Wortenetz
11 Minuten
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Beschreibung
vor 1 Jahr
Ohne Netz? Fühlen wir uns aufgeschmissen. Und meinen damit weder
ein Fischer- noch ein Spinnennetz, sondern das Internet. Net =
Netz.
Meine Installation »Wortenetz« führt den Begriff des Netzes
mithilfe eines im Raum aufgehängten Netzes zurück auf seine
haptische Wahrnehmbarkeit. Die Gedichte sind nicht schwarz auf
weiß, sondern durchsichtig, hellgrau auf transparent, so wie sie
am Display geschrieben werden, mithilfe von Licht. Die Stimme,
mit der Stefan Büchner meine Gedichte wispert, ist so leise, wie
das letzte Gedicht in meinem Gedichtband »weil ich keine jüdin
bin« Lyrik beschreibt: »ins nichts/ein netz aus Worten
uns/geflüstert/gegen den sturm«.
Lyrik ist die zugleich absichtsloseste und vollendetste Form von
Sprache. Keine künstliche Intelligenz kann sie erschaffen, auch
wenn sie Millionen gereimter Verse ausspucken mag. Ein gereimter
Vers ist noch kein Gedicht. Ein Gedicht ist mehr als sich in
einem Code abbilden lässt. Es lebt vom Unerwarteten, das auf Welt
reagiert.
Lyrik, wie ich sie verstehe, ist immer auch politisch. Sie atmet
den Geist von Freiheit, von Transparenz, von Rebellion gegen
Verfestigung und starre Strukturen. Es ist kein Wunder, dass
Diktatoren aller Zeiten die Dichtung verbannen. Und es ist ebenso
wenig ein Wunder, dass die Dichtung lebt — solange Menschen
leben. Weil Menschen miteinander verbunden sein wollen. In
Worten, die sie tragen. Als Netz, das sie lässt. Zerbrechlich,
wie sie sind.
Mit herzlichem Dank an Stefan Büchner, Künstler,
Berlin. Das Lied »Friling«(Shmerke Kaczerginski)
ist der CD »Ghetto Tango« entnommen, gesungen
hat Adrienne Cooper.
Zur Lyrik von Lea Martin siehe:
https://joanmartin.de/2022/05/23/wort-koerper/
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