Liegt der moralische Wert einer Handlung in der erwarteten Wirkung? Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten I.3 (Fortsetzung)

Liegt der moralische Wert einer Handlung in der erwarteten Wirkung? Kant: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten I.3 (Fortsetzung)

14 Minuten

Beschreibung

vor 2 Jahren

Der zweite Satz ist: eine Handlung aus Pflicht hat ihren
moralischen Werth nicht in der Absicht, welche dadurch erreicht
werden soll, sondern in der Maxime, nach der sie beschlossen
wird, hängt also nicht von der Wirklichkeit des Gegenstandes der
Handlung ab, sondern blos von dem Princip des Wollens, nach
welchem die Handlung unangesehen aller Gegenstände des
Begehrungsvermögens geschehen ist. Daß die Absichten, die wir bei
Handlungen haben mögen, und ihre Wirkungen, als Zwecke und
Triebfedern des Willens, den Handlungen keinen unbedingten und
moralischen Werth ertheilen können, ist aus dem vorigen klar.
Worin kann also dieser Werth liegen, wenn er nicht im | Willen in
Beziehung auf deren verhoffte Wirkung bestehen soll? Er kann
nirgend anders liegen, als im Princip des Willens unangesehen der
Zwecke, die durch solche Handlung bewirkt werden können; denn der
Wille ist mitten inne zwischen seinem Princip a priori, welches
formell ist, und zwischen seiner Triebfeder a posteriori, welche
materiell ist, gleichsam auf einem Scheidewege, und da er doch
irgend wodurch muß bestimmt werden, so wird er durch das formelle
Princip des Wollens überhaupt bestimmt werden müssen, wenn eine
Handlung aus Pflicht geschieht, da ihm alles materielle Princip
entzogen worden. 


Den dritten Satz als Folgerung aus beiden vorigen würde ich so
ausdrücken: Pflicht ist die Nothwendigkeit einer Handlung aus
Achtung fürs Gesetz. Zum Objecte als Wirkung meiner vorhabenden
Handlung kann ich zwar Neigung haben, aber niemals Achtung, eben
darum weil sie bloß eine Wirkung und nicht Thätigkeit eines
Willens ist. Eben so kann ich für Neigung überhaupt, sie mag nun
meine oder eines andern seine sein, nicht Achtung haben, ich kann
sie höchstens im ersten Falle billigen, im zweiten bisweilen
selbst lieben, d.i. sie als meinem eigenen Vortheile günstig
ansehen. Nur das, was bloß als Grund, niemals aber als Wirkung
mit meinem Willen verknüpft ist, was nicht meiner Neigung dient,
sondern sie überwiegt, wenigstens diese von deren Überschlage |
bei der Wahl ganz ausschließt, mithin das bloße Gesetz für sich
kann ein Gegenstand der Achtung und hiemit ein Gebot sein. Nun
soll eine Handlung aus Pflicht den Einfluß der Neigung und mit
ihr jeden Gegenstand des Willens ganz absondern, also bleibt
nichts für den Willen übrig, was ihn bestimmen könne, als
objectiv das Gesetz und subjectiv reine Achtung für dieses
praktische Gesetz, mithin die Maxime*, einem solchen Gesetze
selbst mit Abbruch aller meiner Neigungen Folge zu leisten. 


Es liegt also der moralische Werth der Handlung nicht in der
Wirkung, die daraus erwartet wird, also auch nicht in irgend
einem Princip der Handlung, welches seinen Bewegungsgrund von
dieser erwarteten Wirkung zu entlehnen bedarf. Denn alle diese
Wirkungen (Annehmlichkeit seines Zustandes, ja gar Beförderung
fremder Glückseligkeit) konnten auch durch andere Ursachen zu
Stande gebracht werden, und es brauchte also dazu nicht des
Willens eines vernünftigen Wesens, worin gleichwohl das höchste
und unbedingte Gute allein angetroffen werden kann. Es kann daher
nichts anders als die Vorstellung des Gesetzes an sich selbst,
die | freilich nur im vernünftigen Wesen stattfindet, so fern
sie, nicht aber die verhoffte Wirkung der Bestimmungsgrund des
Willens ist, das so vorzügliche Gute, welches wir sittlich
nennen, ausmachen, welches in der Person selbst schon gegenwärtig
ist, die darnach handelt, nicht aber allererst aus der Wirkung
erwartet werden darf.

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