T 779/23 - Filterelement (Verspätung / Offenbarungsüberschreitung)

T 779/23 - Filterelement (Verspätung / Offenbarungsüberschreitung)

Verspätung im Beschwerdeverfahren / Zwischenverallgemeinerung / erfinderische Tätigkeit im Einspruch-Beschwerde-Verfahren
19 Minuten

Beschreibung

vor 8 Monaten
In dieser Folge sprechen Michael Stadler und Lukas Fleischer über
die Entscheidung T 779/23 einer Beschwerdekammer des Europäischen
Patentamts aus dem Jahr 2024, die eine Beschwerde gegen eine
Entscheidung einer Einspruchsabteilung zum Gegenstand hat. Die
Erfindung betrifft ein Filterelement mit einem Filter-Medium-Paket,
das auf seiner Außenseite eine Polymerbeschichtung aufweist. Im
kennzeichnenden Merkmal wird beansprucht, dass die
Polymerbeschichtung nicht mittels eines Guss- oder Formverfahrens
hergestellt ist ("is not a molded structure") und eine bestimmte
durchschnittliche Dicke hat. Im Rahmen der Einleitung der
europäischen Phase aus einer US-PCT Anmeldung wurde unter anderem
Anspruch 7 geändert, der auf ein Polyharnstoff Material (polyurea
material) abzielt. Nach der Patenterteilung wurde Einspruch
eingelegt, wobei mangelnde Neuheit, mangelnde erfinderische
Tätigkeit und Offenbarungsüberschreitung, insbesondere in
Zusammenhang mit Anspruch 7, geltend gemacht wurden. Die
Patentinhaberin verteidigte im Hauptantrag den erteilten
Anspruchssatz und reichte 9 Hilfsanträge ein. Die
Einspruchsabteilung folgte den Argumenten der Einsprechenden nicht
und wies den Einspruch zurück, sodass das Patent unverändert
aufrecht erhalten wurde. Anspruch 7 wurde als durch die
Beschreibung gestützt angesehen, das Absatz [0117] des
Streitpatents eine offene Aufzählung enthält, die den Stoff
Polyharnstoff (polyurea) als einen von mehreren möglichen Stoffen
für die Polymerbeschichtung in einer offenen Liste aufzählt. Im
darauffolgenden Beschwerdeverfahren gab die entscheidende
Beschwerdekammer in ihrer vorläufigen Meinung bekannt, dass sie
sowohl eine Zwischenverallgemeinerung in Anspruch 7 ausmacht als
auch ein Problem mit der erfinderischen Tätigkeit, da die
Ansprüche, insbesondere des Hilfsantrags 4 aus dem
Einspruchsverfahren, nicht alle relevanten Merkmale enthalten
würden, die für eine spezifische technische Aufgabe (Erhöhung der
Dichtheit) erforderlich wären. Die Patentinhaber reagierte auf die
vorläufige Meinung mit einem Schriftsatz, in welchem vier neue
Hilfsanträge eingereicht wurden. In diesen Hilfsanträgen wurde
Anspruch 7 gestrichen, um das Problem der
Offenbarungsüberschreitung auszuräumen, und neue Merkmale
eingeführt, um das Problem der mangelnden erfinderischen Tätigkeit
auszuräumen. Gleichzeitig wurde argumentiert, dass es sich um
außergewöhnliche Umstände handeln würde, da diese
Argumentationslinien erstmals von der Beschwerdekammer in der
vorläufigen Meinung vertreten wurden und zuvor nicht Teil des
Verfahrens waren, sodass außergewöhnliche Umstände vorliegen, die
Änderungen in der letzten Konvergenzphase des Verfahrens
rechtfertigen würden. Weiters wäre es offensichtlich, dass die
neuen Hilfsanträge die Mängel ausräumen würden. Die
Beschwerdekammer folgte der Argumentation der Patentinhaberin und
lies den mit dem Schriftsatz eingereichten neuen Hilfsantrag 3 zum
Verfahren zu. Nachdem in der mündlichen Verhandlung noch die
Berichtigung eines Formalfehlers in diesem Hilfsantrag zugelassen
wurde, wurde das Patent in geändertem Umfang aufrecht erhalten. Der
Patentinhaber konnte in diesem Verfahren durch rasche Reaktion,
sinnvolle Änderungen und gute Argumentation die Kammer zur
Zulassung des verspätetet eingereichten Hilfsantrages bewegen. Die
Beschwerdekammer vertritt dabei einen sehr moderaten Ansatz, was
die Zulassung von äußerst spät im Beschwerdeverfahren eingebrachte
Änderungen und Hilfsanträge angeht, der zu begrüßen ist, da andere
Beschwerdekammern deutlich formalistischere und strengere
Auffassungen vertreten.

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