Berlins bester Walk Virtuelle Geschichte mit TimeRide
Heute ist mir wieder mal aufgefallen, in welcher Berliner
Parallelwelt ich in meinem Kiez lebe. Hier geht alles seinen
ruhigen Gang – angereichert natürlich mit all den Annehmlichkeiten,
die eine Metropole bereithält. On a Fingertip quasi; egal,
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Beschreibung
vor 3 Jahren
Heute ist mir wieder mal aufgefallen, in welcher Berliner
Parallelwelt ich in meinem Kiez lebe. Hier geht alles seinen
ruhigen Gang – angereichert natürlich mit all den
Annehmlichkeiten, die eine Metropole bereithält. On a Fingertip
quasi; egal, ob es um Restaurants geht, Nightlife oder
Kultur.
Aber heute war ich mal wieder an einem der touristischen
Hotspots. Nämlich in Berlin Mitte, im weitesten Sinne rund um das
Brandenburger Tor. Um mich herum Horden von Besuchergruppen. Ein
internationales kakophones Geplapper, Menschen, die den
Bürgersteig versperren, Radler-Schwadrone oder Segway-Roller,
knatternde Trabbi-Safaris und Rikscha-Fahrer. Zum Glück keine
Bier-Bikes mehr; die sind mittlerweile weitgehend verboten. Der
normale Touristen-Durchlauf-Erhitzer eben.
Berlin ist für viele wieder eine Reise wert. Und natürlich kann
man Berlin auch auf eigene Faust entdecken. Die Regalreihe im
Buchhandel mit Berlin-Führern biegt sich durch. Vor allem mit
vielen Spezialtiteln für Verborgene Plätze,
Glücksmomente,
Feierabend-Eskapaden, Soul of
Berlin, Insider-Trips, Guide
Me und wie sie alle heissen in ihrem Anspruch, eben
nicht nur die Baedeker Must-Sees zu bedienen.
(Und diese kleine Auswahl ist derzeit meine Empfehlung)
Doch wirklich persönlich lernt man einen fremden Ort eigentlich
nur kennen, wenn man fachkundig geführt wird. Auch hier hat sich
zum Glück ein Wandel vollzogen vom heruntergeleierten
Wikipedia-Text, hin zum spannenden Geschichten-Erzählen. Durch
Get your Guide und andere Portale können
Besucher sich maßgeschneiderte Themen heraussuchen für geführte
Spaziergänge, die vor allem dann glücklich machen, wenn es ein
Wiederholungsbesuch in der Stadt ist, die man nie so richtig
begreifen wird.
Was mir heute aber auch auffiel: durch die extreme Bautätigkeit
der Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung ist die jüngere
Geschichte des letzten Jahrhunderts kaum noch spürbar. Wer zum
Beispiel die Zeit der Mauer nicht persönlich erlebt hat, wird die
bedrückende Atmosphäre nicht mehr empfinden. Das können ein paar
Pflastersteine im Strassenboden oder Schautafeln an historischen
Orten einfach nicht mehr liefern. Und auch die Nazi-Vergangenheit
ist baulich nur noch ein matter Schatten; vom Stadtbild der
1920er Jahre gar nicht zu sprechen.
Für Stadtführer ist das eine schwierige Aufgabe. Sie können zwar
erläutern, aber letztendlich haben sie nicht mehr, als ein
Ringbuch mit ein paar eingeschweissten historischen Fotos dabei,
wenn es darum geht, die Augen der Besucher zu öffnen, dass sie
vielleicht in diesem Augenblick mitten im Kommerz rund um den
Checkpoint Charly real mitten im Todesstreifen stehen, in dem bis
zum Jahr 1989 noch Menschen umgebracht wurden; einfach nur, weil
sie ein freies Leben haben wollten.
Jetzt gibt es allerdings eine Alternative für die, die sich immer
schon mal gewünscht haben, bei ihrem Spaziergang durch Berlin
eine wirkliche Zeitreise mit dabei zu haben. Angeboten wird das
von der Firma mit dem entsprechenden Namen:
TimeRide. Seit einigen Jahren haben die schon
ein Angebot, sich quasi in ihrer Zentrale an der Zimmerstrasse 91
in einen installierten Bus zu setzen, und mit virtuellen Headsets
eine Fahrt zu unternehmen in die späten 80er Jahre durch
Ostberlin.
Neu gibt es jetzt 90-minütige Walking-Tours als TimeRide Go! Die
Zeitreisenden bekommen virtuelle Headsets (die erstaunlich gut
funktionieren und auch sehr leicht sind) und laufen hinter einem
fachkundigen Guide los. An bestimmten Punkten werden dann die
Brillen aufgesetzt – und man beamt sich Jahrzehnte zurück an
genau diesen Punkt; sieht Häuser, Menschen, Fuhrwerke – und kann
zum ersten mal am eigenen Körper wirklich begreifen, wie Berlin
früher lebte.
WasMitReisen Reporter Jürgen Drensek mit Brett/Brille
vor dem Kopf
Neue Reichskanzlei 40er Jahre Timeride
Abgeordnetenhaus um 1900 Timeride
Potsdamer Platz 1920er Jahr Timeride
Neue Reichskanzlei 40er Jahre Timeride
Brandenburger Tor 1945 Timeride
Stalin-Poster Unter den Linden 1945 Timeride
Mauerbau 1961 Timeride
Mauerfall 1989 Timeride
Es ist wirklich ein überwältigendes Gefühl, weil jede Szene in
360 Grad angelegt ist. Man kann sich also in alle Richtungen
drehen, und immer wieder neue Details entdecken. Zusätzlich gibt
es noch eine Soundkulisse, die das Eintauchen in alte Zeiten
perfektioniert. Wenn man nach wenigen Minuten die Brille absetzt,
muss man sich oft erst mal neu orientieren, um die Jetzt-Zeit
wieder zu begreifen.
TimeRide Go! ist nach meiner Meinung die beeindruckendste
Stadtführung, die man zur Zeit erleben kann. Übrigens nicht nur
für Gäste der Stadt. Viele Berliner würden ihren Lebensort danach
mit ganz anderen Augen sehen.
Nach meiner Zeitreise sprach ich mit dem Gründer und
Geschäftsführer von TimeRide, Jonas Rothe.
Um das Interview zu hören, bitte auf den PLAY-Button im Titelbild
klicken.
____
Führungen (die Gruppengröße schwankt zwischen 12 und 18
Teilnehmern) dauern ca 90 Minuten. Im Regelfall kann jeder das
virtuelle Headset benutzen, auch Brillenträger. Nun mit
Gleitsicht-Brillen funktioniert es nicht so gut. Der reguläre
Preis beträgt knapp 30 Euro; der ermäßigte Preis ist 5 €
günstiger. Die Führungen werden zum Beginn des Projekts in
deutsch und englisch angeboten. Weitere Sprachen sind in
Vorbereitung, wenn die Schulungsphase internationaler
Fremdenführer abgeschlossen ist. Man kann natürlich auch
Führungen für ein eigene Familie oder Gruppe anfragen.
Einen Timeslot bucht man am besten über TimeRide
direkt.
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