FG061 - Besessenheit und Exorzismus
1 Stunde 45 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Woche
In dieser Folge setzen wir unser Gespräch über das Böse fort und
wenden uns Vorstellungen von Besessenheit und Exorzismus in
Bibel, Kirchengeschichte und Gegenwart zu. Ausgangspunkt ist ein
Gebet zum heiligen Erzengel Michael, mit dem wir uns symbolisch
„rüsten“, bevor wir an unsere vorige Folge über Hölle und Teufel
mit Dante Alighieri anschließen.
Biblische Dämonenerzählungen und frühe
Taufexorzismen
Anhand verschiedener neutestamentlicher Erzählungen über Jesus
und „Dämonen“ sprechen wir darüber, wie eng damals Krankheit,
gesellschaftliche Ausgrenzung und Besessenheitsvorstellungen
miteinander verknüpft sind. Wir erinnern an Geschichten, in denen
Dämonen Jesus ansprechen, beim Namen genannt werden und in eine
Schweineherde fahren, und überlegen gemeinsam, wie diese Texte
funktionieren, ohne sie vorschnell medizinisch oder nur
symbolisch „aufzulösen“.
Von dort aus schlagen wir eine Linie in die frühe Kirche: Wir
greifen auf Tertullian zurück, der heidnische Götter als Dämonen
versteht, und auf Origenes, der die Anrufung des Namens Jesu
betont. In den Erzählungen über Antonius den Großen bei
Athanasius von Alexandrien werden Kämpfe mit Dämonen Teil eines
asketischen Ideals; wir kontrastieren das kurz mit anderen
Heiligenbildern.
Ein Schwerpunkt liegt auf dem Taufexorzismus: Wir lesen Stellen
bei Augustinus von Hippo und anderen Quellen, in denen
beschrieben wird, wie Taufbewerber:innen durch Gebet, Anhauchen
und Ausblasen „gereinigt“ werden, bevor sie getauft werden. Wir
zeigen, wie sich diese Praktiken in fränkischen Riten fortsetzen,
in denen Wasser, Salz und Öl exorziert werden und ganze Gemeinden
in der Fastenzeit in kollektive Exorzismen einbezogen sind.
Der große Exorzismus und das Rituale
Romanum
Im nächsten Schritt klären wir, was die Kirche überhaupt unter
Exorzismus versteht. Ausgehend vom Codex Iuris Canonici
unterscheiden wir zwischen „kleinen" Taufexorzismen und dem
„großen Exorzismus“ über Einzelpersonen, der nur mit
bischöflicher Erlaubnis von eigens beauftragten Priestern
durchgeführt werden darf. Wir sprechen darüber, dass Exorzismus
als sakramentale Handlung verstanden wird, in der die Kirche im
Namen Jesu um Befreiung von der Macht des Bösen bittet.
Daran anschließend nehmen wir das Rituale Romanum in den Blick,
in dem seit 1614 die maßgeblichen Exorzismusformeln gesammelt
sind. Wir lesen längere Ausschnitte aus dem großen Exorzismus und
klären den Unterschied zwischen depräkativer Bitte um Gottes
Beistand und der imprekativen diekten Ansprache des Dämons. Dabei
wird für uns spürbar, wie belastend der Text ist – und
gleichzeitig, wie sehr er davon ausgeht, dass die Kirche dem
Teufel im Kampf gegenübersteht.
Glaube, Wunder und Aufklärung: Johann Joseph
Gaßner
Ausgerechnet im Zeitalter der Aufklärung zieht der Pfarrer Johann
Joseph Gaßner als Exorzist und Wunderheiler viel Aufmerksamkeit
bekam. Er sah in den meisten Krankheiten Dämonen am Werk und
heilte Gläubige durch seinen Segen.. Seine Praxis wird zum
Streitfall zwischen Aufklärung, medizinischer Deutung,
kirchlicher Kontrolle und volkstümlicher Frömmigkeit – inklusive
Konflikten mit Bischöfen und weltlichen Herrschern.
