Gedanken am frühen Morgen - Überflüssige Sorgen

Gedanken am frühen Morgen - Überflüssige Sorgen

5 Minuten

Beschreibung

vor 1 Woche

Ich schäme mich, von den häufigen Besuchen zu reden; denn Tag um
Tag gehen wir zu anderen oder erwarten diese bei uns. Dabei kommt
man ins Geplauder, führt müßige Reden, fällt über die Abwesenden
her, hechelt ihre Lebensweise durch, und wir zehren einander auf,
indem wir uns gegenseitig beißen. Unter solchen üblen Gesprächen
geht man zu Tisch und erhebt man sich wieder von der Mahlzeit.
Haben sich die Freunde entfernt, dann geht die Rechnerei los.
Schließlich wird man wütend wie ein Löwe und macht sich
überflüssige Sorgen um die Zukunft auf viele Jahre hinaus. Aber
an das Wort des Evangeliums, das da lautet: „Tor, in dieser Nacht
wird man dein Leben von dir fordern. Wem wird dann gehören, was
du zusammengerafft hast?“ denken wir nicht. Man begnügt sich
keineswegs mit der notwendigen Kleidung, sondern die Modefrage
gehört mit zur Unterhaltung und Zerstreuung. Wo ein Vorteil
herausschaut, macht man sich sofort auf den Weg, spart kein Wort
und spitzt die Ohren. Erfährt man von einem Verlust, wie er
öfters im Haushalte vorkommt, dann läßt man vor Traurigkeit den
Kopf hängen. Ein gewonnener Pfennig macht uns glücklich, ein
verlorener Groschen macht uns betrübt. Weil nun das Bild der
Seele im gleichen Menschen so verschieden erscheint, deshalb
bittet auch der Prophet den Herrn; „Entferne, o Herr, ihr Bild
aus deiner Stadt!“ Obwohl wir nach Gottes Bild und Gleichnis
erschaffen sind, spielen wir in unseren Sünden die
mannigfaltigsten Rollen. Wie auf der Bühne ein und derselbe
Schauspieler bald als strammer Herkules auftritt, bald wie ein
Weichling im Kult der Venus sich aufreibt, bald wie ein Priester
der Kybele in Ekstase gerät, so spielen auch wir, die die Welt
hassen würde, wenn wir nicht von der Welt wären, mit jeder Sünde
eine neue Rolle.

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