T 2027/23 - Feuerwehrfahrzeug II (offenkundige Vorbenutzung / Auslegung von Anspruchsmerkmalen / Verspätung)

T 2027/23 - Feuerwehrfahrzeug II (offenkundige Vorbenutzung / Auslegung von Anspruchsmerkmalen / Verspätung)

Auslegung von Anspruchsmerkmalen im Lichte der G 1/24 und Verspätung von Hilfsanträgen
22 Minuten

Beschreibung

vor 1 Woche
In dieser zweiten Folge zu T 2027/23 diskutieren Gerd Hübscher und
Michael Stadler die verbleibenden Kernpunkte der Entscheidung aus
dem Jahr 2025. Nachdem in der ersten Folge die offenkundige
Vorbenutzung und zwei Anspruchsmerkmale behandelt wurden, geht es
nun um das letzte Unterscheidungsmerkmal, die strittige Frage
verspäteter Hilfsanträge sowie die Rolle der G 1/24 im
Beschwerdeverfahren. Außerdem sprechen die beiden über die
beantragte, aber abgelehnte Vorlage an die Große Beschwerdekammer
und die letztlich bestätigte Entscheidung der Einspruchsabteilung.
Die ersten Kapitelmarken enthalten Bilder des Feuerwehrfahrzeugs
aus der Beweisaufnahme. Diskussion des dritten Merkmals M3 Das
dritte Merkmal betrifft die Frage, ob die Gegenkraft bzw.
Begrenzung des Bedienhebels dynamisch (abhängig vom aktuellen
Zustand der Leiter) oder statisch (fixed by design) ausgestaltet
sein muss. Im vorbenutzten Fahrzeug waren mechanische Endanschläge
und Bolzen vorhanden, die die Hebelbewegung begrenzten. Die
Patentinhaberin argumentierte: - Die Begrenzung im Fahrzeug sei
nicht abhängig von der Maximalgeschwindigkeit. - Sie wirke
unabhängig von der Leiterposition. Die Einspruchsabteilung – und
später auch die Beschwerdekammer – sahen das anders: - Eine
funktionale Auslegung des Anspruchs lässt jede Form der Begrenzung
ausreichen, sofern sie sicherstellt, dass die maximale
Geschwindigkeit eingehalten wird. - Weder der Anspruchswortlaut
noch die Beschreibung verlangen eine dynamische oder elektronische
Umsetzung. Damit erfüllt das TBH-Fahrzeug auch M3. Einordnung im
Lichter der G 1/24 Die Patentinhaberin argumentierte, dass nach G
1/24 die Beschreibung zwingend zur Auslegung heranzuziehen sei und
die Begriffe daher elektronisch zu verstehen seien. Die Kammer sah
das jedoch anders: - Die Beschreibung enthält keine eindeutige
Definition, die die Begriffe auf elektronische Ausführungsformen
beschränkt. - Offenbarte Ausführungsbeispiele dürfen nicht genutzt
werden, um den Anspruch enger auszulegen, als sein Wortlaut es
zulässt. - Der Anspruch war bewusst breit gefasst – und diese
Breite fällt hier auf die Patentinhaberin zurück. Verspätete
Hilfsanträge Der Patentinhaber reichte in der mündlichen
Verhandlung Hilfsanträge ein, die erstmals explizit - Sensorsysteme
zur Zustandsmessung und - Echtzeitbestimmung der Leiterstellung
enthielten. Damit hätte man sich von der mechanischen Vorbenutzung
absetzen können – doch die Anträge kamen zu spät. Begründung der
Einspruchsabteilung: - Alle relevanten Unterschiede zum
vorbekannten Fahrzeug waren seit dessen erstmaliger Einführung ins
Verfahren bekannt. - Die Änderungen kommen am zweiten Tag der
mündlichen Verhandlung – objektiv verspätet. - Zulassung würde auch
verspätetes Vorbringen des Einsprechenden nach sich ziehen
„Ping-Pong-Verfahren“. Die Beschwerdekammer bestätigte diese Sicht:
Wer in erster Instanz verspätet ist, bleibt auch im
Beschwerdeverfahren verspätet. Die Kammer sah keinen Anlass, die
Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung zu korrigieren.
Weitere Hilfsanträge wurden aus denselben Gründen (mangelnde
Neuheit, Verspätung) zurückgewiesen. Fazit der Beschwerdekammer
Alle Anspruchsmerkmale werden durch das vorbekannte Fahrzeug
verwirklicht. Die weite Auslegung der Merkmale ist konsequent und
im Rahmen der G 1/24 korrekt. Die Hilfsanträge bleiben
unberücksichtigt. Eine Vorlage zur Großen Beschwerdekammer ist
nicht erforderlich. Damit blieb der Widerruf des Patents bestehen.

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