Folge 54 - Römische Brunnen (C.F. Meyer, Rainer Maria Rilke)

Folge 54 - Römische Brunnen (C.F. Meyer, Rainer Maria Rilke)

34 Minuten

Beschreibung

vor 1 Jahr

Was macht ein formvollendetes Gedicht aus? Und warum inspirieren
gerade römische Brunnen zwei so hochkarätige Autoren wie C.F.
Meyer und Rilke? Diesen Fragen soll heute nachgegangen werden.





Conrad Ferdinand Meyer


Der römische Brunnen
(7. Version, 1882)


Aufsteigt der Strahl und fallend gießt 


Er voll der Marmorschale Rund, 


Die, sich verschleiernd, überfließt 


In einer zweiten Schale Grund; 


Die zweite gibt, sie wird zu reich,


Der dritten wallend ihre Flut,


Und jede nimmt und gibt zugleich


Und strömt und ruht.








Rom: Springquell 


(1. Version, 1860)


Es steigt der Quelle reicher Strahl


Und sinkt in eine schlanke Schal'.


Das dunkle Wasser überfließt


Und sich in eine Muschel gießt.


Es überströmt die Muschel dann


Und füllt ein Marmorbecken an.


Ein jedes nimmt und gibt zugleich


Und allesammen bleiben reich,


Und ob's auf allen Stufen quillt,


So bleibt die Ruhe doch im Bild











Der Brunnen


(2. Version, 1862)


In reichem Strahle steigt der Quell


Und sinkt in eine Muschel hell,


In eine breite Schale gießt


Die Muschel, was zu viel ihr ist,


Es überströmt die Schale dann


Und füllt ein Marmorbecken an,


Und alle Stufen bleiben reich,


Denn jede gibt und nimmt zugleich,


Und wenn es allenthalben quillt,


So ist es doch ein ruhig Bild.





Der Brunnen


(4. Version, 1865)


In einem römischen Garten


Verborgen ist ein Bronne,


Behütet von dem harten


Geleucht der Mittagssonne,


Er steigt in schlankem Strahle


In dunkle Laubesnacht


Und sinkt in eine Schale


Und übergießt sie sacht.


Die Wasser steigen nieder


In zweiter Schale Mitte


Und voll ist diese wieder,


Sie fluten in die dritte:


Ein Nehmen und ein Geben,


Und alle bleiben reich,


Und alle Fluten leben


Und ruhen doch zugleich








Rainer Maria Rilke


Römische Fontäne





Borghese





Zwei Becken, eins das andre übersteigend
aus einem alten runden Marmorrand,
und aus dem oberen Wasser leis sich neigend
zum Wasser, welches unten wartend stand,


dem leise redenden entgegenschweigend
und heimlich, gleichsam in der hohlen Hand,
ihm Himmel hinter Grün und Dunkel zeigend
wie einen unbekannten Gegenstand;


sich selber ruhig in der schönen Schale
verbreitend ohne Heimweh, Kreis aus Kreis,
nur manchmal träumerisch und tropfenweis


sich niederlassend an den Moosbehängen
zum letzten Spiegel, der sein Becken leis
von unten lächeln macht mit Übergängen.

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