Expression von Zytokinrezeptoren, Adhäsionsmolekülen und kostimulatorischen Molekülen und deren klinische Relevanz bei der akuten myeloischen Leukämie

Expression von Zytokinrezeptoren, Adhäsionsmolekülen und kostimulatorischen Molekülen und deren klinische Relevanz bei der akuten myeloischen Leukämie

Beschreibung

vor 21 Jahren
Bei der akuten myeloischen Leukämie (AML) stellen die
unkontrollierte Proliferation und Reifungsblockade myeloider
Vorläuferzellen, Expansion dieser Zellen in das periphere Blut,
extramedulläre Manifestationen und verminderte Elimination der
Leukämiezellen durch das Immunsystem grundlegende Pathomechanismen
dar. Diese Vorgänge werden über ein komplexes Zusammenspiel von
Zytokinen und Adhäsionsmolekülen reguliert. In dieser Arbeit wurde
daher mittels Durchflußzytometrie die Expression von
Zytokinrezeptoren, Adhäsions- und kostimulatorischen Molekülen in
Knochenmarks(KM-) Proben von 103 AML-Patienten bei Diagnosestellung
und acht gesunden Probanden untersucht. Zytokinrezeptoren weisen
bei der normalen Hämopoese ein reifegradabhängiges und
linienspezifisches Expressionsmuster auf. Es wurden daher zum einen
Zytokinrezeptoren ausgewählt, die schon in der frühen Hämopoese
exprimiert werden, wie der SCF-R (CD117), FL-R (CD135), IL-3-R
(CD123) und zum andern Zytokinrezeptoren, die erst in späteren
Differenzierungsstadien der monozytären Zelllinie (v.a. GM-CSF-R;
CD116) und der granulozytären Zelllinie (v.a. G-CSF-R, CD114)
exprimiert werden. Die gp130-Subunit (CD130) stellt die
signaltransduzierende Untereinheit von IL-6, IL-11, LIF etc. dar
und wirkt synergistisch auf allen Stufen der Hämopoese mit. Die
untersuchten Adhäsionsmoleküle wurden in drei Gruppen unterteilt:
a) Adhäsionsmoleküle, die den Kontakt zur KM-Matrix oder zu sich
selbst beeinflussen: VLA-2 (CD49b), VLA-3 (CD49c) und die erst
kürzlich auf hämopoetischen Zellen gefundenen Adhäsionsmoleküle
PRR-1 und PRR-2. b) Adhäsionsmoleküle, die den Kontakt zum Endothel
fördern: LFA-1 (CD11a), Mac-1 (CD11b), L-Selektin (CD62L) und UPA-R
(CD87) c) kostimulatorische Moleküle, die eine Rolle bei der
Interaktion der Leukämiezellen mit immunkompetenten Zellen spielen:
ICAM-1 (CD54), LFA-3 (CD58), B7-1 (CD80), B7-2 (CD87) und NCAM
(CD58). Eine KM-Probe wurde als positiv gewertet, wenn mehr als 20%
der Blasten im Auswertefenster den entsprechenden Marker
exprimierten. Ergebnisse: Der durchschnittliche Anteil
Zytokinrezeptoren exprimierender Zellen war in KM-Proben von
AML-Patienten deutlich höher als in KM-Proben von gesunden
Probanden. Einzige Ausnahme bildete die gp130-Subunit, die nur auf
durchschnittlich 4% der AML-Blasten exprimiert wurde, während
durchschnittlich 23% der Zellen in gesunden KM-Proben die
gp130-Subunit exprimierten. Bei den Adhäsionsmolekülen zeigte sich
im Vergleich zu den gesunden KM-Proben bei der AML ein höherer
Anteil von Zellen, die kostimulatorische und
Endothel-Kontakt-fördernde Moleküle exprimierten, während der
Anteil von Zellen, die das Stroma-Kontakt-fördernde ß1-Integrin
VLA-2 exprimierten, vermindert war. VLA-3 konnte dagegen in keinem
der untersuchten AML-Fälle und der gesunden KM-Proben als positiv
gewertet werden. Innerhalb der AML-Subtypen konnte ein reifegrad–
und linienabhängiges (monozytäres, granulozytäres)
Verteilungsmuster der Zytokinrezeptoren festgestellt werden:
Blasten unreifer Leukämien (M0; M1) exprimierten bevorzugt SCF-R
und FL-R. Blasten von AML-Subtypen, die der granulozytären
Differenzierungslinie zugeordnet werden (M2, M3), exprimierten v.a.
