Podcaster
Episoden
16.12.2025
50 Minuten
Dr. Christine Bangert im Interview zur Atopischen
Dermatitis (AD), in der Umgangssprache oft als
Neurodermitis bezeichnet. Die AD ist eine
chronisch-rezidivierende entzündliche Hauterkrankung, deren
Existenz bereits vor 2500 Jahren von Hippokrates beschrieben
wurde. Die Diagnose erfolgt klinisch anhand der Hanifin und Rajka
Kriterien, wobei der starke Juckreiz (Pruritus)
eines der Hauptkriterien darstellt. Die Ekzeme zeigen sich in
altersabhängiger Verteilung, wobei sie bei älteren Kindern
typischerweise in den großen Beugen (Kniekehlen, Ellenbeugen)
auftreten, während Erwachsene sie eher an Hals, Kopf oder Händen
entwickeln.
Pathophysiologisch ist die AD eine multifaktorielle Erkrankung,
die auf drei zentralen Säulen beruht: einer gestörten
Hautbarriere (Epidermis), einer Verschiebung der
Immunlage hin zur Typ-2-Immunität, und einer
Dysbiose des Mikrobioms. Diese Barrierestörung
wird bei vielen Patienten durch strukturelle Proteinmängel wie
die Filaggrinmutation begünstigt, wodurch Allergene und Mikroben
leichter eindringen und die Entzündung weiter anheizen können.
Die systemische Th2-Entzündung ist oft mit weiteren atopischen
Erkrankungen wie Asthma, allergischer Rhinitis oder
Nahrungsmittelallergien assoziiert.
Immunologisch stehen die Zytokine Interleukin-13 (IL-13) und
Interleukin-4 (IL-4) im Zentrum der Typ-2-Immunität, wobei IL-13
als Schlüsselzytokin fungiert, das sowohl die Entzündung als auch
die Fibrose (Lichenifikation) mitbeeinflusst. Speziell der
quälende Juckreiz wird durch das Zytokin IL-31 vermittelt. Die
gestörte Hautabwehr führt zu einer erhöhten Anfälligkeit für
Infektionen: Akute Schübe sind durch eine Überwucherung mit dem
pathogenen Keim Staphylococcus aureus
gekennzeichnet, der durch seine Toxine die Typ-2-Immunreaktion
weiter verstärkt. Auch Viruserkrankungen, wie die schwere
Ekzema herpeticatum (durch Herpes Simplex),
stellen eine besondere Gefahr dar und müssen notfallmäßig
intravenös behandelt werden.
Die AD ist nicht auf die Haut beschränkt, sondern gilt als
systemische Erkrankung mit relevanten
Komorbiditäten, darunter neuropsychiatrische
Erkrankungen (erhöhtes Risiko für Depressionen und
Angststörungen) und kardiovaskuläre Risiken (z.B. ischämische
Herzerkrankungen). Als Triggerfaktoren gelten Stress (auch
positiver Stress) und starke Temperaturschwankungen. Experten
betonen, dass Diäten ohne eine nachgewiesene
Nahrungsmittelallergie nicht zielführend sind, da sie unnötigen
Stress verursachen, der die Krankheit wiederum verschlechtern
kann.
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26.11.2025
43 Minuten
Hidradenitis Suppurativa (HS, Acne Inversa)
Dr. Antonia Wiala-Winter und ich unterhalten uns zu einer
schweren chronischen Hauterkrankung mit enormem Leidensdruck: Der
Hidradenitis suppurativa.
Definition: Rein klinische Diagnose (keine
Biopsien/Labor nötig) mit drei Grundläsionen: entzündliche
Knoten, Abszesse und sezernierende Fisteln in inversen
Körperarealen (Achseln, Leisten, Genital, Gesäß), die innerhalb
von sechs Monaten rezidivieren. HS geht primär vom Haarfollikel
aus, nicht von Schweißdrüsen, und unterscheidet sich grundlegend
von der Akne vulgaris.
Pathogenese: Die HS ist KEINE
Infektionskrankheit. Mechanischer Stress in Hautfalten begünstigt
Mikrobenpenetration und follikuläre Hyperkeratose; verstärkt
durch Nikotinabusus. HS ist eine
Systemerkrankung mit genetischer Veranlagung und
Komorbiditäten wie chronisch entzündlichen Darmerkrankungen,
Spondyloarthritis, PCOS und metabolischem Syndrom. Beeinflussbare
Risikofaktoren: Rauchen und Adipositas (proinflammatorische
Adipozyten, erhöhte Reibung).
Belastung: Diagnoseverzögerung etwa sieben
Jahre, massive Schmerzen, weitreichende sozioökonomische und
psychische Folgen (Krankenstandstage, Beziehungsprobleme,
sexuelle Dysfunktion).
