Politisches ist persönlich | Von Alexa Rodrian
24 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Ein Standpunkt von Alexa Rodrian.
Redaktionelle Anmerkung: Dieses Buch sollte
ursprünglich ein ganz anderes sein – ein zweisprachiges
Begleitbuch zu meinem Ende 2019 fertiggestellten und 2020
erschienenen Album „one hour to midnight“. Die englischen
Songtexte und die deutsche Lyrik sind
geblieben. Dazugekommen sind Texte, die Alexa Rodrian in jenen
Jahren geschrieben hat, weil sie sich mit dem Geschehen
auseinandersetzen musste. In diesem Sinne ist dieses Buch eine
persönliche Aufarbeitung und gleichzeitig ein politisches
Statement.
Souverän und jetzt hilflos?
Hinter den Schlagzeilen, 24. März 2021
Neulich sagte eine von mir sehr geschätzte und mir immer noch, im
buchstäblichen Sinne, nahestehende Freundin: „Ihr wart immer so
souverän und jetzt seid ihr so hilflos.“
Mit „ihr“ meinte sie im Speziellen meinen Mann, mich und im
Allgemeinen wohl unsere Branche, die heute gern als die der
Kulturschaffenden bezeichnet wird. Dieser, von ihr durchaus gut
gemeinte, Satz löste in mir eine Kaskade von höchst ambivalenten
Gedanken und Gefühlen aus. Er repräsentiert in merkwürdiger Weise
das, was sich seit vielen Monaten in uns und mir abspielt.
Fangen wir mit der Souveränität an, eines der vielen Stigmata,
denen wir uns als Künstlerinnen unser ganzes Leben lang
ausgeliefert sehen, denn souverän sind wir nicht einfach so –
nein, das müssen wir uns hart erarbeiten. Um souverän zu werden,
müssen wir lernen, unsere Kunst, Musik, Lyrik und unsere
Darstellung von der subjektiven Betrachtung unseres Publikums zu
lösen. Wir müssen vertrauen in unsere eigene Sprache, den Prozess
des Kreierens als essenziell verinnerlichen und als die
eigentliche Magie verstehen. Den Erfolg können wir nur als sehr
unstetige Koordinate in unser Leben integrieren.
Auch verstehe ich Souveränität als die Fähigkeit, loszulassen von
sich selbst, von einengenden Ideen, Schubladen, Vorurteilen. Und,
last but not least, braucht es natürlich ein großes Maß an
Selbstreflexion und Differenziertheit. In diesem Sinne haben wir
gelernt zu lieben, was wir tun, und wir tun es so gut wir können.
Meist haben wir jahrelang intensiv geübt dafür. Wir haben
studiert, uns demontiert, wieder aufgebaut, sind viele Male auf-
und wieder abgetreten. Wir haben Geld verdient, es ausgegeben und
Steuern gezahlt. So weit, so gut.
Nun sind wir also nicht mehr souverän, sondern hilflos,
geschuldet der Causa Corona.
An dieser Stelle sei gesagt, dass ich als hilflose und nicht mehr
souveräne Kulturschaffende mich jetzt wahrscheinlich schnell an
die Idee gewöhnen würde, nun hilflos und nicht mehr souverän zu
sein. Auch scheint mir, dass das gerade mit vielen Kollegen
passiert sein muss, denn nur so kann ich mir die für mich schon
fast unerträgliche Stille aus ihren Reihen erklären.
Ich persönlich aber möchte mich nicht an so eine Idee gewöhnen,
vielmehr möchte ich wissen, was Hilflosigkeit aus mir machen
würde.
Ich denke, wenn ich hilflos wäre, würde ich keine Fragen mehr
stellen. Und wenn ich es doch täte, würde ich keine Antworten
mehr haben wollen. Es könnte sein, dass ich Menschen, die ich
lange kenne, Tendenzen unterstellen würde, von denen sie so weit
entfernt sind, dass ich mich im Nachhinein sehr dafür schämen
müsste.
...hier weiterlesen:
https://apolut.net/politisches-ist-personlich-von-alexa-rodrian/
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