wir im Verlauf des Interviews
gesprochen.
Allgemeines zur Person

Wie ist dein Name und wo arbeitest du (falls gewünscht)?

Ich heiße Ingo Strauch und arbeite bei der Eurofins
Information Systems GmbH in Hamburg

Wenn mir die schamlose Eigenwerbung erlaubt ist: wir sind
bei der Great Place To Work „Deutschlands beste Arbeitgeber
2017“ Mitarbeiterumfrage unter die ersten 100 von über 700
teilnehmenden Firmen gekommen



Wie bist du zur Informatik bzw. Softwareentwicklung gekommen?

Alles angefangen hat mit dem Commodore 128, wo ich neben
den ganzen Spielen irgendwann mit Basic und Assembler im
Selbststudium angefangen habe zu programmieren

In der Schule hatte ich seit der 9. Klasse Informatik
Grundkurs, in dem wir dann Pascal und Assembler programmiert
haben (in der 13. Klasse nur noch zu Dritt plus Lehrer)

Nach einer Pause während des Physik-Studiums wurde mein
Interesse dann wieder geweckt, als ich über das
Uni-Rechenzentrum mit Unix/Linux in Berührung kam



Welche Ausbildung bzw. welches Studium hast du im Bereich der
Informatik absolviert?

Gar keins, denn ich habe wie gesagt Physik studiert

Aber bei der Diplomarbeit war neben der Datenanalyse ein
Schwerpunkt die Software-Entwicklung. Damals sollte das
Analyse-Framework für die Kollegen neu geschrieben und ich
war fast von Anfang an dabei und durfte oder musste mein
eigenes Erzeugnis dann auch für die eigene Diplom- und später
Doktorarbeit benutzen



Mit welcher/n Programmiersprache/n arbeitest du im Alltag?

Das ist im Moment hauptsächlich C#



Was ist deine Lieblingsprogrammiersprache und warum?

Auch hier: C#. Man kann viel kompakteren Code schreiben
als z.B. mit C++



IHK-Prüfungen

An welcher IHK prüfst du?

Das ist die Handelskammer in Hamburg



Welchen Beruf prüfst du?

Fachinformatiker Anwendungsentwicklung



Wie bist du Prüfer geworden?

Das war 2010. In der damaligen Firma sollte wieder
ausgebildet werden. Dazu gab es eine Info-Veranstaltung von
der Personalabteilung

Selbst ausbilden wollte ich damals nicht. Der
Personalchef hat aber im Auftrag der Handelskammer für die
Prüfertätigkeit geworben, weil der Bedarf dort immer hoch ist

Wenige Monate später saß ich dann als vollwertiges
Mitglied in meinem Prüfungsausschuss, weil dort jemand
ausgeschieden war



Warum bist du Prüfer geworden?

Es klang ganz interessant. Ich war neugierig, womit sich
andere Unternehmen so herumschlagen.

Und weil ich damals auch an Software für den
Bildungssektor gearbeitet habe, fand ich das ganz
naheliegend. Außerdem ist es eine schöne Tätigkeit, um etwas
an die Gesellschaft zurückzugeben.



Was waren die Voraussetzungen, um Prüfer zu werden, und wie
lief das ab?

Weil ich selbst gar nicht den Beruf gelernt habe, den ich
nun prüfen wollte, lief es darüber, dass ich das
Anderthalbfache der Ausbildungsdauer in dem Beruf gearbeitet
habe, also mindestens 4,5 Jahre.

Ansonsten gab es so wenig Fomalitäten zu erledigen, dass
ich mich nicht mal mehr erinnere, wie das genau lief.

Jetzt gibt es halt alle 5 Jahre eine neue
Berufungsurkunde und zum 15. Jubiläum bekomme ich dann eine
Alsterrundfahrt spendiert.



Wirst du für deine Prüfungstätigkeit auf der Arbeit
freigestellt?

Ja, für die Prüfungstage werde ich von meinem Arbeitgeber
freigestellt

Die Korrektur der vorab eingereichten
Projektdokumentationen mache ich in meiner Freizeit nach
Feierabend oder am Wochenende



Was macht dir an der Prüfertätigkeit Spaß?

Ich finde es super interessant, dadurch mitzubekommen,
wie vielfältig die Software-Entwicklungs-Szene in Hamburg
ist. Wie unterschiedlich die Firmen sind und ihre
Projekte/Branchen. Aber auch wie ähnlich. Allein schon, wer
alles schon programmiert hat, Task-Boards mit Bugtrackern
oder Zeiterfassungssystemen zu koppeln…

Außerdem finde ich es leichter, Dinge zu verstehen, wenn
ich sie konkret vor mir sehe, statt nur Artikel darüber zu
lesen. Und im eigenen Job kann man nun mal nicht alles selbst
ausprobieren.

