Deutsch-polnische Brückenbauer gesucht: Schwierige Zeiten nach der Präsidentschaftswahl
38 Minuten
Beschreibung
vor 2 Monaten
NfE e.V. im Gespräch mit Monika Sus, Professorin an der
Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau und Expertin
im Team Europe Direct Poland
Mit Karol Nawrocki hat Polen einen Präsident ins Amt gewählt, der
von der rechtskonservativen PiS-Partei unterstützt worden war.
Polens Premierminister Donald Tusk hatte bei den Wahlen auf einen
langjährigen Vertrauten seiner Partei Bürgerplattform (PO)
gesetzt, den liberalen Warschauer Bürgermeister Rafal
Trzaskowski. Mit ihm im Präsidentenamt sollte endlich der Weg
frei gemacht werden für die lange versprochenen Reformen. Es ist
anders gekommen. Die Kohabitation zwischen der
Mitte-Links-Regierung unter Tusk und einem rechtskonservativen
Präsidenten geht in eine neue Runde. Eineinhalb Jahre bereits
musste die Regierung unter Tusk mit dem PiS-Präsidenten Andrzej
Duda klarkommen.
„Wir werden Präsident Duda noch vermissen“, sagt die
Politikwissenschaftlerin Monika Sus. Auch wenn dieser der
Regierung von Tusk alles andere als zugetan gewesen sei und sein
Veto-Recht eingesetzt habe, so habe er doch in seiner 10jährigen
Amtszeit eine Wertschätzung für das hohe Staatsamt gezeigt. Mit
Nawrocki, so prognostiziert Sus, wird das Regieren für
Premierminister Tusk noch schwieriger werden. Auch weil niemand
so genau weiß, was von Navrocki zu halten ist. Er ist ein
politisch völlig unbeschriebenes Blatt. Auf jeden Fall müsse die
Regierung Tusk - ein Bündnis aus Liberalen, Linken und
Bauernpartei - jetzt in die Gänge kommen, ihre inneren Konflikte
überwinden und zeigen, dass sie trotz Gegenwind aus dem
Präsidentenamt in der Lage ist, ihre Reformvorhaben umzusetzen,
so die Expertin.
Im heutigen Gespräch nimmt uns Monika Sus mit in den polnischen
Wahlkampf und erläutert, warum Nawrocki vor allem bei den jungen
männlichen Wählern punkten und letztlich mit den Stimmen der
rechtslibertären Partei Konfederacja gewinnen konnte. Zum einen
sei der Blick der jüngeren Generation auf die EU und auch auf
Deutschland wesentlich kritischer als bei der
Vorgängergeneration, zum anderen habe die Unzufriedenheit der
Wähler mit der Regierung von Donald Tusk eine entscheidende Rolle
gespielt. Sie prognostiziert, dass schon bei den nächsten Wahlen
das (Dauer)Duell zwischen PiS und Bürgerplattform Geschichte sein
wird, weil es an den politischen Rändern jetzt neue, junge und
dynamische Parteien gibt. Die Zeit, in der die beiden älteren
Herren Donald Tusk und Jaroslav Kaczynski die politische Bühne
exklusiv bespielten, sei vorbei.
Der polnische Präsident kann zwar nicht selber autoritär
regieren, aber er kann Gesetze per Veto blockieren und die
Regierung in ihrer Außen- und Europapolitik als zu nachgiebig
darstellen. Der Vorwurf der Nachgiebigkeit insbesondere gegenüber
Deutschland zielt vorrangig auf Donald Tusk, der seit vielen
Jahren vom PiS-Chef Kaczynski als „deutscher Agent“ diffamiert
wird. Wie soll in einer solchen Atmosphäre das deutsch-polnische
Verhältnis vorankommen? Monika Sus sagt: Indem man von deutscher
Seite Polens Premier zur Seite springt und zum Beispiel dafür
sorgt, dass das Denkmal für die polnischen Opfer der
NS-Herrschaft endlich realisiert wird. Und indem man den
polnischen Nachbarn ganz einfach in allen grenzüberschreitenden
Formaten und Entscheidungen mitdenkt. Dann hätte es Nordstream 2
vermutlich nicht gegeben.
In der polnischen Sicherheitspolitik wird es mit dem neuen
Präsidenten keinen Reset geben. Auch er will, dass die Amerikaner
in Europa bleiben. Insofern kann die Nähe des neuen Präsidenten
zu Donald Trump auch eine Chance sein, sagt Monika Sus. Denn ohne
die USA wird es nicht gehen. Aber eben auch nicht ohne
Deutschland und Polen, ohne die sich Europa angesichts der
veränderten Bedrohungslage nicht wird verteidigen können. Hier
sieht sie gute Chancen für künftige Kooperationen zwischen beiden
Ländern.
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