STÖRFREQUENZ: 1984½ – Die Akte der Freiwilligen

STÖRFREQUENZ: 1984½ – Die Akte der Freiwilligen

27 Minuten

Beschreibung

vor 1 Tag

„1984½ – Die Akte der freiwilligen Bürger“ ist
ein politisches Radiostück zwischen Moritat, Kabarett und
musikalischem Hörspiel – inspiriert von George Orwells 1984, aber
radikal in die Gegenwart verlängert. Kein Remake, keine
Nacherzählung, sondern eine analytische Zuspitzung: Was
geschieht, wenn Unterdrückung nicht mehr befiehlt, sondern
erklärt? Wenn Macht nicht droht, sondern optimiert? Wenn Freiheit
nicht genommen, sondern freiwillig abgegeben wird?


Im Zentrum steht Winston S., ein unscheinbarer Sachbearbeiter im
„Ministerium für Digitale Selbstoptimierung“. Seine Arbeit
besteht darin, Bürger zu bewerten: Profile, Scores, Standards. Er
ist kein Held, kein Widerständler – sondern Teil eines Systems,
das ohne Gewalt auskommt und dennoch tief in das Leben der
Menschen eingreift. An seiner Seite Jule, eine Kollegin, die mit
kleinen Fehlern im System Räume für Menschlichkeit offenhält. Und
Herr Oberin, der Sprachverwalter, der erklärt, wie Denken heute
zu klingen hat, damit es nicht stört.


Ein dunkler Erzähler führt durch die Handlung, kommentiert,
ordnet ein, legt frei. Dialoge sind auf ein Minimum reduziert,
die eigentliche Erzählung geschieht in Songs: bitterböse
Moritaten, kalte Lehrlieder, zynische Chöre. Musikalisch bewegt
sich das Stück im Geist von Brecht/Weill/Dessau: verstimmtes
Klavier, Tuba, Klarinette, Banjo, sparsame Rhythmen – getragen
von einer dunklen Baritonstimme, die eher entlarvt als verführt.


„1984½“ erzählt von einer Gesellschaft, in der Überwachung zur
Dienstleistung geworden ist, Sprache vereinfacht wird, um Denken
zu begrenzen, und Anpassung als Tugend gilt. Die Bürger sind
keine Opfer – sie sind Mitwirkende. Sie singen selbst das Lied
ihrer freiwilligen Unterwerfung. Die große Bedrohung ist nicht
der Tyrann, sondern der Standard.


Dieses Radiostück will nicht beruhigen, sondern irritieren. Es
will nicht belehren, sondern sichtbar machen. Es fragt, wo wir
heute stehen – und wie bequem Unfreiheit sein kann, wenn sie
freundlich daherkommt.


Eine politische Radiomoritat für alle, die ahnen, dass
Kontrolle heute leise spricht.

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