Nicht zuletzt macht der Austausch mit meinem Mitprüfern
viel Spaß.



Was nervt dich an der Prüfertätigkeit?

Wenn’s die Azubis unnötigerweise versemmeln. Aber noch
mehr, wenn der Ausbildungs- oder Umschulungs-Betrieb das
zulässt.

Leider kommt es immer wieder dazu, dass wir als Prüfer
den Eindruck haben, dass niemand anderes sich ernsthaft die
Projektdoku oder die Präsentation angeguckt hat



Was würdest du an den IHK-Prüfungen verändern, wenn du es
könntest?

Wir prüfen sehr wenige Frauen, aber das lässt sich eher
weniger über die Prüfungsausgestaltung beeinflussen



Was zeichnet deiner Meinung nach einen guten Prüfer aus?

Erst einmal die Bereitschaft, über den Tellerrand zu
gucken, da man die meiste Zeit mit Projekten/Technologien
konfrontiert wird, die man in der Form selbst so noch gar
nicht hatte

Ein gewisses Wohlwollen den Prüflingen gegenüber, damit
man sie nicht noch nervöser macht, als sie oft schon sind.
Und damit man ggf. das Thema wechselt, wenn man merkt, der
Prüfling weiß darüber wirklich nichts mehr.



Gibt es häufige Fragen, die ihr immer wieder im Fachgespräch
stellt?

Neben konkreten Fragen, die sich aus dem Projekt und der
Präsentation ergeben, gerne Grundsätzliches zur
Objektorientierung (z.B. Polymorphismus), Datenbanken (z.B.
SQL Injections, Prepared Statements), aber zu viel sollte ich
wohl nicht verraten

Reine Wissensfragen stellen wir eher wenig, mehr
Detailfragen dazu, wie und warum etwas im Abschlussprojekt
gemacht wurde. Oder wir lassen uns grob skizzieren, wie eine
Erweiterung programmiert werden würde, z.B. wie eine mobile
App in die Architektur passen würde



Welche Tipps hast du für angehende Prüflinge (schriftlich,
Antrag, Doku, Fachgespräch)?

Den Antrag bitte nicht zu knapp formulieren. Und
insbesondere drauf achten, dass jemand völlig Fremdes das
lesen und verstehen muss. Oft müssen wir die erste Fassung
ablehnen, weil das nur ein Firmeninterner verstehen kann. Im
schlimmsten Fall kennt keiner der Prüfer die verwendete
Programmiersprache, die Tools oder Bibliotheken!

Bei der Doku lege ich schon einigen Wert darauf, dass man
erkennt, was der Azubi selbst gemacht hat. Daher missfallen
mir so Formulierungen wie „es wurde XY gemacht“. Da weiß ich
im Zweifel nicht, ob das nicht auch jemand anderes war.

Und leider finde ich auch die Kapitel zur eigentlichen
Durchführung in nicht wenigen Fällen sehr allgemein, so dass
ich mich frage, ob das jetzt nur ein Fachkonzept war oder ob
wirklich etwas programmiert wurde. Von daher möchte ich
eigentlich immer auch Code sehen, wo „etwas passiert“, d.h.
keine reinen DTOs. Meine Mitprüfer sehen das aber weniger
streng.

Und natürlich: Schreib- oder Rechenfehler in Doku und
Präsentation hinterlassen keinen guten Eindruck.

Als Physiker rollen sich mir auch gerne mal die
Zehennägel hoch, wenn bei Berechnungen die Einheiten nicht
stimmen. Am Ende steht da dann z.B. bei der Kostenrechnung
die richtige Zahl plus Währungssymbol, aber mathematisch
korrekt geschrieben sind die Gleichungen nicht.



Was sind No-Gos für Prüflinge bei den Prüfungen?

Schlechte Vorbereitung. Es gab tatsächlich mal einen
Prüfling, der hatte seine Präsentation nur auf genau einem
USB Stick und der ging just vor der Prüfung kaputt.

Wenn die Prüflinge niemanden über die Doku oder
Präsentation drüber schauen lassen und sie letztere offenbar
nie zur Probe gehalten haben. Wobei man da nicht ausschließen
kann, dass es an schlechter Betreuung lag und der Betrieb das
zu verantworten hat.

Und sehr schwer wird es für die Prüfer, wenn sie den
Prüflingen alles sehr zäh aus der Nase ziehen müssen.



Was waren deine witzigsten/überraschendsten
Prüfungssituationen?

