Podcaster
Episoden
13.05.2025
53 Minuten
Der Chef der Zürcher Baupolizei liquidierte 1986 bei einem Amoklauf
die Mitarbeiter, die ihn am schärfsten kritisierten. Obwohl hier
ein offensichtlich überforderter Vorgesetzter seine Untergebenen
ermordete, wurde er in der Öffentlichkeit schon fast zum Helden des
Widerstands - verstand man seine Tat doch als Amoklauf gegen immer
brutaler werdende Arbeitsbedingungen. Doch reichen ein unfähiger
Stadtrat, eine hetzerische Presse, ein toxisches Arbeitsklima,
handfestes Mobbing und ein unmenschlicher Workload, um die
individuelle Schuld des Täters zu mildern? Die inzwischen über
vierzig Jahre zurückliegende Tat zeigt exemplarisch die Komplexität
von Gewaltverbrechen auf: eine individuelle Krise und
Prädisposition für Paranoia trifft auf die Strukturen der
Arbeitswelt im öffentlichen Dienst, die zu träge sind, um
politische Entwicklungen aufzufangen. Während die neu
obligatorische 2. Säule Gelder in die Pensionskassen schwemmt, die
diese in sicheren Immobilien anlegen wollen, also plötzlich gebaut
wird wie verrückt, versinkt die städtische Baupolizei im Chaos –
und gleichzeitig definieren sich immer mehr Menschen über ihren
Beruf, ziehen daraus Sinnhaftigkeit wie auch Selbstwertgefühl (das
Wort «Burnout» ist ein Kind der Siebzigerjahre). Wie bei den
meisten Gewaltverbrechen, wie wir sie auch heute noch regelmässig
erleben, verstricken sich das Psychogramm eines Individuums und das
einer Gesellschaft in fataler Weise.
Mehr
29.04.2025
55 Minuten
Mit der Reformation startet Huldrych Zwingli in Zürich eine
progressive Bewegung, die Kirche, Staat und Gesellschaft umwälzt.
Einem radikalen Teil der Bewegung geht es allerdings zu langsam.
Als Täufer formiert er sich zu einer der ersten Freikirchen der
Welt. Und innerhalb dieser bildet sich im Zürcher Oberland eine
Kommune von Erleuchteten heraus. Vom heiligen Geist ergriffen,
wollen sie sich gleich von allem befreien: tanzen nackt auf Wiesen,
predigen die freie Liebe und entdecken dabei das innere Kind. Von
diesen Hippies avant la lettre handelt Gottfried Kellers Zürcher
Novelle «Ursula». Schon einmal wurde daraus ein Skandalfilm, nun
geht es um ein zeitgemässes Remake. Die Geschichte rund um die
Entstehung des linken Flügels der Reformation führt uns in eine
Epoche, deren Ereignisse den heutigen Kanton Zürich grundlegend
prägten – und noch immer prägen. Der Schriftsteller Gottfried
Keller setzte mit der Erzählung «Ursula» seiner Heimatstadt, die
ihn durch das Amt des Staatsschreibers von seinen ständigen
Geldnöten erlöst hatte, ein schmeichelhaftes Denkmal, das einer
kritischen Auseinandersetzung mit den dunkleren Seiten der
Reformation bewusst auswich – ein Vorgang, der exemplarisch zeigt,
wie Geschichte für politische Zwecke instrumentalisiert werden kann
(was eine Adaption des Stoffes, die in der DDR sofort im
sozialistischen Giftschrank verschwand, noch unterstreicht). Der
Inhalt der Novelle ist nach wie vor aktuell: Gerade leben wir
wieder in einer Zeit, in der – nicht zuletzt katalysiert durch die
sozialen Medien – sich parallel zu revolutionären Bewegungen immer
auch extremistische Bewegungen mit ausbilden, seien es
radikalisierte Islamist:innen, die Capitol-Stürmer:innen in den USA
oder rechtsextreme Gruppierungen in Europa.
