#722 Dr. Thierry Urwyler über forensische Psychiatrie, Forschung im Strafvollzug und die Kunst des kritischen Fragens

#722 Dr. Thierry Urwyler über forensische Psychiatrie, Forschung im Strafvollzug und die Kunst des kritischen Fragens

Ein Plädoyer für juristische Kreativität, methodische Frische – und für den Mut, Recht nicht nur zu konservieren, sondern weiterzudenken
28 Minuten

Beschreibung

vor 4 Monaten
In dieser Folge spricht Duri Bonin mit [Thierry
Urwyler](https://www.linkedin.com/in/thierry-urwyler-aa724268/),
Assistenzprofessor für Strafrecht und Strafprozessrecht an der
Universität Zürich, über die Vorlesung: Forensische Psychiatrie –
Psyche trifft Justiz. Was bedeutet interdisziplinäre Lehre in einem
Bereich, der oft im Dunkeln bleibt – zwischen Gutachtenqualität,
Vollzugsrealität und grundrechtlichen Fragen? Ein Gespräch über
Kooperationen mit Praktiker:innen, empirische Zugänge zum
Strafvollzug und über Forschungsarbeit, die Wirkung entfalten will
– nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Praxis. Thierry
berichtet über die Zusammenarbeit mit Institutionen wie dem JuWe,
über Forschung zu Fluchtrisiken und offene Vollzugsformen sowie
über Briefkontrollen, Sexualität im Strafvollzug und das
Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Grundrechten. Zentrale Themen
sind: - Was bedeutet gute Lehre, wenn es um Justizalltag geht? -
Wie lassen sich theoretische und empirische Perspektiven verbinden?
- Warum Briefkontrollen, Besuchseinschränkungen und
Sexualitätsregulierungen neu gedacht werden sollten? - Wieso
Rückfall und Flucht ganz unterschiedliche empirische Gegenstände
sind? Und vielleicht der wichtigste Denkimpuls dieser Folge: Wie
kommen wir zu besseren Lösungen, zu mehr Gerechtigkeit? Thierry
Urwyler bringt diese Frage mehrfach zur Sprache – besonders
deutlich wird er ab Minute 25:30, als es um rechtliche Grenzen und
deren Reflexion geht: "Wie wäre es jetzt, wenn ich es von Grund auf
neu denken müsste? – Das ist gar nicht so trivial. Da sind wir
schon wie benchmarked auf das alte System und erkennen es
vielleicht auch niederschwellig als in Ordnung oder plausibel an.“
Daraus leitet er eine konkrete methodische Empfehlung ab: „Es ist
spannend, wenn wir so Fragen einfach mal in den Raum werfen – ohne
dass wir uns schon ausführlich mit der bisherigen Rechtsprechung
beschäftigt haben, und erst danach nachgelagert schauen, wie es
bisher gemacht wurde. Damit wir uns nicht primen mit diesen
Vorinformationen. Und dann fragen: Was wäre eine schlaue Lösung –
auf einem weissen Blatt Papier?“ Dieser Denkansatz zieht sich durch
das gesamte Gespräch. Es geht immer wieder darum, bestehende Regeln
nicht nur anzuwenden, sondern zu hinterfragen: Dienen sie dem, was
sie zu schützen vorgeben? Oder folgen sie bloss tradierten Mustern?
Es ist ein Plädoyer für juristische Kreativität, für methodische
Frische – und für den Mut, Recht nicht nur zu konservieren, sondern
weiterzudenken. Ein Gespräch über die Balance zwischen Theorie und
Anwendung, über normatives Denken und forschende Neugier, über
Rechtsprechung als lernendes System – und über die Hoffnung, dass
im Strafvollzug nicht Kontrolle dominiert, sondern Vertrauen
ermöglicht wird. Takeaways für Strafrechtler:innen, Forscher:innen
und Studierende: - Interdisziplinäre Lehre ist keine Mode, sondern
Notwendigkeit - Gute Forschung endet nicht mit der Publikation –
sondern mit Veränderung - Strafvollzug braucht
menschenrechtsbasierte Grundannahmen, keine autoritären
Automatismen - Dynamische Auslegung lebt vom Mut zur kritischen
Revision Die Podcasts "Auf dem Weg als Anwält:in" sind unter
https://www.duribonin.ch/podcast/ oder auf allen üblichen
Plattformen zu hören . Dort einfach nach 'Duri Bonin' suchen und
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