(64) Friedrich Nietzsche »Die Hoffnung« aus »Menschliches, Allzumenschliches I«

(64) Friedrich Nietzsche »Die Hoffnung« aus »Menschliches, Allzumenschliches I«

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Beschreibung

vor 2 Jahren
Die Hoffnung. — Pandora brachte das Fass mit den Übeln und öffnete
es. Es war das Geschenk der Götter an die Menschen, von Außen ein
schönes verführerisches Geschenk und "Glücksfass" zubenannt. Da
flogen all die Übel, lebendige beschwingte Wesen heraus: von da an
schweifen sie nun herum und tun den Menschen Schaden bei Tag und
Nacht. Ein einziges Übel war noch nicht aus dem Fass
herausgeschlüpft: da schlug Pandora nach Zeus' Willen den Deckel zu
und so blieb es darin. Für immer hat der Mensch nun das Glücksfass
im Hause und meint Wunder was für einen Schatz er in ihm habe; es
steht ihm zu Diensten, er greift darnach: wenn es ihn gelüstet;
denn er weiß nicht, dass jenes Fass, welches Pandora brachte, das
Fass der Übel war, und hält das zurückgebliebene Übel für das
größte Glücksgut, — es ist die Hoffnung. — Zeus wollte nämlich,
dass der Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält,
doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von
Neuem quälen zu lassen. Dazu gibt er dem Menschen die Hoffnung: sie
ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der
Menschen verlängert.

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