074 — Apocalypse Always

074 — Apocalypse Always

Ich habe mich schon in früheren Episode mit der Frage auseinandergesetzt, wie man in schwierigen, potentiell kritischen Situationen entscheiden und handeln soll. Kürzlich bin ich auf einen Artikel des australischen Philosophen Michael Barkun, Thinkin...
15 Minuten
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Woher kommen wir, wo stehen wir und wie finden wir unsere Zukunft wieder?

Beschreibung

vor 10 Monaten

Ich habe mich schon in früheren Episode mit der Frage
auseinandergesetzt, wie man in schwierigen, potentiell kritischen
Situationen entscheiden und handeln soll. Kürzlich bin ich auf
einen Artikel des australischen Philosophen Michael Barkun,
Thinking About The End in Contemporary America aus dem Jahr 1983
aufmerksam geworden.


Ich lese ältere Artikel der 50er bis 80er Jahre mit immer
größerem Interesse, weil ich auch hier feststelle, dass viele der
Beobachtungen und Erkenntnisse dieser Zeit, obwohl sie 40-70
Jahre zurückliegen, immer noch zutreffen und diese Artikel häufig
viel besser geschrieben sind als heutige. Die fundamentalen Dinge
ändern sich offenbar doch nicht ganz so schnell, wie von vielen
behauptet...?


Diese Episode wird eine kurze Reflexion über Katastrophismus und
apokalyptische Prognosen und Aktivisten sein. Wie immer bei
solchen Reflexionen, freue ich mich auf kritische Zuschriften.


In dieser kurzen Reflexion stelle ich die Frage, woher
Katastrophismus und Untergangsglaube kommt, dass er nahezu eine
Konstante der menschlichen Geschichte ist, aber auch, dass wir
deutliche Unterschiede im 20. und 21. Jahrhundert wahrnehmen,
nämlich eine Verschiebung von religiösen zu säkularen Ideen.


»Speculations about the end of history form an almost unbroken
chain over two and a half millenia«, Michael Barkun


Auch in früheren Gesprächen, etwa mit Prof. Achim Landwehr haben
ich sehr ähnliche Aspekte bereits thematisiert. Ein Nachhören
dieser älteren Episoden zahlt sich aus:


»Wenn Apokalypse nie ausstirbt, dann heißt das aber auch: Die
Welt geht nie unter. Das ist dann vielleicht die positive
Konsequenz, die man daraus ableiten könnte.« 


Ich zitiere später in der Folge den britischen Philosophen John
Gray, der sich in seinem hervorragenden Buch Black Mass sehr
kritisch mit milleniaristischen und utopistischen Strömungen
auseinandersetzt:


»The world in which we find ourselves at the start of the new
millennium is littered with the debris of utopian projects. […]
The alteration envisioned by utopian thinkers has not come about,
and for the most part their projects have produced results
opposite to those they intended.«


Die Tatsache, dass wir die Trümmer vergangener Utopien links und
rechts um uns herum sehen, hindert aber neue Utopisten nicht
daran wieder ihre reine Lehre allen anderen aufzwingen zu wollen:


»The use of inhumane methods to achieve impossible ends is the
essence of revolutionary utopianism.«


Wir erleben gerade eine Vielzahl an katastrophistischen, fast
religionsartigen Bewegungen wie etwa Just Stop Oil, Extinction
Rebellion oder die Letzte Generation. An dieser Stelle
Screenshots von zwei Webseiten, die im Podcast erwähnt werden:


Extinction Rebellion


Letzte Generation


Das Pamphlet endet mit den bescheidenen Worten:


»Und wir stehen auf der richtigen Seite der Geschichte.«


Am Ende stelle ich die Frage, wie wir als Gesellschaft nun mit
solchen apokalyptischen Vorhersagen und kultartigen Strömungen
umgehen sollen, besonders in Bezug auf Klimawandel, um den sich
die meisten heute drehen. Diese Verengung ist für sich genommen
bemerkenswert, denn denkt man über existentielle Bedrohungen der
Menschheit nach, fallen mir ohne lange Überlegungen fast ein
Dutzend Bedrohungen ein, der Klimawandel ist da nur eine unter
vielen.


Dies merkt auch der britischen Historiker Niall Ferguson an; aus
seinem ebenfalls sehr lesenswerten Buch Doom zitiert:


“For every potential calamity, there is at least one plausible
Cassandra. Not all prophecies can be heeded. In recent years we
may have allowed one risk — namely climate change — to draw our
attention away from the others.”


Dazu kommt noch die wesentliche Frage, ob diese Probleme, die
hier angesprochen werden, überhaupt eine Lösung in einem
traditionellen Sinn hat, wie diese Aktivisten behaupten. Dazu
empfehle ich die Episode Probleme und Lösungen nachzuholen.


“There are no solutions, only tradeoffs.”, Thomas Sowell


Am Ende noch ein Zitat aus dem herausragenden Buch von Jacob
Bronowski aus dem Jahr 1956, das im Grunde meine Episode über den
Irrtum der »Follow the Science« vorwegnimmt (allerdings bin ich
erst nach meiner Episode auf dieses Buch gestossen):


»There is no more threatening and no more degrading doctrine than
the fancy that somehow we may shelve the responsibility for
making the decisions of our society by passing it to a few
scientists armoured with a special magic.«


Referenzen


Andere Episoden


Episode 76: Existentielle Risiken

Episode 62: Wirtschaft und Umwelt, ein Gespräch mit Prof.
Hans-Werner Sinn

Episode 60: Wissenschaft und Umwelt — Teil 2

Episode 59: Wissenschaft und Umwelt — Teil 1

Episode 51: Vorbereiten auf die Disruption? Ein Gespräch mit
Herbert Saurugg und John Haas

Episode 50: Die Geburt der Gegenwart und die Entdeckung der
Zukunft — ein Gespräch mit Prof. Achim Landwehr

Episode 47: Große Worte

Episode 46: Activism, a Conversation with Zion Lights

Episode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?

Episode 39: Follow the Science?

Episode 37: Probleme und Lösungen



Fachliche Referenzen


Apocalypse Always, Blog Artikel (2023)

Existential Threats, Blog Article (2023)

Michael Barkun, Syracuse University

Michael Barkun, Thinking about the end in contemporary
America, Soundings: An Interdisciplinary Journal Vol. 66,
No. 3 (Fall 1983), pp. 257-280

Andrea Wulf, Alexander von Humboldt und die Erfindung der
Natur, Bertelsmann (2016)

John Gray, Black Mass, Penguin (2008)

Just Stop Oil

Extinction Rebellion, Citizens Assembly, Climate Change
(2021)

Letzte Generation, Berlin zum Stillstand bringen (April 2023)

Niall Ferguson, Doom, Deutsche Verlagsanstalt (2021)

Jacob Bronowski, Science and Human Values, Faber and Faber
(1956)

Michael Crichton, Why Speculate? (2002)

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