(51) Johann Wolfgang von Goethe »Dilettant und Kritiker«

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Beschreibung

vor 11 Jahren
Es hatt ein Knab‘ eine Taube zart, Gar schön von Farben und bunt,
Gar herzlich lieb, nach Knabenart, Geätzet aus seinem Mund Und
hatte so Freud‘ am Täubchen sein, Daß er nicht konnte sich freuen
allein. Da lebte nicht weit ein Alt-Fuchs herum, Erfahren und
lehrreich und schwätzig darum; Der hatte den Knaben manch Stündlein
ergetzt, Mit Wundern und Lügen verprahlt und verschwätzt. „Muß
meinem Fuchs doch mein Täubelein zeigen!“ Er lief und fand ihn
strecken in Sträuchen. „Sieh, Fuchs, mein lieb Täublein, mein
Täubchen so schön! Hast du dein‘ Tag‘ so ein Täubchen geseh’n?“
„Zeig‘ her!“ – Der Knabe reicht’s. – „Geht wohl an; Aber es fehlt
noch, manches dran. Die Federn, zum Exempel, sind zu kurz geraten.“
Da fing er an, rupft‘ sich den Braten. Der Knabe schrie. – „Du mußt
stärkre einsetzen, Sonst ziert’s nicht, schwinget nicht.“ Da war’s
nackt – Mißgeburt! – und in Fetzen. Dem Knaben das Herze bricht.
Wer sich erkennt im Knaben gut, Der sei vor Füchsen auf seiner Hut.

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