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Episoden
05.12.2025
38 Minuten
Kalorien scheinen objektiv, neutral, wissenschaftlich – ein
einfacher Zahlenwert, der angibt, wie viel Energie in einem
Lebensmittel steckt. Doch beim genaueren Hinsehen zeigt sich: Die
Kalorie ist alles andere als unpolitisch. Sie erzählt eine
Geschichte von gesellschaftlicher Kontrolle, Disziplin und
Körpernormen.
Seit dem frühen 20. Jahrhundert hat die Kalorie unser Verständnis
von Ernährung, Arbeit und Gesundheit geprägt. Sie machte Essen
messbar, Körper vergleichbar – und schuf neue Vorstellungen
davon, was als „richtig“ oder „gesund“ gilt. Mit dem
Kalorienzählen entstanden neue moralische Erwartungen: Wer gilt
als diszipliniert, wer als maßlos oder unbeherrscht? Zugleicht
entstand auch die Idee der Kalorie als Maß für Arbeitskraft,
welche als Legitimierung sozialer Ungleichheit diente. Mit der
Historikerin Nina Mackert sprechen wir über die Geschichte der
Kalorie, Macht und Körperpolitik.
Nina Mackert schloss 2007 ihr Magisterstudium in den Fächern
Geschichte, Gender Studies sowie Politische Wissenschaft an der
Universität Hamburg ab. Es folgte 2011 an der Universität Erfurt
die Promotion in Geschichte. Seit 2012 war Nina Mackert als
Wissenschaftliche Mitarbeiterin an zwei Forschungsprojekten in
Erfurt beteiligt und zuletzt seit 2019 im interdisziplinären
LeipzigLab „Global Health“ angestellt. Im Dezember 2024 beendete
sie, ebenfalls an der Universität Erfurt, ihr
Habilitationsverfahren mit der Schrift „The Calorie: A History of
Measure Food, Bodies, and Choices“. Seit Oktober 2025 hat Nina
Mackert eine Professur für Nordamerikanische Geschichte und
Public History am Fachbereich Geschichte der Universität Hamburg
inne. Mackert hat verschiedene Arbeiten zur Geschichte der
Kalorie publiziert, bei De Gruyter die Beiträge No Chocolate
Creams Subjektivierung und die Klassenpolitik der Kalorie in den
USA der Progressive Era und ‘Nature always Counts’:
Kalorienzählen als Vorsorgetechnik in den USA des frühen 20.
Jahrhunderts.
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07.11.2025
41 Minuten
Kinderkrippen existierten in der DDR seit den 1950er-Jahren und
galten dort als modern und fortschrittlich. Schon ab dem
Säuglingsalter wurden viele Kinder in staatlichen Tages-, Wochen-
oder Dauereinrichtungen betreut. Besonders die Wochenkrippen
stehen heute im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses, weil
sich immer mehr ehemalige „Wochenkinder“ zu Wort melden und über
psychische Folgen berichten, die sie bis ins Erwachsenenalter
begleiten. In der alten BRD fehlte Kinderbetreuung nicht völlig,
sie war aber stark begrenzt und gesellschaftlich wenig
akzeptiert. Dauereinrichtungen wie Säuglingsheime existierten
zunächst, doch nachdem in den 1960er-Jahren gravierende
Hospitalisierungsschäden bei den Kindern festgestellt wurden,
baute man diese Einrichtungen fast vollständig ab. Heute
erscheint es kaum vorstellbar, wenige Wochen alte Babys in ein
Heim zu geben. Betreuung von Vorschulkindern in Kindergärten
allerdings ist für die meisten Familien in Deutschland heute
mittlerweile Alltag und gesellschaftlich akzeptiert. Dennoch
entzündet sich an den DDR-Kinderkrippen bis heute ein
ideologischer Streit. Während sie den einen als Beleg für die
Unmenschlichkeit der Diktatur gelten, betrachten andere sie
weiterhin als fortschrittliches Modell, das es Müttern
ermöglichte, früh wieder arbeiten zu gehen. Wir sprechen heute
über dieses Thema mit Dr. Carolin Wiethoff.
Wiethoff studierte Neuere und Neueste Geschichte, Osteuropäische
Geschichte und Volkskunde an der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster. Sie ist wissenschaftliche
Mitarbeiterin an der Professur für Allgemeine
Erziehungswissenschaft der Universität Erfurt. Ihre
Forschungsschwerpunkte sind Bildungsgeschichte der DDR, Medizin
in Diktaturen sowie die Geschichte der Sozialpolitik und der
sozialen Sicherung in Deutschland. Bei De Gruyter ist im Juli das
Buch Allein unter vielen Alltag, Ausbau und Krise der
Kinderkrippen in der DDR 1950–1968 erschienen.
