G 1/99 - Verschlechterungsverbot ("Reformatio in peius") - Entscheidung
Gibt es den Grundsatz des Verschlechterungsverbots auch im
zweiseitigen Verfahren vor der EPA Beschwerdekammer?
23 Minuten
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Beschreibung
vor 5 Tagen
In dieser zweiten Folge zur Entscheidung G 1/99 beleuchten Fabian
Haiböck und Michael Stadler die Antwort der Großen Beschwerdekammer
auf die zentrale Vorlagefrage: Darf der nicht beschwerdeführende
Patentinhaber ein (unklares) Merkmal streichen, sodass er ohne
Beschwerde einzulegen in eine bessere Position gebracht wurde?
Vorlagefrage Muss ein – z. B. durch Streichung eines
einschränkenden Anspruchsmerkmals – geänderter Anspruch
zurückgewiesen werden, durch den der Einsprechende und alleinige
Beschwerdeführer schlechtergestellt würde als ohne die Beschwerde?
Antwort der Großen Beschwerdekammer Grundsätzlich gilt das Verbot
der reformatio in peius: Der Patentinhaber darf im
Beschwerdeverfahren nicht besser gestellt werden, als er es durch
die angefochtene Entscheidung bereits war. Die Große Kammer
formulierte jedoch ein Ausnahmeschema für Fälle, in denen das
Patent ohne Korrektur widerrufen werden müsste. Der Patentinhaber
darf in solchen Fällen: - ursprünglich offenbarte, einschränkende
Merkmale aufnehmen, - ausnahmsweise ein ursprünglich offenbartes,
aber den Schutzbereich erweiterndes Merkmal aufnehmen (sofern kein
Verstoß gegen Art. 123(3) EPÜ), - und nur wenn solche Änderungen
nicht möglich sind in letzter Konsequenz das unzulässige Merkmal
streichen, sofern dies Art 123 (3) konform ist. Verfahrensausgang
Die konkrete Anspruchsfassung wurde letztlich mangels
erfinderischer Tätigkeit verworfen. Ein anschließender
Überprüfungsantrag blieb erfolglos – die Entscheidung markiert das
Ende des Falls T 315/97. Relevanz für die Praxis. G 1/99 ist ein
zentraler Baustein des EPA-Beschwerderechts und definiert die
Grenzen der Verteidigungsmöglichkeiten des Patentinhabers, wenn nur
der Einsprechende gegen eine Zwischenentscheidung der
Einspruchsabteilung Beschwerde führt. Neben materiellen
Anforderungen (Art. 123 (2), 123 (3), 84 EPÜ) rückt hier das
Verschlechterungsverbot als verfahrensrechtliche Schranke in den
Fokus. Leitsatz Grundsätzlich muß ein geänderter Anspruch, durch
den der Einsprechende und alleinige Beschwerdeführer
schlechtergestellt würde als ohne die Beschwerde, zurückgewiesen
werden. Von diesem Grundsatz kann jedoch ausnahmsweise abgewichen
werden, um einen im Beschwerdeverfahren vom
Einsprechenden/Beschwerdeführer oder von der Kammer erhobenen
Einwand auszuräumen, wenn andernfalls das in geändertem Umfang
aufrechterhaltene Patent als unmittelbare Folge einer unzulässigen
Änderung, die die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung
für gewährbar erachtet hatte, widerrufen werden müßte. Unter diesen
Umständen kann dem Patentinhaber/Beschwerdegegner zur Beseitigung
des Mangels gestattet werden, folgendes zu beantragen: - in erster
Linie eine Änderung, durch die ein oder mehrere ursprünglich
offenbarte Merkmale aufgenommen werden, die den Schutzbereich des
Patents in der aufrechterhaltenen Fassung einschränken; - falls
eine solche Beschränkung nicht möglich ist, eine Änderung, durch
die ein oder mehrere ursprünglich offenbarte Merkmale aufgenommen
werden, die den Schutzbereich des Patents in der aufrechterhaltenen
Fassung erweitern, ohne jedoch gegen Artikel 123 (3) EPÜ zu
verstoßen; - erst wenn solche Änderungen nicht möglich sind, die
Streichung der unzulässigen Änderung, sofern nicht gegen Artikel
123 (3) EPÜ verstoßen wird.