Therapie: Entzündungshemmende, antibiotische
Therapie ist zentral. Bei Frauen (3:1-Verhältnis) mit
Zyklusabhängigkeit eröffnen sich weitere Therapieoptionen.
Aktuell gilt 50% Verbesserung als Erfolg. Frühzeitiger
Systemtherapie-Start ab moderater HS (IHS4 ≥ 4) empfohlen.
Fisteln erfordern oftmals eine chirurgische Entfernung. Wenn Sie
mehr zur Therapie wissen wollen gehen finden Sie eine
Spezialepisode auf www.wayfinder.at
Wichtigste Botschaft: „Da kann man nichts mehr
machen" ist obsolet – Therapie und Unterstützung
(Selbsthilfegruppen) sind immer möglich.
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21.10.2025
52 Minuten
KI in der Dermatologie: von technologischer Entwicklung
und KI-Revolution
Hören Sie Prof. Harald Kittler zum derzeit wohl am meisten
diskutierten Thema unserer Zeit: Künstliche Intelligenz (KI).
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entdecken.
Die technologische Revolution in der Dermatologie begann mit
einfacher Hardware, wie dem Handdermatoskop
(Ende der 80er/90er Jahre), gefolgt von digitalen Dermatoskopen
und 3D-Ganzkörperfotografie. Erste KI-Versuche zur
Hautkrebsdiagnose in den 90er Jahren nutzten primitive,
regelbasierte (symbolische) Technologien, die
jedoch schnell an ihre Grenzen stießen. Ab Mitte der 90er Jahre
erfolgte der Übergang zur datenbasierten KI, bei
der Algorithmen die Regeln selbst aus den eingegebenen Daten
ableiten. Man unterscheidet dabei zwischen supervidiertem
Lernen (Lösung wird eingegeben) und
unsupervidiertem Lernen (die KI bildet sich ein
eigenes Bild).
Anwendung und Herausforderungen im klinischen
Alltag
KI-Systeme können die Unterscheidung von Muttermalen und
Melanomen unterstützen (z.B. mittels Ampelsystem: rot, gelb,
grün). In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Kombination von
Mensch mit Maschine (Mensch mit Maschine) die
besten Ergebnisse liefert, da der Mensch fähig ist, praktische
Probleme zu kompensieren, die der Theoretiker nicht bedacht hat.
Neue Technologien, wie die 3D-Ganzkörperfotografie, bergen das
Risiko, eine hohe Anzahl an falsch positiven
Befunden zu generieren, was den Arbeitsaufwand des
medizinischen Personals erhöht. Da die "Fallhöhe zur
Biopsie" in der Dermatologie sehr gering ist, kann der
Einsatz von KI oft als zeitraubend empfunden werden, wenn sie die
Entscheidung zur Biopsie nicht überzeugend abkürzen kann.
Nischenanwendungen, wie die konfokale Mikroskopie, sind sinnvoll,
erfordern aber eine sehr spezifische
Fragestellung.
Die Rolle des Menschen und Ausblick
Trotz des Fortschritts liegt die letztendliche
Verantwortung immer beim Menschen. Harald Kittler sieht
keine Gefahr, dass Dermatologen obsolet werden, da die manuellen
Fähigkeiten und vor allem die menschliche Komponente nicht von
Maschinen übernommen werden können. Er betont, dass
Menschen ohne Maschinen wahrscheinlich durch Menschen mit
Maschinen ersetzt werden, und plädiert daher für die
Entwicklung einer KI-Kompetenz.
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02.09.2025
26 Minuten
Die Wirksamkeit bevölkerungsweiter
Hautkrebsvorsorgeuntersuchungen ist umstritten und die
Evidenz ist weltweit uneinheitlich und
widersprüchlich.
Deutschland führte ein landesweites Programm
ein. Anfängliche Rückgänge der Melanom-Mortalität waren
nicht nachhaltig, aber es gab positive
Effekte wie die Früherkennung dünnerer
Läsionen und eine geringere
Behandlungsintensität. Ein Hauptproblem ist die
Überdiagnose, bei der Tumore entdeckt werden,
die nie Schaden angerichtet hätten.
Die diagnostische Unsicherheit bei der
Unterscheidung zwischen gutartigen Muttermalen und frühen
Melanomen trägt zur Überdiagnose bei.
International empfehlen die meisten
Fachorganisationen, einschließlich der US Preventive
Services Task Force und der Cochrane
Collaboration (2019), keine routinemäßigen
bevölkerungsweiten Screenings für asymptomatische
Erwachsene, da die belastbare Evidenz fehlt.
Vorteile sind die Erkennung dünnerer Läsionen
und reduzierte Behandlungsintensität.