Mehr
15.04.2025
45 Minuten
In der Zürcher Irrenheilanstalt Burghölzli begleitet C.G. Jung 1908
seinen Berufskollegen Otto Gross beim Kokainentzug. Sie gelten als
die beiden Ziehsöhne des genialen Sigmund Freud in Wien und
tauschen sich parallel zum Arzt-Patientenverhältnis nächtelang auf
Augenhöhe aus. Als Freigeist Gross die Therapie eigenmächtig
abbricht und über die Mauer des Burghölzlis klettert, ist C.G. Jung
mehr als enttäuscht. Er schickt ihm die fatale Diagnose «Dementia
praecox» hinterher. Das ist der Anfang vom Ende einer
Wissenschaftskarriere, die mal so vielversprechend begann. Otto
Gross’ Auflehnung gegen das Gefängnis einer patriarchal-autoritären
Gesellschaft spiegelt eine politische Realität von leider wieder
drängender Aktualität wider. Zugleich zeigt diese Folge die
Wirkmacht psychiatrischer Diagnosen auf, die auch heute noch eine
zentrale Rolle spielen: Sie entscheiden über die Schuldfähigkeit
von Täter:innen, bestimmen, ob jemand IV erhält, eine
Management-Stelle oder das Sorgerecht für das eigene Kind.
Mehr
01.04.2025
1 Stunde 6 Minuten
Werner Sauber ist einer der gesuchtesten Terroristen im Umfeld der
deutschen RAF, stirbt im Kugelhagel der Polizei auf einem Kölner
Parkplatz – und stammt ursprünglich aus Zürich. Genauer: aus der
sehr bekannten Rennstall-Familie Sauber, die die Existenz dieses
Sohnes bis heute am liebsten verschweigt. Dabei ist der
Zusammenhang zwischen dem Wohlstand, dem er entstammte, und seiner
politischen Entwicklung vermutlich nicht ganz zufällig. Politische
Radikalisierung ist auch heute ein grosses Thema, befeuert durch
Internet und soziale Medien womöglich sogar mehr denn je. Warum
radikalisieren sich Menschen politisch? Wie geht ihr Umfeld damit
um? Und welchen Zusammenhang haben eigentlich gesellschaftliche
Integration und Gewaltbereitschaft? Die Geschichte Werner Saubers
spiegelt grosse Fragen der Gegenwart, stellt aber auch welche an
die Vergangenheit. Zum Beispiel: Warum hatte die Schweiz, trotz
nachweislicher Verbindungen zu ihr, eigentlich keine eigene RAF?
Mehr
18.03.2025
57 Minuten
Annemarie Schwarzenbach und Erika Mann sind die queeren It-girls im
Europa der 1930er-Jahre: androgyne Mode-Ikonen, Stars auf der Bühne
und den Feuilletonseiten. Erikas Familie mit «Oberhaupt» Thomas
Mann ist vor dem Nationalsozialismus nach Küsnacht geflüchtet, von
wo aus sie ihren politischen Kampf weiterführt. Annemaries Sippe
hingegen – am gegenüberliegenden Ufer des Zürichsees –, unterstützt
Hitler. Als Annemarie sich in Erika verliebt, sieht ihre Mutter
rot. Sie bekämpft Erika auf allen Ebenen, doch diese schlägt
zurück. Zwischen den Fronten steht Annemarie und trägt die
Blessuren davon. Die tragische Liebesgeschichte am Vorabend des
Zweiten Weltkriegs spiegelt auch die heute wieder voranschreitende
Polarisierung der Gesellschaft in politisch angespannten Zeiten.
Sie erzählt von der Manipulationskraft der Mächtigen, zeigt auf,
dass «Cancel Culture» und sexuelle Identität lange vor unserer Zeit
bereits brennende Themen waren und geht vor allem alle Eltern an –
weil sie zeigt, dass man Kinder loslassen muss, wenn man sie nicht
verlieren will.
Mehr
Über diesen Podcast
Wie bitte? Zur Zeit des Rösslitrams trafen sich in Zürich zwei,
deren Geschichte «Romeo und Julia» das Wasser reichen kann? C. G.
Jung, von Sigmund Freud einst als Thronfolger vorgesehen, hatte
einen Konkurrenten, den er mittels (Fehl-)Diagnose aus dem Weg
räumte? Und der wohl medienwirksamste Terroristen-Tod im Umfeld der
RAF war der eines Zürcher Millionärssohns? Das
Drehbuch-Autor:innen-Paar Plinio Bachmann und Barbara Sommer
erzählt in jeder Podcast-Folge eine Zürcher Geschichte, die
dringend einmal verfilmt werden müsste. Denn sie ist ganz
eindeutig: filmreif. Der Podcast entsteht im Auftrag von Einfach
Zürich. Jeden zweiten Dienstag überall dort, wo es Podcasts gibt.
Mit freundlicher Unterstützung von: UBS Kulturstiftung STARCH,
Stiftung für Archäologie und Kulturgeschichte im Kanton Zürich
Elisabeth Weber Stiftung
Abonnenten
Wiesbaden
Kommentare (0)