076 — Existentielle Risiken
»Wird die Zivilisation mit einem Knall oder einem Winseln
untergehen? Der aktuelle Trend ist ein Winseln in
Erwachsenen-Windeln.«, Elon Musk Existentielle Risiken sind ein
Thema, das in diesen Podcast passt, auch weil es eine interessante
historisc...
26 Minuten
Podcast
Podcaster
Beschreibung
vor 9 Monaten
»Wird die Zivilisation mit einem Knall oder einem Winseln
untergehen? Der aktuelle Trend ist ein Winseln in
Erwachsenen-Windeln.«, Elon Musk
Existentielle Risiken sind ein Thema, das in diesen Podcast
passt, auch weil es eine interessante historische und zukünftige
Dimension hat. Zur Zukunft später, zuerst zur Vergangenheit: Zwar
gab es auch in der Vergangenheit für die Menschheit oder den
Planeten existentielle Risiken, etwa Asteroiden-Einschläge, aber
es waren Risiken, die der Mensch weder beeinflussen noch
herbeiführen konnte. Die Wirkmacht der Menschen war über den
größten Zeitraum menschlicher Geschichte eine lokale.
Das ändert sich zunächst langsam mit der industriellen Revolution
und dann schlagartig ab der Mitte des 20. Jahrhunderts. Die
Atomwaffen waren die erste Technologie, die ganz offensichtlich
gezeigt haben, dass wir nun in der Lage sind nicht nur ganze
Landstriche zu verwüsten, sondern tatsächlich die ganze
Welt.
"Wir waren immer verrückt, aber wir hatten nicht die Fähigkeiten
die Welt zu zerstören. Jetzt haben wir sie.", Nassim Taleb
Was sind existentielle Risiken? Versuch einer Definition:
»Ein 'existenzielles Risiko' (X-Risiko) ist ein Ereignis, das die
Möglichkeiten der Menschheit dauerhaft und drastisch einschränken
könnte, indem es zum Beispiel das Aussterben der Menschheit
verursacht«, CamXRisk
Meine erweiterte Definition:
Ein existenzielles Risiko für die Menschheit ist eine Bedrohung,
die große Teile des Planeten oder menschlicher Strukturen
zerstört oder große Teile der Menschheit in einem Ausmaß oder auf
eine Weise töten könnte, dass eine Wiederherstellung eines
modernen Gesellschaftsniveaus innerhalb eines Zeitrahmens von
Jahrhunderten nicht wahrscheinlich ist.
Macht das Auflisten existentieller Risiken, das Ranken Sinn? Mit
welchen Einschränkungen, unter welchen Rahmenbedingungen? Ist es
überhaupt möglich, die Risiken sinnvoll einzuschätzen und wovon
hängt das Risiko ab?
»Eine Pandemie besteht aus einem neuen Erreger und den sozialen
Netzwerken, die er angreift. Wir können das Ausmaß der Ansteckung
nicht verstehen, wenn wir nur das Virus selbst untersuchen, denn
das Virus wird nur so viele Menschen infizieren, wie es die
sozialen Netzwerke zulassen. Gleichzeitig legt eine Katastrophe
die Gesellschaften und Staaten offen, die sie angreift.«, Niall
Ferguson
Daher sind die Auswirkungen von Effekten komplexer Bedrohungen
oft auch schwer einzuschätzen. So sind etwa trotz Klimawandel:
»Die jährlichen Todesfälle durch Tornados in den USA sind seit
1875 um mehr als das Zehnfache zurückgegangen« […]
"Die Zahl der wetterbedingten Todesfälle ist in den letzten
hundert Jahren drastisch zurückgegangen, obwohl sich die Erde um
1,2 °C erwärmt hat; sie sind heute etwa 80-mal seltener als noch
vor einem Jahrhundert. […]
Das liegt vor allem an der besseren Verfolgung von Stürmen, dem
besseren Hochwasserschutz, der besseren medizinischen Versorgung
und der verbesserten Widerstandsfähigkeit der Länder, die sich
entwickelt haben. Ein aktueller UN-Bericht bestätigt den Trend
der letzten zwei Jahrzehnte", Steven Koonin
Anhand von drei existentiellen Bedrohungen stelle ich die
Schwierigkeit dar, Risiken, Auswirkungen und Rankings zu
beurteilen: Atomwaffen, Bevölkerungskollaps und Klimawandel.
Welche Rolle spielen systemische Effekte? Wechselbeziehungen
zwischen Bedrohungen, beziehungsweise sind einzelne Risiken als
Folge anderer zu sehen? Wie damit umgehen?
»Für jede mögliche Katastrophe gibt es mindestens eine plausible
Kassandra. Nicht alle Prophezeiungen können beherzigt werden. In
den letzten Jahren haben wir vielleicht zugelassen, dass ein
Risiko - nämlich der Klimawandel - unsere Aufmerksamkeit von den
anderen ablenkt«, Niall Ferguson
Das Leben in einer modernen, komplexen Gesellschaft — im
Anthropozän — hat positive Auswirkungen: wir sind weiter von der
Natur entfernt, sind sicherer und haben einen viel höheren
Lebensstandard als je zuvor. Wir sterben nicht mehr im Einklang
mit der Natur, wie Hans Rosling es ausdrückte. Aber sie hat eben
auch negative Auswirkungen, die leider existentielle Risiken
darstellen können.