Nachteile umfassen vor allem
Überdiagnose und Überbehandlung (unnötige
Biopsien, psychische Belastung, kosmetische Unzufriedenheit)
sowie eine hohe Belastung der
Gesundheitsressourcen.
Es besteht ein Bedarf an Risikostratifizierung,
um nur jene zu untersuchen, die am meisten profitieren, sowie an
neuen Technologien wie Teledermatologie und KI.
Fazit: Aktuelle Evidenz deutet darauf hin, dass
bevölkerungsweite Vorsorgeuntersuchungen für
asymptomatische Personen ohne klare Risikostratifizierung keinen
konsistenten direkten Mortalitätsvorteil haben. Die
primäre Prävention (UV-Schutz) und die Aufklärung der Patienten
zur Selbstuntersuchung bleiben entscheidend.
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19.08.2025
28 Minuten
Seltene autoimmunmediierte blasenbildende
Hauterkrankungen der Pemphigus-Gruppe
Prof. Klemens Rappersberger beleuchtet seltene Subformen der
Pemphiguserkrankungen, darunter Pemphigus foliaceus, Pemphigus
vegetans, IgA Pemphigus und den paraneoplastischen Pemphigus.
Pemphigus foliaceus:
Exklusiv Autoantikörper gegen Desmoglein 1
(Dsg1), einem differenzierungsassoziierten Protein,
das bei Luftkontakt in Keratinozyten exprimiert wird.
Klinisch nie Schleimhautveränderungen,
nur Erosionen, primär an Stamm und Kopf.
Histopathologisch eine subkorneale Spaltbildung
oder im oberen Stratum granulosum mit Akantholyse.
Die Immunfluoreszenz zeigt eine interzelluläre Färbung, wobei
das Basallager oft nicht gefärbt ist, da dort Dsg1 kaum
exprimiert wird.
Die Erkrankung ist schwierig zu
behandeln und kann unbehandelt ebenso tödlich
verlaufen.
Pemphigus vegetans:
Eine echte Rarität.
Tritt im Rahmen eines Pemphigus vulgaris
auf.
Charakterisiert durch papillomatös-vegetierende,
nässende Tumoren, besonders in intertriginösen
Arealen (z.B. Leiste).
Histologisch: papillomatöse Hyperplasie mit
Massen von Eosinophilen und gelegentlicher
suprabasaler Spaltbildung.
Therapie ähnlich dem Pemphigus vulgaris, ergänzt durch
Retinoide zur Reduktion der Vegetationen. Eine
Erscheinungsfreiheit der Vegetationen ist möglich.
IgA Pemphigus:
Eine grundlegend andere Erkrankung,
dominiert von neutrophilen Granulozyten.
Autoantikörper gegen Desmokoline (v.a.
Desmokolin 1 und 2) sowie Desmoglein 1 und 3.
Spaltbildung subkorneal oder in höheren
Epidermisschichten. Histologisch viele neutrophile
Granulozyten.
Diagnose durch IgA-Autoantikörper in der
Immunfluoreszenz.
Klinisch: Multiple, kleine Pusteln, oft
mit Hypopyon, die wie eruptive Psoriasis oder generalisierte
Infektionen wirken können.
Dapson ist die Therapie der Wahl, daneben
Kortikosteroide, Immunsuppressiva, Retinoide und
CD20-Antikörper. TNF-alpha-Blocker können ebenfalls wirksam
sein.
Die Erkrankung ist extrem selten.
Paraneoplastischer Pemphigus:
Ebenso sehr selten.
Autoantikörper gegen multiple epidermale Proteine und
Basalmembranproteine, mit Desmoglein 3 im
Vordergrund.
Klinisch: Schwere, akut auftretende
Schleimhautläsionen, die TEN-artig erscheinen
können.
Assoziiert mit hämatologischen
Malignomen (z.B. Leukämien, Lymphome,
Castleman-Tumoren).
Sehr schlechte Prognose aufgrund der
zugrunde liegenden onkologischen Erkrankung.
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Über diesen Podcast
Willkommen beim AUFLICHT-Podcast! Dr. Christian Posch spricht mit
ausgewiesenen Experten zu verschiedenen Themen der Dermatologie:
wissenschaftlich fundiert, unabhängig und praxisnahe. Von
Fachleuten, für Fachleute. Ob Dermatologe, Kinderärztin, Internist
oder Allgemeinmedizinerin - hier ist für alle interessierten
Medizinexperten etwas dabei. Nicht vergessen: Die Wissenschaft ist
stetig im Wandel. Daher immer alle Informationen auf Aktualität und
Kontext prüfen. Disclaimer für Patienten: Alle Angaben sind ohne
Gewähr und ersetzen den Arztbesuch nicht.
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