Beschreibung

vor 3 Jahren

Der Schatten wandert mit der Drehung der Erde. Auf dem Balkon der
Stuttgarter Altbauwohnung hat sich der Schatten der
Tomatenpflanze mittlerweile länglich in Richtung Osten
verschoben. Dr. Franzi D. und Dr. B. rücken ihm nach, aber etwas
ist bei ihnen geblieben. Sie diskutieren eine Frage, die ihnen
aus dem letzten Gespräch gefolgt ist: Wieso sollten wir noch
Bücher lesen, wenn es viel leichter ist, einen der vielzähligen
Streaming-Dienste aufzurufen, sich zurückzulehnen und berieseln
zu lassen, während ein Buch immer mit Arbeit verbunden ist? Wenn
ich lese, muss ich mich auf das Buch einlassen und anderen
Ablenkungen entsagen. Dann müssen sich meine Augen mit den
Buchstaben auf dem Papier begnügen, obwohl sie gerade lieber
durch den Instagram Feed gleiten würden - was nicht unbedingt
befriedigender, sondern schlichtweg einfacher ist. Dr. B. hat mir
gestanden, dass er sich in letzter Zeit kaum noch auf Bücher
konzentrieren kann und bis spät nachts ausschließlich First Dates
auf Facebook schaut. Das sei unbefriedigend und man fühle sich
überhaupt nicht angenehm müde wie nach dem Lesen, sondern nur
erschöpft und leer.


Filme und Serien haben, trotz ihrer Beliebtheit, oft einen
schlechteren Ruf als Bücher, besonders wenn es sich dabei um eine
Adaption eines Buches handelt. Das mag in manchen Fällen wahr
sein, aber gilt das wirklich immer? Kann ein Film nicht
mindestens genauso gut sein, wie das Buch, auf dem er basiert?
Vielleicht liegt der erste Fehler schon darin, diese beiden
Medien miteinander zu vergleichen.


Erzählen müssen wir jedenfalls immer. Doch die Art des Erzählens
scheint sich dauernd zu wandeln. Zeitgenössische Literatur
erzählt nicht mehr im Stil Thomas Manns und wenn sie das
versuchte, könnte ihr das überhaupt gelingen?

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