Episode 2: Klassiker des russischen und sowjetischen Films

Episode 2: Klassiker des russischen und sowjetischen Films

54 Minuten

Beschreibung

vor 3 Jahren
Barbara Wurm (HU Berlin) spricht mit Matthias Schwartz (ZfL) über
»Klassiker des russichen und sowjetischen Films«, Bd. 1 & 2
(Marburg: Schüren 2020). »Für uns ist der Film die wichtigste aller
Künste«, teilte Lenin 1922 seinem Volkskommissar für Bildungswesen,
Anatolij Lunačarskij, mit. Und so nimmt es nicht Wunder, dass das
neue Medium in der Sowjetunion so stark gefördert und
subventioniert wurde wie kaum irgendwo sonst. Das Resultat ist eine
schier unüberschaubare Fülle an Filmen verschiedenster Genres. Die
in zwei Bänden beim Schüren-Verlag erschienenen »Klassiker des
russischen und sowjetischen Films« stellen insgesamt 44 davon vor –
über die Schwierigkeiten der Auswahl, Einordnung und Bewertung
sprechen die Herausgeber*innen des zweiten Bands, Barbara Wurm und
Matthias Schwartz, miteinander. ———————— Was macht einen Klassiker
eigentlich zum Klassiker? Und was ist das besondere eines
russischen oder sowjetischen Klassikers? Oder anders gefragt:
Inwiefern hat das sowjetische Kulturdenken zur Etablierung dieser
Kategorie beigetragen? Und was heißt überhaupt »sowjetisch«?
Barbara Wurm und Matthias Schwartz verwenden diesen Begriff
zunächst ganz pragmatisch-deskriptiv – bemerken jedoch, dass er in
den letzten Jahrzehnten im innerrussischen Diskurs zunehmend von
der mindestens ebenso diskussionswürdigen Kategorie des
›Vaterländischen‹ überschrieben wird. Vor dem Hintergrund der seit
2010 verstärkt festzustellenden Rebürokratisierung der russischen
Kulturproduktion mit dem Ziel ihrer Dienstbarmachung für
gouvernementale Zwecke wird klar: Die Geschichte des Films und der
Kultur im Allgemeinen muss stets auch als (kultur-)politische
Geschichte betrachtet werden – und manchmal neigen wir in der
Rückschau zur Vereinfachung. So wird der undifferenzierte Vorwurf
des »Propagandistischen« der Vielfalt des russischsprachigen Kinos
mit seiner über hundertjährigen Geschichte nicht gerecht. Dazu
gehören die Filme der weltweit Kultstatus genießenden Meister
Ėjzenštejn und Tarkovskij, der Cannes-Gewinner »Die Kraniche
ziehen« von Kalatozov, aber auch Werke, die im Westen kaum
Beachtung fanden: Rjazanovs »Ironie des Schicksals« zum Beispiel,
der noch immer bei keinem russischen Neujahrsfest fehlen darf, oder
Danelias Kultfilm »Kin-dsa-dsa!«. Mit Werken Muratovas und
Askol’dovs gehören zu den »Klassikern« schließlich auch
›Schubladenfilme‹, die erst nach dem Ende der Sowjetunion einem
breiteren Publikum zugänglich wurden. Fazit: Erst durch die
Verabschiedung der monolithischen Vorstellung einer ausschließlich
über Zentralismus und Zensur operierenden sowjetischen
Kulturproduktion entsteht ein differenziertes Bild des
russischsprachigen Kinos. Erst dann wird beispielsweise die
Zeitlosigkeit der Überlegungen zur Gewalt in Klimovs »Komm und
sieh« sichtbar. Diese diskutieren Barbara Wurm und Matthias
Schwartz ebenso wie die Frage, warum es eigentlich kein
sowjetisches »Star Wars« gibt. ———————— Die Slawistin Barbara Wurm
ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Slawistik und
Hungarologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie promovierte
2017 zum sowjetischen Kulturfilm. Matthias Schwartz ist Slawist und
Leiter des Programmbereichs Weltliteratur des ZfL, an dem sein
Projekt »Weltfiktionen post/sozialistisch« angesiedelt ist.
www.zfl-berlin.org

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