#725 Aussageverweigerung – ein Nachteil? Versteckte Risiken des Schweigens

#725 Aussageverweigerung – ein Nachteil? Versteckte Risiken des Schweigens

Warum Schweigen selten neutral ist – Forschung, Bias und praktische Tipps
33 Minuten

Beschreibung

vor 3 Monaten
In dieser Folge knüpfen die Strafverteidiger Gregor Münch und Duri
Bonin an ihre letzte Episode zum Aussageverhalten an – #723
Einvernahme bei Polizei oder Staatsanwaltschaft: Warum Schweigen
oft die beste Verteidigung ist. Zahlreiche Hörerreaktionen zeigen,
wie komplex und praxisnah das Thema ist – und wie juristische
Normen, psychologische Effekte und Verteidigungsstrategien
ineinandergreifen. Ausgehend von sechs Hörerreaktionen diskutieren
sie: - Wie stellt sich die Frage des Aussageverhaltens in allen
Verfahrensstufen – bis hin zum Obergericht? - Gibt es Beschuldigte,
die reden wollen und können – und wann ist das sinnvoll? - Warum
schweigen in der Praxis weniger als 2 % der Beschuldigten
vollständig – und welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen? -
Welche Rolle spielt der psychologische Bias der „Miranda penalty“ –
und werten auch Richter:innen und Staatsanwält:innen Schweigen
unbewusst negativ? - Erleben Schweigende in Einvernahmen häufiger
Druck und Nachfragen? - Kann ein gezieltes „Einvernahme-Training“
(mit oder ohne KI) helfen, solche Situationen zu meistern?
Empirische Studien aus den USA und Grossbritannien legen nahe:
Schweigen wird von Geschworenen, Richter:innen und Ermittler:innen
oft als Indiz für Schuld interpretiert – selbst wenn allen bewusst
ist, dass es ein geschütztes Recht ist. Das ist kein bewusster
Rechtsbruch, sondern eine unreflektierte kognitive Verzerrung. Die
Kernaussagen der Studien sind: - Schweigen ist psychologisch selten
neutral. - Der Effekt betrifft Laien und juristische Profis –
Belehrungen neutralisieren ihn nicht vollständig. -
Verteidiger:innen müssen Mandant:innen auch mental auf mögliche
Reaktionen auf Schweigen vorbereiten – und überlegen, ob und wie
sie diesen Bias aktiv adressieren. Schliesslich werfen Duri und
Gregi einen Blick in die Schweizer Forschung: Besprochen wird der
Aufsatz „Die Belehrung über das Schweigerecht – Ein leeres
Versprechen?“ (Capus / Stoll / Studer, 2016). Die Auswertung von
520 Einvernahmeprotokollen aus sieben Kantonen hat gezeigt: -
Vollständiges Schweigen ist die Ausnahme (1 %), teilweises
Schweigen selten (6,5 %). - Belehrungen sind fast immer formal
korrekt, aber meist standardisiert und schwer verständlich. -
Stress, Sprachbarrieren und ungünstige Rahmung schwächen die
Wirksamkeit. Am Ende bleibt die zentrale Erkenntnis: Wer die
psychologischen Mechanismen und empirischen Befunde kennt, kann
Schweigen gezielt zu einem starken Verteidigungsinstrument machen –
und Mandant:innen so vorbereiten, dass ihr Recht im Verfahren nicht
nur besteht, sondern auch wirksam umgesetzt werden kann. Bei einem
Freispruchbier kam die Idee auf, die Strafprozessordnung Artikel
für Artikel zu besprechen: Deshalb treffen sich [Duri
Bonin](https://www.duribonin.ch) und [Gregor
Münch](https://www.d32.ch/personen) freitags in den "Heiligen
Stunden" des 5-Uhr-Clubs und diskutieren einen Artikel der
Strafprozessordnung. Wann ist Aussageverweigerung sinnvoll? Warum
braucht es Teilnahmerechte? Wie läuft eine Einvernahme ab und wie
ist die Atmosphäre im Vernehmungszimmer? Wann finden die meisten
Verhaftungen statt? Diesen und weiteren Fragen gehen Duri und Gregi
in diesem Podcast nach. Die Podcasts "Auf dem Weg als Anwält:in"
sind unter https://www.duribonin.ch/podcast/ oder auf allen
üblichen Plattformen zu hören . Dort einfach nach 'Duri Bonin'
suchen und abonnieren.

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