Leoninische Gebete, Konzilsreformen und der Fall
Anneliese Michel
Dann wenden wir uns den sogenannten „Leoninischen Gebeten“ nach
der Messe zu und der Legende, Papst Leo XIII. habe nach einer
Vision das Gebet zum Erzengel Michael formuliert. Wir erzählen,
wie diese Gebete im 19. und 20. Jahrhundert im Kontext des
politischen Ringens um den Kirchenstaat unter Pius IX. und später
neu gedeutet unter Pius XI. stehen – bis hin zu Bezügen zu
Russland und Marienerscheinungen.
Im Anschluss sprechen wir über die Liturgiereform des Zweiten
Vatikanischen Konzils: neue Messordnung, Landessprache,
veränderte Kommunionpraxis und die Spannungen zwischen denen, die
darin eine Erneuerung sehen, und jenen, die einen Bruch mit der
Tradition wahrnehmen.
Diese Auseinandersetzungen bilden den Hintergrund im Fall
Anneliese Michel. Wir erzählen ihre Biografie in groben Linien,
sprechen über ihre gesundheitlichen Probleme und ihre intensive
Frömmigkeit, über Wallfahrten und vermeintliche Erscheinungen.
Wir greifen die Rolle des Jesuiten Adolf Rodewick und des
Exorzisten Arnold Renz auf, der den großen Exorzismus nach dem
Rituale Romanum durchführte, und schildern die langen Reihen von
Exorzismussitzungen. Anneliese Michel starb schließlich infolge
extremer Unterernährung, die Exhumierung, die Gerichtsprozesse
und die Fragen nach Verantwortung, Seelsorge und Krankheit, die
uns dabei nicht loslassen.
Reformen des Exorzismus und mediale Bilder des
Bösen
Im Anschluss schauen wir auf kirchliche und theologische
Reaktionen: auf Kommissionen, in denen Bischöfe, Theologen,
Ärzt:innen und Psycholog:innen über Kriterien für Exorzismen
beraten, und auf die Überarbeitung des Exorzismusritus, die 1999
in einem neuen Buch mündete. Wir erklären, dass darin deprekative
Gebete stärker betont werden und die direkte Anrede des Dämons
vorsichtiger gehandhabt wird, ohne dass der alte Ritus
vollständig verschwindet – ein Spannungsfeld, das innerkirchliche
Konflikte auslöst.
Ein großer Befürworter des alten Rituale war Gabriele Amorth. Als
Exorzist des Bistums Rom war er Mitbegründer und langjähriger
Vorsitzender der Internationalen Vereinigung der Exorzisten. Zum
Schluss dieses Blocks geht es um die mediale Verarbeitung: um den
Horrorfilm „Der Exorzist“ und den Film „Exorzist des Papstes“ mit
Russell Crowe, die auf Amorth Bezug nehmen – und um die Frage,
wie sehr solche Bilder unsere Vorstellungen von Teufel und
Besessenheit prägen.
Gegenwart, Freikirchen und Luthers Rat
Zum Schluss schlagen wir einen Bogen in die Gegenwart. Wir
sprechen darüber, dass Exorzismen nicht nur ein katholisches
Thema sind, sondern auch in evangelikalen und pfingstlichen
Milieus vorkommen, und erzählen von Freikirchen, die auf TikTok
und YouTube Live-Exorzismen zeigen. Luther dagegen befand, dass
man den Teufel am besten verspottet und auslacht, weil er
Verachtung nicht ertragen kann.
Die Goldene Schindel
Wir sind beim Podcaster-Quiz „Die Goldene
Schindel“ dabei! Das ist ein Wettbewerb von unabhängigen
Geschichtspodcasts im DACH-Raum. Die ersten vier Folgen sind
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November mit Solveig.
Übertragen wird das Ganze live auf Twitch, auf
dem Kanal von Historia
Universalis
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