012 - Wie wir die Zukunft entdeckt und wieder verloren haben
In welcher Vorstellung von Zeit leben wir, beziehungsweise lebten
wir? Wie gehen wir mit unserer Zukunft um? Das hängt in starkem
Maße von unserem Bild der Zeit ab.
26 Minuten
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Beschreibung
vor 4 Jahren
In welcher Vorstellung von Zeit leben wir, beziehungsweise lebten
wir? Die Vorstellung von Zeit, Geschichte, Vergangenheit und
Zukunft einer Gesellschaft oder einer Kultur ist eine wesentliche
Frage für den Umgang mit Erkenntnis, Technologie und Politik.
Dies ist historisch interessant hat aber ebenso erhebliche
Auswirkungen auf die Art und Weise wie sich technischer und
wirtschaftlicher Fortschritt entwickelt und unsere heutige Kultur
gestaltet hat. Wie gehen wir mit unserer Zukunft um? Das hängt in
starkem Maße von unserem Bild der Zeit ab.
Eine lineare Zeit mit Vergangenheit und offener Zukunft, die vor
allem auch von Menschen beeinflussbar und gestaltbar ist eher
eine moderne, zeitgemäße Vorstellung von Zeit, die wir nicht in
allen Epochen der menschlichen Entwicklung finden. Vor der
Aufklärung war etwa die europäische Kultur sehr an der Antike
sowie an religiösen Mythen orientiert:
»Früher war nicht einfach nur alles besser, sehr viel früher war
sogar nahezu alles perfekt.«, Achim Landwehr
Also ein Leben in der Orientierung einer vermeintlich perfekten
Vergangenheit:
»Der Fortschritt musste also immer ein Rückschritt sein zu den
Alten, den Antiken, den Vorfahren«, Achim Landwehr
Philip Blom schreibt, Ende 16. Jahrhundert sah man die »ruina
mundi« kommen, den Untergang der Welt. Natürliche Beobachtungen
wurden durch Zitate Bibel begründet, Naturkatastrophen
theologisch interpretiert.
»Seit der Antike gilt: es ist egal wann sie geboren sind oder
sterben, es läuft immer dasselbe Stück – Dies stimmt seit 200
Jahren nun nicht mehr.«, Peter Sloterdijk
Erst ab 1700 wird es für die Menschen erst langsam zur
Möglichkeit, dass sich die Zukunft durch eigenes Handeln
beeinflussen lässt. Moderne Wissenschaft beginnt sich somit in
etwa ab der Neuzeit zu entwickeln und die empirischen
Wissenschaften, wie Physik und Chemie beginnen langsam Form
anzunehmen und nehmen ab dem 18. und 19. Jahrhundert enorm an
Fahrt auf.
Heute leben wir in zahlreichen Widersprüchen, zwischen der
Alternativlosigkeit politischer und wirtschaftlicher
Entscheidungen, der Hilflosigkeit bei ethisch schwierigen Fragen
und einem neuen Hyper-Individualismus. Welche Rolle kann der
Einzelne überhaupt noch wahrnehmen?
»Tatsächlich glauben die meisten Menschen in den reichen Ländern,
daß es ihren Kindern schlechter gehen wird als ihnen.« Rutger
Bregman, Zygmunt Bauman
Der Philosoph Byung-Chul Han beobachtet:
»Wir leben in einer besonderen historische Phase, in der die
Freiheit selbst Zwänge hervorruft. Die Freiheit des Könnens
erzeugt sogar mehr Zwänge als das disziplinarische Sollen, das
Gebote und Verbote ausspricht. Das Soll hat eine Grenze. Das Kann
hat dagegen keine.«
Wir leben, so hat es den Anschein, zwischen Verwirrung,
vermeintlichem Zwang und fragwürdigen Retropien.
Aber ist das alles überhaupt begründet? Gibt es einen Ausweg aus
diesem Dilemma?
Referenzen
Zeitvorstellung
Thomas Maissen, Vom Werden der Zukunft, Spektrum der
Wissenschaft, September 2010
Achim Landwehr, Geburt der Gegenwart: Eine Geschichte der
Zeit im 17. Jahrhundert
Philip Blom, Die Welt aus den Angeln
Zygmunt Bauman, Retrotopia
Rushkoff, Douglas. Present Shock: When Everything Happens
Now
Peter Sloterdijk, Gespräch in den Sternstunden Philosophie
Weitere Referenzen
Carl Becker, die Welt von Morgen
Byung-Chul Han, Psychopolitik
Yuval Harari, Homo Deus
Jared Diamond: Lessons from Hunter-Gatherers
Shoshana Zuboff, Surveillance Capitalism
Pierre Casse, Leadership without concessions (2015)
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