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02.10.2025
46 Minuten
Fake News, Politikverdrossenheit, Autoritarismus. Ideale der
Aufklärung, wie Demokratie, Gleichheit, Freiheit, Universalismus
und das Vertrauen in rationales Denken sind heute zunehmend unter
Beschuss. Dabei wird die Aufklärung nicht nur von ihren
offensichtlichen Feinden attackiert, sondern steht seit
Jahrzehnten auch von ihren Befürwortern in der Kritik, weil sie
hinter die eigenen Ansprüche zurückzufallen droht. Philosoph
Markus Tiedemann hat mit seinem Buch
Post-Aufklärungs-Gesellschaft. Was wir verlieren und was uns
bevorsteht eine engagierte Verteidigungsschrift für die Werte der
Aufklärung verfasst. Aufklärung, sagt er, ist das Beste, was die
Menschheit je hervorgebracht hat. Trotzdem konstatiert er das
Ende der Epoche der Aufklärung - und wagt den kritischen Blick
nach vorne, in eine Welt nach der Aufklärung.
Prof. Markus Tiedemann studierte Philosophie, Psychologie,
Geschichte und Erziehungswissenschaft. Nach dem Studium arbeitete
er zwölf Jahre als Lehrer und Fachseminarleiter an einer
Gesamtschule und am Hamburger Institut für Lehrerbildung und
Schulentwicklung. Er lehrte an der Johannes Gutenberg-Universität
in Mainz, der Freien Universität Berlin und folgte dann einem Ruf
an die Technische Universität Dresden, wo er die Professur für
Didaktik der Philosophie und für Ethik innehat. Zu seinen
Arbeits- und Interessensschwerpunkten zählen Philosophiedidaktik,
normative Integration und De-Radikalisierung und ethische
Orientierung in der Moderne. Er ist Vorsitzender des „Forums für
Didaktik der Philosophie und Ethik“ und Mitherausgeber der
„Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik“. Bei Brill I
Mentis erschien von ihm das Buch Post-Aufklärungs-Gesellschaft,
welches 2025 auch in englischer Übersetzung veröffentlicht wurde:
Post-Enlightenment-Society. What we are losing and what lies
ahead.
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05.09.2025
46 Minuten
Migration ist eines der derzeit meistdiskutierten Themen in
Politik und Gesellschaft. In der polarisierten Debatte überwiegen
Positionen, die in der Migration nicht den historischen
Normalfall, sondern ein gesellschaftliches Problem sehen, das
dringend gelöst werden muss. Büchner-Preisträgerin Ursula Krechel
interveniert in diese Debatte und hebt sich von ihr deutlich ab,
indem sie in ihrem neuen Buch Schlüssel, Pass, Fluchtboot
(Erscheinungstermin: 6. Oktober 2025) aus ungewohnter Perspektive
auf das Begriffspaar Migration und Remigration blickt. An der
Schwelle von Literatur und Geschichte spürt Ursula Krechel leisen
Zwischentönen nach, erzählt in historischen Vignetten von
Geschichten des Aufbruchs und der Rückkehr, von Flucht und
Ankunft, und fragt nach der Rolle von Erinnerung für unsere
heutige Auffassung von Zugehörigkeit und Gemeinschaft.
Foto: Inge Zimmermann
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08.08.2025
39 Minuten
Günter Grass gehört zweifelsohne zu den einflussreichsten
deutschsprachigen Schriftstellern des 20. Jahrhunderts, nicht
erst seit seiner Auszeichnung mit dem Literaturnobelpreis 1999.
Bei De Gruyter ist im Februar das erste Handbuch zu Günter Grass
erschienen, das alle biografischen Phasen und literarischen
Facetten des Schriftstellers erschließt. Aber warum sollten wir
uns heute noch mit Günter Grass beschäftigen? Was hat er uns
heute zu sagen? Darum geht's in dieser Folge von Wagnis Wissen.
Zu Gast ist Christoph Jürgensen, er ist Professor für neuere
deutsche Literatur und Literaturvermittlung an der
Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Er arbeitet
literatursoziologisch und forscht unter anderem zu
Gegenwartsliteratur und Popmusik. Bei De Gruyter hat er zusammen
mit Michael Scheffel das Günter Grass Handbuch herausgegeben.
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Über diesen Podcast
Wie gerecht ist unsere Sprache? Welche Ethik braucht künstliche
Intelligenz? Wie gestalten wir lebenswerte Städte? Wir wollen es
wissen – also fragen wir bei denen nach, die sich am besten damit
auskennen. Bei WAGNIS WISSEN spricht Journalistin Nadine Kreuzahler
mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft über drängende
Fragen der Gegenwart. ► Website:
https://www.degruyter.com/publishing/wagnis-wissen
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