Ich fand mal einen Prüfling sehr beeindruckend, der
während seiner Präsentation einen Screencast hat laufen
lassen als Demo seiner Software, und der dabei völlig frei
und synchron gesprochen hat, ohne auf das Display gucken zu
müssen.

Ein anderer wollte seine Webapplikation zeigen, hatte
alles auf seinem Laptop vorbereitet, aber nicht damit
gerechnet, dass er über das Firmen-Netzwerk nicht ins
Internet kommt. Ende vom Lied war, dass ein Prüfer mit seinem
Smartphone ein WLAN aufgespannt hat und die Live-Demo dann
über den Mobilfunk des Prüfers lief.



Aus- und Weiterbildung

Bildest du selbst Entwickler-Nachwuchs aus und wenn ja, wie
ist das Vorgehen?

Nein, ich bin selbst kein Ausbilder.



Was ist das letzte Fachbuch mit Bezug zur Programmierung, das
du selbst gelesen hast?

C# in Depth*

Das war anlässlich des letzten Job-Wechsels, weil ich
vorher nur sehr wenig mit C# entwickelt hatte



Was ist dein absolutes Lieblingsbuch mit Bezug zur
IT/Programmierung und warum?

Eigentlich zwei. Dabei ist keines auf eine konkrete
Programmiersprache oder Tool oder Technologie bezogen, weil
die sich im Laufe der Karriere eh ändern werden.

Clean Code* von Robert C. Martin

Nur weil Code funktioniert, heißt das nicht, dass der
so bleiben kann. Code so zu schreiben, dass man selbst
und jemand anderes da später sinnvoll dran weiterarbeiten
kann, ist schwerer, als sich so mancher Anfänger ausmalen
kann. Ich hatte leider schon mit Kollegen zu tun, die
m.E. nicht über das Hobby-Programmierer-Stadium
hinausgekommen sind. Die Sauberkeit der Codes war da ein
wesentlicher Faktor.



Managing for Happiness* von Jurgen Appelo

Hier geht es um Tools und Praktiken, wie man selbst
das Teamwork verbessern kann. Dazu muss man nicht einmal
Scrum Master oder Teamleiter werden wollen oder bereits
sein. Ich finde, die reine Technik ist nicht alles für
einen guten Software-Entwickler.





Welche Quellen kannst du für die Aus- und Weiterbildung im
Bereich Programmierung empfehlen und warum?

Ich höre da ab und zu so einen Podcast für
Anwendungsentwicklung, der ist ideal für den Weg zur Arbeit
und zurück…

Auch wenn ich es gerne intensiver nutzen würde: bei
Udacity gibt es echt interessante und gute Online-Kurse zu
den verschiedensten Themen

Die Prinzipien von Clean Code sind auf
http://clean-code-developer.de/ in verschiedene
Schwierigkeitsgrade gegliedert, die man wie beim Kampfsport
durchlaufen kann



Hast du Tipps zur Aus-/Weiterbildung für angehende
Softwareentwickler/-innen?

Auch wenn das vielleicht nicht allen so schmeckt: das
reine programmieren können reicht m.E. auf lange Sicht nicht,
man braucht z.B. auch Ahnung von Deployment und Betrieb der
Software, wie man Software testet und dokumentiert,
Bugreports erstellt und bearbeitet, etc.

Es mag vielleicht überraschen, aber Software-Entwicklung
hat unheimlich viel mit Menschen zu tun, das darf man nicht
unterschätzen.

Und dabei kommt es wesentlich auf gute Kommunikation an.



Hast du Tipps für Ausbilder/-innen im IT-Bereich?

Weil ich selbst nicht ausbilde, so konkret nicht, nein.



Abschluss

Haben wir noch Themen vergessen, die wir unbedingt besprechen
sollten?

Wenn ich mir ein Thema für den Podcast wünschen darf und
es das noch nicht gab: wie entsteht eigentlich so eine
Podcast Folge?



Wo können die Hörer mehr über dich erfahren bzw. dich
kontaktieren?

Ich bin vergleichsweise wenig sichtbar im Netz.

Kontakt geht am besten per E-Mail, einfach an GMX
schicken und Vor-/Nachname mit Punkt trennen. Die Endung ist
net. Soll ja nicht zu einfach sein



Literaturempfehlungen

Ingo hat einen ganzen Haufen an interessanten Büchern empfohlen.
Vielleicht ist ja auch etwas für dich dabei!


C# in Depth* von Jon Skeet.
*

Mein Lieblingsbuch war auch dabei!
*

Managing for Happiness* kannte ich noch nicht und steht nun
auf meiner Wunschliste.
*

Und als „Klassiker“ für die Arbeit mit C++ Effective C++* von
Scott Meyers.
*

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