T 1931/14 - Verfahren zur Sauerstofferzeugung (Eignungsangaben in Verfahrensansprüchen)

T 1931/14 - Verfahren zur Sauerstofferzeugung (Eignungsangaben in Verfahrensansprüchen)

Wie sind Eignungsangaben (etwa ZUR) in Verfahrensansprüchen auszulegen?
17 Minuten

Beschreibung

vor 3 Wochen
In dieser Folge besprechen Gerd Hübscher und Fabian Haiböck die
Entscheidung T 1931/14 einer Beschwerdekammer des Europäischen
Patentamts aus dem Jahr 2018. Im Mittelpunkt steht das kleine, aber
entscheidende Wort „zur“ in Patentansprüchen und seine Bedeutung
bei der Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik für
Verfahrensansprüche. Die Entscheidung behandelt zentrale Themen der
Neuheit und Auslegung von Zweckangaben in Verfahrensansprüchen
sowie die Frage, ob Zweckangaben als funktionelle Merkmale
anzusehen sind, die eine konkrete Anwendung des Verfahrens
betreffen. Erfindung Die zugrundeliegende Erfindung betrifft ein
Verfahren zur Herstellung von Sauerstoff zur Versorgung eines
IGCC-Kraftwerks, also eines sogenannten Integrated Gasification
Combined Cycle Systems. In einem solchen Kraftwerk wird Kohle zu
Synthesegas oxidiert, das anschließend zur Stromerzeugung in einer
Gasturbine verbrannt wird. Der dafür benötigte Sauerstoff wird
durch eine Luftzerlegungseinheit gewonnen, in der Luft verflüssigt
und destilliert wird. Diese Anlagen arbeiten am effizientesten
unter Nennlast, verlieren jedoch deutlich an Wirkungsgrad, wenn sie
bei schwankendem Strombedarf betrieben werden. Verfahren Bereits im
Prüfungsverfahren führte die Patentinhaberin ein
Beschwerdeverfahren (T 2289/08) gegen die
Zurückweisungsentscheidung der Prüfungsabteilung bevor das
Streitpatent erteilt wurde. In weiterer Folge wurde Einspruch
eingelegt und das Streitpatent im Einspruchsverfahren widerrufen.
Dagegen richtete sich die Beschwerde, die in dieser Folge
diskutiert wird. Eignungsangabe vs. funktionelles Merkmal: Ist ZUR
einschränkend? Im Streit stand letztlich die Frage, ob das Merkmal
„zur Versorgung eines IGCC-Kraftwerks“ den Anspruch tatsächlich
einschränkt oder nur eine Eignung beschreibt. Die Beschwerdekammer
stellte klar, dass bei Verfahren zwischen zwei Arten von
Zweckangaben zu unterscheiden ist. Einerseits gibt es solche, die
die Anwendung oder Verwendung des Verfahrens definieren. Diese sind
einschränkend, weil sie zusätzliche Schritte - im Sinne eines
funktionellen Merkmals - implizieren, ohne die das Verfahren seinen
Zweck nicht erfüllen kann. Andererseits gibt es Zweckangaben, die
lediglich eine technische Wirkung beschreiben, die ohnehin beim
Durchführen des Verfahrens entsteht. Diese sind nicht
einschränkend. Im vorliegenden Fall definiert das Merkmal „zur
Versorgung eines IGCC-Kraftwerks“ die konkrete Anwendung des
Verfahrens und erfordert zusätzliche technische Maßnahmen – nämlich
die Anpassung der Sauerstoffproduktion an den variablen
Leistungsbedarf der Kraftwerksanlage. Die Kammer betonte, dass der
Anspruch explizit Schritte enthält, die auf die
Leistungsanforderungen des Kraftwerks Bezug nehmen, etwa das
Produzieren von überschüssigem Sauerstoff bei geringerem
Energiebedarf und das Verdampfen und Zuführen von gespeichertem
Sauerstoff bei erhöhter Nachfrage. Diese Abhängigkeit vom
Kraftwerksbetrieb verleiht dem Verfahren eine funktionale
Einschränkung, die über eine bloße Eignung hinausgeht. Das
Verfahren sei daher neu, da das entgegengehaltene Dokument zwar ein
ähnliches Sauerstofferzeugungsverfahren beschreibe, aber keinen
Bezug zu einem IGCC-Kraftwerk und keine Steuerung anhand dessen
Leistungsbedarfs enthalte. Zusammenfassung Diese Entscheidung zeigt
anschaulich, wie präzise die Formulierung von Zweckangaben in
Patentansprüchen sein muss und welche weitreichenden Folgen ein
einzelnes Wort wie „zur“ haben kann. Bei Verfahrensansprüchen kann
es den Unterschied zwischen bloßer Eignung und einer technisch
relevanten Einschränkung bedeuten – und damit über den Bestand
eines Patents entscheiden.

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