Folge 4 - Ober sticht Unter

Folge 4 - Ober sticht Unter

3 Minuten

Beschreibung

vor 1 Tag

So ein politischer Aufstieg will gründlich geplant sein. Die Zeit
vor seinem ersten Einzug in den Bundestag nennt Özdemir im
Rückblick ein Leben wie im Zeitraffer. Seine Unterstützer im
Wahlkreis Ludwigsburg fragten sich, ob er das Mandat überhaupt
stemmen könne. Oder ob er vielleicht abheben würde. Er weckte
Interesse mit seiner Herkunft, seiner Jugend und dieser
erstaunlichen Beredsamkeit. Nicht nur politisch, auch
organisatorisch gut vorbereitet wollte er in Bonn einziehen. Dazu
gehörte, dass der Novize sich sachkundig machte, welche grünen
Kollegen nicht mehr antraten. Konrad Weiß war ihm aufgefallen,
Regisseur und Bürgerrechtler aus Sachsen-Anhalt. Der hatte 1992
eine stark beachtete Rede im Bundestag gehalten, die später sogar
in Schulbüchern abgedruckt wurde. Der hatte 1992 eine stark
beachtete Rede im Bundestag gehalten, die später sogar in
Schulbüchern abgedruckt wurde, 1994 trat er nicht mehr
an. Als das publik wurde, nahm Özdemir sofort Kontakt auf
mit der profanen Frage, ob er Nachmieter der beiden Büros in Bonn
werden und Weiß‘ Mitarbeiterin übernehmen könne.


Die Übergabe funktionierte. In der neuen Fraktion war er der
Einzige mit solchem Weitblick – und stolz die Arbeitsfähigkeit
sofort beim EInzug und auf sein Organisationstalent. Was ihm
schlussendlich nichts nutzte. Die Enttäuschung ließ nicht lange
auf sich warten. Und sie hatte einen Namen: Joschka Fischer.


Der frühere hessische Staatsminister für Energie und Umwelt war
in die Bundespolitik gewechselt, aber ohne Büro in Bonn
angekommen. Er quartierte sich selbst ein und den Novizen zügig
aus, dann überredete er dessen Mitarbeiterin, für ihn zu
arbeiten: für ihn, den neuen Fraktionschef. Der 29-jährige
Neuling aus Bad Urach fügte sich, im sicheren Wissen, dass eine
Auseinandersetzung ihm schwer geschadet hätte und er sie ohnehin
nie hätte gewinnen können.


Immerhin durfte er sicher sein, dass ihm die „Bürogemeinschaft“,
wie er das Umsiedlungsresultat beschönigend nannte, in Zukunft
keinen Nachteil bescheren würde.

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