G 1/15 "Teilpriorität" - Vorlagefragen

G 1/15 "Teilpriorität" - Vorlagefragen

Teilprioritäten - "Poisonous Divisional" (giftige Teilanmeldung) als älteres Recht
18 Minuten

Beschreibung

vor 8 Monaten
In dieser Folge sprechen Lukas Fleischer und Michael Stadler über
die Entscheidung G 1/15 der Großen Beschwerdekammer des
Europäischen Patentamts aus dem Jahr 2016. Die dem Patent zugrunde
liegende Erfindung betrifft eine chemische Zusammensetzung, mit der
die Fließeigenschaften von Kraftstoffen wie Diesel oder Kerosin
verbessert werden sollten. In der prioritätsbegründenden britischen
Erstanmeldung wurde in Zusammenhang mit der Erfindung immer auf
Ammoniumsalze und Amide Bezug genommen. In der
prioritätsbeanspruchenden europäischen Patentanmeldung, die als
Nachanmeldung eingereicht wurde, wurde dann diese Einschränkung auf
die Ammoniumsalze oder Amide weggelassen und so eine Abstraktion
bzw. Verbreiterung des Schutzbereichs vorgenommen. Im
Einspruchsverfahren wurde die Thematik der "giftigen Teilanmeldung"
oder "Poisonous Divisional" von der Einsprechenden aufgeworfen:
Eine von der Patentinhaberin selbst eingereichte europäische
Teilanmeldung wurde als älteres Recht (Stand der Technik gemäß Art
54 (3) EPÜ) für das Streitpatent angesehen. Dies deshalb, weil der
abstrahierte Patentanspruch nicht prioritätsgedeckt war und somit
die spezielle Offenbarung der Teilanmeldung, die die Priorität
gültig in Anspruch nehmen konnte, einen besseren Zeitrang hatte.
Diese Ansicht wurde auch von der Einspruchsabteilung vertreten,
sodass das Streitpatent widerrufen wurde. In der Beschwerde wurde
dann die Frage aufgeworfen, ob der erteilte Anspruch nicht im
Lichte der Entscheidung G2/98 als generische ODER-Verknüpfung in
mehrere Teilbereiche mit unterschiedlichen Zeiträngen verstanden
werden kann. Vorlagefragen Der Großen Beschwerdekammer wurden die
folgenden Fragen zur Entscheidung vorgelegt: 1. Wenn ein Anspruch
einer europäischen Patentanmeldung oder eines europäischen Patents
aufgrund eines oder mehrerer generischer Ausdrücke oder anderweitig
alternative Gegenstände umfasst (generischer "ODER"-Anspruch), kann
dann nach dem EPÜ für diesen Anspruch das Recht auf Teilpriorität
bezüglich eines alternativen Gegenstands verweigert werden, der im
Prioritätsdokument erstmals, direkt – oder zumindest implizit – und
eindeutig (ausführbar) offenbart ist? 2. Lautet die Antwort ja,
unter bestimmten Bedingungen, ist dann die in Nummer 6.7 von G 2/98
aufgestellte Bedingung "sofern dadurch eine beschränkte Zahl
eindeutig definierter alternativer Gegenstände beansprucht wird"
als Maßstab der rechtlichen Beurteilung der Frage, ob für einen
generischen "ODER"-Anspruch ein Recht auf Teilpriorität
anzuerkennen ist, heranzuziehen? 3. Falls Frage 2 bejaht wird, wie
sind dann die Kriterien "beschränkte Zahl" und "eindeutig
definierte alternative Gegenstände" auszulegen und anzuwenden? 4.
Falls Frage 2 verneint wird, wie ist dann zu beurteilen, ob für
einen generischen "ODER"-Anspruch ein Recht auf Teilpriorität
anzuerkennen ist? 5. Kann im Fall einer zustimmenden Antwort auf
Frage 1 ein in einer Stamm- oder Teilanmeldung zu einer
europäischen Patentanmeldung offenbarter Gegenstand als Stand der
Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ einem Gegenstand entgegengehalten
werden, der im Prioritätsdokument offenbart ist und als Alternative
von einem generischen "ODER"-Anspruch dieser europäischen
Patentanmeldung oder des darauf erteilten Patents umfasst wird?

Kommentare (0)

Lade Inhalte...

Abonnenten

15
15