Die Konzentration auf die Eindämmung eines einzigen Risikos (z.
B. des Klimawandels) kann dazu führen, dass wir andere Risiken
unterschätzen oder sogar andere Risiken dramatisch erhöhen.
»Wir sind immer gut vorbereitet auf die falsche Katastrophe.
[...] Aber die Geschichte warnt uns, dass man nicht die
Katastrophe bekommt, auf die man sich vorbereitet.«, Niall
Ferguson
Wie können wir aber mit einer Vielzahl an miteinander verknüpften
Risiken umgehen? Was könnten wir unternehmen um unsere
Gesellschaft in einem breiteren Sinne resilienter,
widerstandsfähiger zu machen? Welche Fehler haben wir in der
Covid-Pandemie gemacht und was können wir daraus lernen?
Und nicht zuletzt — was ist die Liste der existentiellen
Bedrohung in meiner Reihenfolge (die unbedingt kritisiert werden
sollte!):
Atomwaffen Natürliche oder künstlich erzeugte Pathogene
(»Demokratisierung« der Wissenschaft) Zusammenbruch kritischer
Infrastrukturen (Energie, Finanz, IKT, ...) Solarer Supersturm
(auch Carrington-Ereignis genannt) Außer Kontrolle geratene
Automatisierung/Robotik ("AI", aber auf einer allgemeineren Ebene)
Klimawandel (insbesondere für den Fall, dass Kipppunkte und ein
unkontrollierbarer Klimawandel auftreten) Nanotechnologie oder
andere Möglichkeiten zur drastischen Veränderung von Herstellung
und Chemie, die zu Nanomaschinen führen Bevölkerungskollaps
beziehungsweise starkes globales Ungleichgewicht Ökosystemkollaps
mit »Domino-Effekten« Unbekannte Unbekannte (»Unknown unknowns«)
Grüne Gentechnik die außer Kontrolle gerät Politischer/religiöser
Extremismus Asteroideneinschlag auf der Erde Geoengineering (auch
als Konflikt-Auslöser, -Verstärker)
Diese Liste ist als Anregung gedacht, dieses Thema zu
diskutieren. Ist die Reihenfolge richtig? Wahrscheinlich nicht.
Fehlt etwas?
Die Kluft zwischen Nutzen und Katastrophe scheint durch moderne
Technologie immer schärfer zu werden. Wir sind also gut beraten,
diese Bedrohungen ernst zu nehmen. Aber um einen Punkt zu
wiederholen: es ist ein großer Fehler, sich hauptsächlich auf
eine Bedrohung in dieser Liste zu konzentrieren, welche auch
immer das sein mag, und zu glauben, wir könnten so unser
gesellschaftliches Risiko verringern.
Das werden wir nicht.
Referenzen
Andere Episoden
Episode 74: Apocalype Always
Episode 60: Wissenschaft und Umwelt — Teil 2
Episode 59: Wissenschaft und Umwelt — Teil 1
Episode 55: Strukturen der Welt
Episode 51: Vorbereiten auf die Disruption? Ein Gespräch mit
Herbert Saurugg und John Haas
Episode 45: Mit »Reboot« oder Rebellion aus der Krise?
Episode 44: Was ist Fortschritt? Ein Gespräch mit Philipp
Blom
Episode 37: Probleme und Lösungen
Episode 33: Naturschutz im Anthropozän – Gespräch mit Prof.
Frank Zachos
Episode 27: Wicked Problems
Episode 21: Der Begriff der Natur – oder: Leben im
Anthropozän
Fachliche Referenzen
Cambridge Existential Risks Initiative (CERI)
Hans Rosling, Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu
sehen, wie sie wirklich ist, Ullstein (2019)
Niall Ferguson, Doom, The Politics of Catastrophe, Penguin
(2022)
Steven E. Koonin, Unsettled, BenBella Books (2021)
Climate Change Debate: Bjørn Lomborg and Andrew Revkin | Lex
Fridman Podcast #339
Niall Ferguson on disaster preparation, Triggernometry
Near Miss: The Solar Superstorm of July 2012, NASA (2014)
Lloyds, Solar storm risk to the North American electric grid
(2013)
The Economist Briefing, It’s not just a fiscal fiasco:
greying economies also innovate less (2023)
The five biggest threats to human existence, The Conversation
(2014)
Elon Musk on artificial intelligence, Conversation with
Tucker Carlson (2023)
Weitere Episoden
60 Minuten
vor 3 Tagen
1 Stunde 6 Minuten
vor 3 Wochen
1 Stunde 18 Minuten
vor 1 Monat
28 Minuten
vor 1 Monat
Kommentare (0)