G-CSF-R. Blasten monozytärer Leukämien (M4, M5) exprimierten v.a.
GM-CSF-R und FL-R. Der IL-3-R wurde in fast allen AML-KM-Proben auf
einem Großteil der Blasten exprimiert. Den größten Anteil positiver
Zellen für Adhäsions- und kostimulatorische Moleküle (Integrine,
B7-2, NCAM, UPA-R) wiesen die monozytären Leukämien auf. B7-1 wurde
v.a. auf Blasten des FAB-Typs M3 exprimiert. L-Selektin, ICAM-1 und
PRR-1/PRR-2 zeigten eine variable Expression innerhalb aller
FAB-Typen. In der Gruppe der sekundären Leukämien waren signifikant
mehr Fälle Mac-1-positiv als in der Gruppe der primären Leukämien
(p = 0.074, Qui2-Test). Ansonsten zeigten sich zwischen primären
und sekundären Leukämien keine signifikanten Unterschiede. Wichtig
für die Entscheidung über Art und Intensität der Therapie bei der
AML ist das Abschätzen der Prognose eines Patienten bei
Diagnosestellung. Bislang werden Patienten v.a. anhand
zytogenetischer Untersuchungen von Karyotypanomalien in
Prognosegruppen eingeteilt. Da aber nur ca. 50-60% der
AML-Patienten chromosomale Veränderungen aufweisen, besteht ein
Bedarf an Karyotyp-unabhängigen Prognosekriterien. Zytogenetische
Analysen wurden bei allen AML-KM-Proben durchgeführt und die
Expression der Marker sowohl mit den zytogenetischen Risikogruppen
als auch mit dem tatsächlichen klinischen Verlauf der Patienten
korreliert. In die klinische Auswertung wurden nur Patienten (n =
55) eingeschlossen, die nach dem Therapieprotokoll der German
AML-Cooperative-Group behandelt worden waren. In der zytogenetisch
günstigen Prognosegruppe zeigten sich im Vergleich zur
zytogenetisch ungünstigen Prognosegruppe signifikant mehr
G-CSF-R-positive Zellen (p = 0.027, T-Test), signifikant weniger
L-Selektin-positive Fälle (p = 0.037, Qui2-Test) und signifikant
mehr Mac-1- und PRR-1-positive Fälle (p = 0.005; p = 0.009;
Qui2-Test). Diese Marker zeigten aber keine signifikanten
Unterschiede bezüglich Remissionrate und progressfreier
Überlebenswahrscheinlichkeit der Patienten. Dies läßt sich auf die
zum Teil geringe Fallzahl und die kurze Beobachtungsdauer von im
Mittel 11 Monaten nach Remission erklären. Andere Marker zeigten
dagegen keine Korrelation mit den zytogenetischen Risikogruppen,
dagegen aber mit dem tatsächlichen klinischen Verlauf der
Patienten: VLA-2-, NCAM-, UPA-R-positive Leukämien zeigten eine
signifikant niedrigere Remissionsrate (p = 0.049, p = 0.03, p =
0.03, Qui2-Test). Patienten, in deren KM-Proben >85% der Blasten
den FL-R oder >45,5% den SCF-R exprimierten, wiesen eine
signifikant niedrigere Wahrscheinlichkeit für progressfreies
Überleben auf, ebenso wie Patienten, in deren KM-Proben >60,5%
der Blasten ICAM-1-, >15% B7-1-, >65% B7-2- und >8%
NCAM-positiv waren. NCAM korrelierte als einziger Marker negativ
sowohl mit der Remissionsrate, als auch mit der progressfreien
Überlebenswahrscheinlichkeit, allerdings nicht mit der Einteilung
in zytogenetische Risikogruppen. Auch für die übrigen Marker
konnten Cut-off-Werte für den Anteil Marker-positiver Blasten
ermittelt werden, bei denen aus dem Vergleich der entstandenen
Gruppen ein deutlicher Unterschied in der Dauer der progressfreien
Überlebenszeit hervorging. Diese Unterschiede waren allerdings
aufgrund der geringen Fallzahl nicht signifikant, so dass sich eine
eindeutige prognostische Aussagen nicht treffen ließ. Dabei wiesen
Patienten mit einem höheren Anteil von G-CSF-R-, GM-CSF-R- und
einem niedrigeren Anteil von IL-3-R-exprimierenden Blasten eine
längere progressfreie Überlebenszeit auf. Patienten mit sehr hohem
Anteil PRR-2- oder mit geringem Anteil PRR-1-positiver Blasten
tendierten zu einer eher kürzeren progressfreien Überlebenszeit.
