Die De-Generation | Von Tom-Oliver Regenauer

Die De-Generation | Von Tom-Oliver Regenauer

17 Minuten

Beschreibung

vor 5 Monaten

Durch Smartphone und KI werden wir vom Gebrauch unseres
Gehirns entwöhnt — entsprechend ist eigenständiges Denken eine
aussterbende Kulturtechnik.


Ein Standpunkt von Tom-Oliver Regenauer.


„Ich hab mal die KI gefragt“ — ein Satz, den man immer häufiger
liest. Leider. Denn er steht nicht für Interesse, Wissensdurst
oder Lernbereitschaft, sondern für die endgültige Kapitulation
des Geistes vor einer vermeintlich überkomplexen Welt. Ob Boomer,
Generation X, Y, Z oder Alpha: Die Degenerationsmaschine
überrollt sie alle. Bis unsere Nachfahren in ein paar Jahrzehnten
Huxleys schöne neue Welt als gedankenlose „Epsilons“ bevölkern.


Als ich 1997 mein erstes Handy kaufte, war ich begeistert. So
also sieht Fortschritt aus, dachte ich damals — mit einem Rest
adoleszent-positiver Naivität einer Zukunft harrend, in der man
mit dem Düsenschlitten durch futuristische Städte zu
seiner gut bezahlten Berufung bei einer hippen Plattenfirma
flitzt. Der schwarze und schwere Brocken der Marke Motorola war
zwar alles andere als handlich, kommunizierte nur wirklich
störungsfrei, wenn die umständlich lange Ausziehantenne
ausgefahren war, und benötigte drei AA-Batterien, um sein schwach
beleuchtetes Zweizeilendisplay in Gang zu setzen — aber man
konnte telefonieren. Immer und überall. Und in meine Baggy-Pants
passte das Ding problemlos.


Für mich, der ich gerade erst das wärmende, in der Pubertät aber
natürlich enervierende und im Sommer mit der Hitze einer
auskühlenden Sauna aufwartende Nest der elterlichen
Dachgeschosswohnung verlassen hatte, ein wahrer Segen. Endlich
konnte ich der erst kürzlich privatisierten Telekom den
zunächst tatsächlich alternativlosen Festnetzanschluss kündigen
und hatte ein Funkgerät in der Tasche anstelle einer Autobatterie
im Zimmer. Ein Kommunikator, mit dem man anstatt nur die Kumpel,
die ebenfalls, wie ich, CB-Funk oder Walkie-Talkies nutzten,
jeden erreichen konnte. Theoretisch. Denn am gekippten Fenster
meiner winzigen, dafür aber umso feuchteren Kellerwohnung einen
Balken Empfang zu erhaschen, war im frühen E-Netz Glücksache.
Aber es war ein Anfang. Ich sah das Gerät als Werkzeug. Als
etwas, das mir territoriale Autonomie verlieh. So wie mein alter
Fiat Uno.


Die Zukunft hatte begonnen. Die Welt stand mir offen. Und gut
eineinhalb Dekaden nach der Anschaffung des Motorola-Knochens
erfand sogar jemand den Düsenschlitten. Oder zumindest etwas, das
so ähnlich aussah. Name: Aero-X. Fliegen konnte man das
mit Star-Wars-Anleihen lockende Fluggerät trotz
vollmundiger Ankündigungen und einer ab 2015
verfügbaren 5.000-Dollar-Option zur Vorbestellung zwar
nie, aber das war zu diesem Zeitpunkt ohnehin längst egal.


...https://apolut.net/die-de-generation-von-tom-oliver-regenauer/


Hosted on Acast. See acast.com/privacy for more information.

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15