FG057 - Johann Joachim Winckelmann

FG057 - Johann Joachim Winckelmann

2 Stunden 15 Minuten

Beschreibung

vor 3 Monaten

Wir knüpfen nochmals an unsere Folge über Glanz und Elend der
Aufklärung an und blicken genauer auf das Leben eines Mannes, auf
dessen Anschauung der griechischen Antike die Epoche des
Klassizismus gründete: Johann Joachim
Winckelmann, Begründer der modernen Kunstgeschichte und
Wegbereiter der Klassischen Archäologie. Dabei kommt es
Winckelmann darauf an, das Empfinden von Schönheit vernunftmäßig
zu begründen und scheint in seinen Arbeiten seine eigene Vorliebe
für jugendliche männliche Körper durch. 



Von Stendal über Nöthnitz nach Dresden



1717 in Stendal geboren, entkommt Winckelmann
seinen bescheidenen Herkunftsverhältnissen durch Bildung und
Ehrgeiz. Eine entscheidende Etappe ist seine Zeit als
Bibliothekar beim Grafen Bünau auf Schloss
Nöthnitz bei Dresden. Dort hat er Zugang zu einer umfangreichen
Bibliothek und vertieft sein Wissen über die Antike. Später
wechselt er nach Dresden, wo die dortigen Kunstsammlungen –
besonders die Antiken – seinen Sinn für klassische Formen
schärfen und zu seiner ersten Veröffentlichung führen. Der
päpstliche Nuntius in Dresden, Alberico Achinto,
verschafft Winckelmann die Kontakte für eine Anstellung in
Rom.



Konversion und Karriere in Rom



Um in Rom überhaupt eine Anstellung zu erlangen, konvertiert
Winckelmann 1754 zum Katholizismus. Er arbeitet schließlich für
den einflussreichen Kardinal Alessandro Albani,
der eine bedeutende Antikensammlung besitzt. Ein weiterer
wichtiger Kontakt ist der englische Agent und Antikenkenner
Baron Philipp von Stosch, dessen Sammlung von
Gemmen und Skulpturen Winckelmann katalogisiert.



„Edle Einfalt und stille Größe“



Der Kern von Winckelmanns Ideal: Die antike Kunst – insbesondere
die griechische Skulptur – verkörpere „edle
Einfalt und stille Größe“. Winckelmann war überzeugt, dass die
griechischen Künstler eine perfekte Balance zwischen
Natürlichkeit und idealisierter Form gefunden hatten.
Insbesondere der Apoll von Belvedere oder die
Laokoon-Gruppe dienten ihm als
Leitbilder. 



Die Ästhetik des Körpers – und Winckelmanns eigene
Vorlieben



Winckelmann schwärmte vor allem von männlichen Körpern – nicht
nur aus wissenschaftlicher Perspektive. Seine homosexuelle
Orientierung, die in seiner Zeit nicht nur gesellschaftlich
tabuisiert, sondern kriminalisiert war, schwang in seiner
Bevorzugung antiker männlicher Heldendarstellungen immer mit. In
der Folge liest Daniel ausführlich aus der berühmten Beschreibung
des Torso vom Belvedere – ein Text, in dem
Winckelmanns sinnliche, ja fast erotische Begeisterung für den
männlichen Körper deutlich wird. Hier zeigt sich, wie sehr seine
persönliche Orientierung sein Verständnis antiker Kunstwerke
prägte. 



Archäologie als Wissenschaft



Neben seiner Rolle als Kunsttheoretiker legte Winckelmann auch
methodische Grundlagen für die Archäologie. Er war einer der
Ersten, der Funde nicht nur sammelte, sondern systematisch
beschrieb, datierte und in einen historischen Kontext einordnete.
Seine Berichte über Ausgrabungen in Herkulaneum
und Pompeji machten die antike Welt für ein
breites Publikum lebendig.



Ein tragisches Ende



Winckelmanns Leben endete abrupt: 1768 wurde er von
Francesco Archangeli in Triest ermordet –
vermutlich in einem Raubmord. Die Hintergründe sind bis heute
nicht ganz geklärt und bieten Stoff für Spekulationen zwischen
Kriminalgeschichte und Historiendrama. Dieser Geschichte folgen
wir in unserem NACHKLAPP zu dieser Folge.



Winckelmanns Erbe



Ob als „Vater der Archäologie“ oder als stilprägender
Kunsttheoretiker – Winckelmanns Einfluss reicht bis heute in
Kunstgeschichte, Museumswesen und die europäische
Ästhetik-Debatte. Seine Ideen prägten nicht nur Generationen von
Wissenschaftlern, sondern auch Künstler wie Anton Raphael Mengs
und Angelika Kaufmann, Johannes Wiedewelt und Bertel Thorvaldsen,
Goethe und Herder. Winkelmann wurde zum Propheten des
Klassizismus.



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