Umgekehrt wies eine niedrige Expression von Endothel-Kontakt
fördernden Oberflächenmolekülen, wie z.B. L-Selektin, Mac-1 und
UPA-R auf eine schlechte Prognose hinsichtlich der Dauer des
progressfreien Überlebens hin. Therapeutische Konsequenzen: Die in
dieser Arbeit aufgezeigten Zusammenhänge zwischen der Expression
bestimmter Oberflächenmarker und dem klinischen Verlauf der
Patienten helfen, die Prognoseeinschätzung von Patienten - über die
Zytogenetik hinaus - weiter zu spezifizieren: So stellt die
NCAM-positive Leukämie eine eigene Entität mit prognostisch
schlechtem Verlauf unabhängig vom Karyotyp dar. Bei UPA-R- und/oder
VLA-2-positiven AML-Fällen sollten aufgrund der verminderten
Remissionswahrscheinlichkeit intensivere therapeutische
Induktionstherapien eingeleitet werden. Für die Remissionsdauer ist
sowohl die hohe Expression kostimulatorischer Moleküle, als auch
die hohe Expression von Zytokinrezeptoren, die v.a. auf
Stammzellebene wirksam sind und die die Expression von diesen
kostimulatorischen Molekülen fördern, prognostisch ungünstig. Diese
Patienten sollten bei intensiver Konsolidierungstherapie engmaschig
kontrolliert werden und die Indikation zur
Knochenmarkstransplantation sollte frühzeitig gestellt weren. In
der Zytokintherapie werden G-CSF und GM-CSF regelmäßig in der
Klinik zur Verkürzung der Neutropeniephase nach Chemotherapie
eingesetzt. Dagegen konnte mit dem Einsatz von G-CSF und GM-CSF als
Priming-Medikamente bisher noch kein eindeutiger klinischer Benefit
für die Patienten erzielt werden. Die in dieser Arbeit
vorgestellten Ergebnisse einer linienspezifischen und
reifegradabhängigen Expression der Zytokinrezeptoren legen nahe,
dass G-CSF als Primingmedikament v.a. bei
granulozytär-differenzierten AML-Subtypen und GM-CSF eher bei
monozytär-differenzierten AML-Subtypen eingesetzt werden sollte. In
der Supportivtherapie, bei der die Stimulation von AML-Blasten
nicht mehr gewünscht ist, sollten G- und GM-CSF genau umgekehrt
eingesetzt werden. Da eine hohe Expression von FL-R und SCF-R mit
einer schlechten Prognose für die Dauer des progressfreien
Überlebens korrelierte, kann sich eine Stimulation dieser
Rezeptoren durch die Gabe von SCF und FL in der Supportivtherapie
eher ungünstig auswirken, ebenso wie beim Priming, da auch gesunde
Stammzellen stimuliert und damit sensibler gegen Zytostatika
werden. Darüber hinaus geben diese Ergebnisse auch Hinweise auf
mögliche pathobiologische Bedeutungen und damit verbundener neuer
therapeutischer Strategien bei der AML: So kann die erhöhte
FL-R-Expression - wie bei der Tandemduplikation des FL-R auch - zu
einer erhöhten, prognostisch ungünstigen Phophorylierung von
Tyrosinkinasen führen. Auch der SCF-R aktiviert intrazellulär
Tyrosinkinasen. Neue Medikamente, wie z.B.
Tyrosinkinase-Inhibitoren, oder Dexamethason, das die
FL-R-Expression auf den AML-Blasten herunterreguliert, könnten bei
diesen AML-Patienten neue benefit-bringende therapeutische
Möglichkeiten darstellen. Ebenso scheint die Immunantwort bei
AML-Patienten trotz, oder vielleicht sogar gerade bei Expression
von kostimulatorischen Molekülen vermindert zu sein, was die Gabe
von immunstimulierenden Medikamenten, wie rIL-2 oder
CTLA-4-Inhibitoren im Bereich der Immuntherapie sinnvoll erscheinen
lässt. So leistet diese Arbeit nicht nur einen Beitrag zur
Diagnostik, Prognose und Biologie der AML, sondern entwickelt in
Zusammenschau mit bereits publizierten Daten neue, therapeutische
Möglichkeiten für die Behandlung der AML.

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