Haiböck und Michael Stadler die Antwort der Großen Beschwerdekammer
auf die zentrale Vorlagefrage: Darf der nicht beschwerdeführende
Patentinhaber ein (unklares) Merkmal streichen, sodass er ohne
Beschwerde einzulegen in eine bessere Position gebracht wurde?
Vorlagefrage Muss ein – z. B. durch Streichung eines
einschränkenden Anspruchsmerkmals – geänderter Anspruch
zurückgewiesen werden, durch den der Einsprechende und alleinige
Beschwerdeführer schlechtergestellt würde als ohne die Beschwerde?
Antwort der Großen Beschwerdekammer Grundsätzlich gilt das Verbot
der reformatio in peius: Der Patentinhaber darf im
Beschwerdeverfahren nicht besser gestellt werden, als er es durch
die angefochtene Entscheidung bereits war. Die Große Kammer
formulierte jedoch ein Ausnahmeschema für Fälle, in denen das
Patent ohne Korrektur widerrufen werden müsste. Der Patentinhaber
darf in solchen Fällen: - ursprünglich offenbarte, einschränkende
Merkmale aufnehmen, - ausnahmsweise ein ursprünglich offenbartes,
aber den Schutzbereich erweiterndes Merkmal aufnehmen (sofern kein
Verstoß gegen Art. 123(3) EPÜ), - und nur wenn solche Änderungen
nicht möglich sind in letzter Konsequenz das unzulässige Merkmal
streichen, sofern dies Art 123 (3) konform ist. Verfahrensausgang
Die konkrete Anspruchsfassung wurde letztlich mangels
erfinderischer Tätigkeit verworfen. Ein anschließender
Überprüfungsantrag blieb erfolglos – die Entscheidung markiert das
Ende des Falls T 315/97. Relevanz für die Praxis. G 1/99 ist ein
zentraler Baustein des EPA-Beschwerderechts und definiert die
Grenzen der Verteidigungsmöglichkeiten des Patentinhabers, wenn nur
der Einsprechende gegen eine Zwischenentscheidung der
Einspruchsabteilung Beschwerde führt. Neben materiellen
Anforderungen (Art. 123 (2), 123 (3), 84 EPÜ) rückt hier das
Verschlechterungsverbot als verfahrensrechtliche Schranke in den
Fokus. Leitsatz Grundsätzlich muß ein geänderter Anspruch, durch
den der Einsprechende und alleinige Beschwerdeführer
schlechtergestellt würde als ohne die Beschwerde, zurückgewiesen
werden. Von diesem Grundsatz kann jedoch ausnahmsweise abgewichen
werden, um einen im Beschwerdeverfahren vom
Einsprechenden/Beschwerdeführer oder von der Kammer erhobenen
Einwand auszuräumen, wenn andernfalls das in geändertem Umfang
aufrechterhaltene Patent als unmittelbare Folge einer unzulässigen
Änderung, die die Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung
für gewährbar erachtet hatte, widerrufen werden müßte. Unter diesen
Umständen kann dem Patentinhaber/Beschwerdegegner zur Beseitigung
des Mangels gestattet werden, folgendes zu beantragen: - in erster
Linie eine Änderung, durch die ein oder mehrere ursprünglich
offenbarte Merkmale aufgenommen werden, die den Schutzbereich des
Patents in der aufrechterhaltenen Fassung einschränken; - falls
eine solche Beschränkung nicht möglich ist, eine Änderung, durch
die ein oder mehrere ursprünglich offenbarte Merkmale aufgenommen
werden, die den Schutzbereich des Patents in der aufrechterhaltenen
Fassung erweitern, ohne jedoch gegen Artikel 123 (3) EPÜ zu
verstoßen; - erst wenn solche Änderungen nicht möglich sind, die
Streichung der unzulässigen Änderung, sofern nicht gegen Artikel
123 (3) EPÜ verstoßen wird.
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