(46) Ludwig van Beethoven »Das Heiligenstädter Testament«

(46) Ludwig van Beethoven »Das Heiligenstädter Testament«

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Beschreibung

vor 14 Jahren
Empfehlt euren Kindern Tugend, sie nur allein kann glücklich
machen, nicht Geld. – O ihr Menschen, die ihr mich für feindselig,
störrisch oder misantropisch haltet oder erkläret, wie unrecht tut
ihr mir; ihr wißt nicht die geheime Ursache von dem, was euch so
scheinet; mein Herz und mein Sinn waren von Kindheit an für das
zarte Gefühl des Wohlwollens, selbst große Handlungen zu
verrichten, dazu war ich immer aufgelegt, aber bedenket nur, daß
seit 6 Jahren ein heilloser Zustand mich befallen, durch
unvernünftige Ärzte verschlimmert, von Jahr zu Jahr in der
Hoffnung, gebessert zu werden, betrogen, endlich zu dem Überblick
eines dauernden Übels (dessen Heilung vielleicht Jahre dauern oder
gar unmöglich ist) gezwungen, mit einem feuerigen, lebhaften
Temperamente geboren, selbst empfänglich für die Zerstreuungen der
Gesellschaft, mußte ich früh mich absondern, einsam mein Leben
zubringen, wollte ich auch zuweilen mich einmal über alles das
hinaussetzen, o wie hart wurde ich dur[ch] die verdoppelte traurige
Erfahrung meines schlechten Gehör’s dann zurückgestoßen, und doch
war’s mir noch nicht möglich, den Menschen zu sagen: sprecht
lauter, schreit, denn ich bin taub, ach wie wär es möglich, daß ich
dann die Schwäche eines Sinnes angeben sollte, der bei mir in einem
vollkommenern Grade als bei andern sein sollte, einen Sinn, den ich
einst in der größten Vollkommenheit besaß, in einer Vollkommenheit,
wie ihn wenige von meinem Fache gewiß haben noch gehabt haben – o
ich kann es nicht, drum verzeiht, wenn ihr mich da zurückweichen
sehen werdet, wo ich mich gerne unter euch mischte; doppelt wehe
tut mir mein Unglück, indem ich dabei verkannt werden muß, für mich
darf Erholung in menschlicher Gesellschaft, feinere Unterredungen,
wechselseitige Ergießungen nicht statt haben, ganz allein fast nur
so viel, als es die höchste Notwendigkeit fodert, darf ich mich in
Gesellschaft einlassen, wie ein Verbannter muß ich leben, nahe ich
mich einer Gesellschaft, so überfällt mich eine heiße
Ängstlichkeit, indem ich befürchte, in Gefahr gesetzt zu werden,
meinen Zustand merken zu lassen – so war es denn auch dieses halbe
Jahr, was ich auf dem Lande zubrachte, von meinem vernünftigen
Arzte aufgefordert, so viel als möglich mein Gehör zu schonen, kam
er fast meiner jetztigen natürlichen Disposition entgegen, obschon,
vom Triebe zur Gesellschaft manchmal hingerissen, ich mich dazu
verleiten ließ, aber welche Demütigung, wenn jemand neben mir stund
und von weitem eine Flöte hörte, und ich nichts hörte; oder wenn
jemand den Hirten singen hörte, und ich auch nichts hörte; solche
Ereignisse brachten mich nahe an Verzweiflung, es fehlte wenig, und
ich endigte selbst mein Leben – nur sie, die Kunst, sie hielt mich
zurück, ach es dünkte mir unmöglich, die Welt eher zu verlassen,
bis ich das alles hervorgebracht, wozu ich mich aufgelegt fühlte;
und so fristete ich dieses elende Leben – wahrhaft elend; einen so
reizbaren Körper, daß eine etwas schnelle Veränderung mich aus dem
besten Zustande in den schlechtesten versetzen kann – Geduld – so
heißt es, sie muß ich nun zur Führerin wählen, ich habe es –
dauernd, hoffe ich, soll mein Entschluß sein auszuharren, bis es
den unerbittlichen Parzen gefällt, den Faden zu brechen, vielleicht
geht’s besser, vielleicht nicht, ich bin gefaßt – schon in meinem
28. Jahre gezwungen, Philosoph zu werden, es ist nicht leicht, für
den Küns… (weiterlesen auf
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