Folge 64 - Siebenmal mein Körper (Robert Gernhardt)

Folge 64 - Siebenmal mein Körper (Robert Gernhardt)

24 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Robert Gernhardt wird gerne in die Tradition Wilhelm Buschs
gestellt und das zurecht, hat er mit diesem doch den satirischen
Tonfall und die Doppelbegabung als Dichter und Zeichner gemein.
Man verkennt Gernhardt aber, wenn man ihn darauf reduziert. Sein
Werk kennt auch existenzielle Themen, wie am Beispiel zweier
Gedichte zum Thema 'Körper' gezeigt werden soll.





Siebenmal mein Körper


Mein Körper ist ein schutzlos Ding,
wie gut, daß er mich hat.
Ich hülle ihn in Tuch und Garn
und mach ihn täglich satt.


Mein Körper hat es gut bei mir,
ich geb' ihm Brot und Wein.
Er kriegt von beidem nie genug,
und nachher muß er spein.


Mein Körper hält sich nicht an mich,
er tut, was ich nicht darf.
Ich wärme mich an Bild, Wort, Klang,
ihn machen Körper scharf.


Mein Körper macht nur, was er will,
macht Schmutz, Schweiß, Haar und Horn.
Ich wasche und beschneide ihn
von hinten und von vorn.


Mein Körper ist voll Unvernunft,
ist gierig, faul und geil.
Tagtäglich geht er mehr kaputt,
ich mach ihn wieder heil.


Mein Körper kennt nicht Maß noch Dank,
er tut mir manchmal weh.
Ich bring ihn trotzdem übern Berg
und fahr ihn an die See.


Mein Körper ist so unsozial.
Ich rede, er bleibt stumm.
Ich leb ein Leben lang für ihn.
Er bringt mich langsam um.








Noch einmal: Mein Körper


Mein Körper rät mir:
Ruh dich aus!
Ich sage: Mach ich,
altes Haus!


Denk aber: Ach, der
sieht´s ja nicht!
Und schreibe heimlich
dies Gedicht.


Da sagt mein Körper:
Na, na, na!
Mein guter Freund,
was tun wir da?


Ach gar nichts! sag ich
aufgeschreckt,
und denk: Wie hat er
das entdeckt?


Die Frage scheint recht
schlicht zu sein,
doch ihre Schlichtheit
ist nur Schein.


Sie läßt mir seither
keine Ruh:
Wie weiß mein Körper
was ich tu?

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