Einfluß der Chromatinumgebung auf die Genregulation durch den Transkriptionsfaktor Sin4 aus der Hefe Saccharomyces cerevisiae

Einfluß der Chromatinumgebung auf die Genregulation durch den Transkriptionsfaktor Sin4 aus der Hefe Saccharomyces cerevisiae

Beschreibung

vor 20 Jahren
Nach der Aufklärung der Basenabfolge des Genoms von Saccharomyces
cerevisiae ist die Funktion der 30.000-40.000 Gene und insbesondere
das Zusammenspiel der Regulation der einzelnen Gene ein zentrales
Thema der Molekularbiologie. Die DNA eukaryonter Zellen liegt durch
Bindungen an Histon-Proteine im Zellkern als Chromatin vor. Die
Chromatinstruktur dient nicht nur der Komprimierung der DNA auf
engstem Raume, sondern hat auch starke Auswirkungen auf die
Funktion der DNA. So müssen Gene bei ihrer Aktivierung durch
Veränderung ihrer Chromatinstruktur, die bis zur Ablösung der
Histone führen kann, den für die Transkription benötigten Enzymen
und Faktoren erst zugänglich gemacht werden. Das PHO5-Gen der Hefe
Saccharomyces cerevisiae stellt ein sehr gut untersuchtes Modell
dar, bei dem Veränderungen der Chromatinstruktur genau untersucht
und mit dem funktionellen Zustand des Gens korreliert worden sind.
PHO5 kodiert für eine saure Phosphatase, die bei Verbrauch der
Phosphatreserven der Zelle in den periplasmatischen Raum sezerniert
wird, um aus dort eventuell vorhandenen organischen
Phosphatverbindungen Phosphat zu gewinnen. Ist im Medium genügend
Phosphat vorhanden, ist PHO5 reprimiert. In diesem Zustand ist die
Chromatinstruktur des PHO5-Promotors durch vier dicht aufeinander
folgende Nukleosomen gekennzeichnet, wodurch der Promotor Enzymen
und regulatorischen Proteinen allgemein schlecht zugänglich ist.
Nur zwischen dem zweiten und dem dritten Nukleosom ist die dichte
Anordnung der Nukleosomen durch einen etwa 70 bp langen gut
zugänglichen Bereich unterbrochen. In dieser sogenannten
hypersensitiven Region bindet bei Phosphatmangel der aktivierende
Transkriptionsfaktor Pho4 gemeinsam mit dem Faktor Pho2 an ein
UAS-Element und induziert die PHO5-Expression. Dabei lösen sich die
vier Nukleosomen vom DNA-Strang ab. Sin4 ist ein
Transkriptionsfaktor der Hefe Saccharomyces cerevisiae, der auf
mehrere Promotoren zumeist reprimierenden Einfluss ausübt.
Ausgangspunkt der hier vorliegenden Arbeit war der Befund, dass in
Abwesenheit von Sin4 die Gegenwart der prokaryontischen lacZ
Sequenz stromaufwärts des PHO5-Promotors zu einer Derepression des
PHO5-Gens führt, und zwar in Gegenwart von Phosphat, also unter
eigentlich reprimierenden Bedingungen. Dieser Effekt wurde
ursprünglich bei der Verwendung der kodierenden Sequenz von lacZ
als dem PHO5-Promotor nachgeschalteten Reporter-Gen in
sin4-Hefezellen entdeckt. Eine Frage der hier vorliegenden Arbeit
galt der Ursache der Derepression von PHO5 durch die lacZ
kodierenden DNA-Sequenz. Dazu interessierte uns, ob die
Derepression ein spezielles Phänomen der lacZ-Sequenz ist oder ob
es sich hierbei eher um eine allgemeine Eigenschaft von
DNA-Fragmenten handelt. Außerdem interessierte uns, ob die Herkunft
der DNA aus prokaryonten oder eukaryonten Zellen eine Rolle spielen
könnte. Dazu wurde jeweils eine große Anzahl zufällig ausgewählter
DNA-Fragmente einer Länge zwischen 900bp und 1200bp aus den Genomen
der Hefe Saccharomyces cerevisiae und der Bakterien Escherichia
coli und Micrococcus lysodeikticus an entsprechender Stelle vor den
PHO5-Promotor integriert. Die so konstruierten Plasmide wurden in
einen Hefestamm transformiert, in dem das SIN4-Gen zerstört worden
war. Insgesamt wurden 400 Klone mit integrierten
Hefe-DNA-Fragmenten, 300 Klone mit integrierten M.
lysodeikticus-DNA-Fragmenten und 14 Klone mit integrierten E.
coli-DNA-Fragmenten untersucht. Die Bestimmung der
Phosphatase-Aktivitäten der einzelnen Klone ergab für fast alle
Plasmide mit integrierten E. coli- und M.
lysodeikticus-DNA-Fragmenten eine erhöhte Aktivität trotz
phosphatreichen Mediums. Im Gegensatz dazu zeigten die wenigsten
Plasmide mit integrierten Hefe-DNA-Fragmenten eine Erhöhung der
PHO5-Expression unter denselben Bedingungen. Von den insgesamt 400
getesteten Plasmiden wiesen nur neun eine gesteigerte
PHO5-Expression auf. In allen Fällen, also für alle E. coli-, M.
lysodeikticus- und Hefe-DNA-Fragmente, wurde nur in Abwesenheit von
Sin4 eine erhöhte Phosphatase-Aktivität gemessen. Bei seiner
Anwesenheit wurden in phosphatreichem Medium nie gesteigerte
Aktivitäten beobachtet. Diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass die
hier beobachtete Derepression typischerweise eine Eigenschaft
prokaryonter DNA ist. Nur ein Bruchteil der eukaryonten
DNA-Fragmente aus dem Hefe-Genom führt zu einer Derepression der
Promotoraktivität, während dies nahezu alle prokaryonten
DNA-Fragmente aus Escherichia coli- bzw. Micrococcus lysodeikticus
tun. Um die neun Hefe-DNA-Fragmente, die zu einer Aktivierung des
PHO5-Promotors führten, auf eventuelle Besonderheiten zu
untersuchen, wurden ihre DNA-Sequenzen bestimmt und analysiert.
Außerdem wurden noch zwei E. coli-DNA-Fragmente sequenziert, die zu
keiner gesteigerten PHO5-Expression geführt haben. Diese sehr
eindeutigen Ergebnisse werfen Fragen nach dem zugrunde liegenden
Mechanismus auf. Eventuelle DNA-Methylierungen oder kryptische
Promotoren schieden als Erklärung des Phänomens aus. Unterschiede
des G-C-Gehalts der einzelnen DNA-Fragmente könnten besonders für
die prokaryonte DNA teilweise eine Erklärung liefern. Die beiden
prokaryonten Genome haben mit 51% bzw.72% einen wesentlich höheren
G-C-Gehalt als das Hefegenom mit 38%. Besonders die beiden E.
coli-DNA-Fragmente, die zu keiner gesteigerten PHO5-Expression
führten, besitzen einen wesentlich geringeren G-C-Gehalt als der
Durchschnitt des gesamten E. coli-Genoms (44,7% bzw. 38,0% im
Vergleich zu 51%). Eukaryonte DNA besitzt in ihrer Sequenz im
Gegensatz zu der aus Prokaryonten eine gewisse Periodizität, die
sich etwa alle 10,5bp wiederholt und die Ausbildung von Nukleosomen
erleichtert. Das Fehlen dieser Periodizität in prokaryonter DNA
könnte sich ebenfalls auswirken, z.B. über eine labile
Chromatinstruktur, die sich auch auf den benachbarten PHO5-Promotor
auswirkt und dadurch eine Dereprimierung von PHO5 in sin4-Zellen
auslöst. Die Dereprimierung des PHO5-Promotors durch die wenigen
Hefe-DNA-Fragmente trotz reprimierender Bedingungen könnten
aufgrund anderer Mechanismen zustande zu kommen. Die neun
Hefe-DNA-Fragmente, die zu einer Aktivierung des PHO5-Promotors
führten, zeigten auch keinen vom Hefegenom abweichenden G-C-Gehalt.
Es ist auffällig, dass alle 9 DNA-Fragmente intergenische Bereiche
enthalten. In diesen Bereichen gibt es oft regulatorische Elemente,
die häufig in hypersensitiven Regionen gefunden werden.
Hypersensitive Regionen sind nicht in Nukleosomen gepackt und
könnten dadurch auch die umgebene Chromatinstruktur beeinflussen.
Unabhängig von den mechanistischen Überlegungen zeigen diese
Untersuchungen, dass die Aktivität eines Promotors von der Umgebung
beeinflusst werden kann und dass daher der Einsatz von heterologen
Reportergenen mit Vorsicht betrachtet werden muss.

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15
:
: