Next Book Please: Die wichtigsten Neuerscheinungen

Next Book Please: Die wichtigsten Neuerscheinungen

Abendblatt-Redakteur Thomas Andre und Literaturhaus-Chef Rainer Moritz besprechen aktuelle Bestseller.
35 Minuten
Podcast
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Beschreibung

vor 6 Jahren
Es gibt sie noch, die literarischen Schätze, die erst nach
Jahrzehnten gehoben werden. Im französischen Original erschien „Der
Schmerz“ im Jahr 1930, das Debüt eines gerade mal 23-Jährigen –
André de Richaud. Es wurde mit einigen Geburtsschwierigkeiten und
skandalumtost veröffentlicht. Warum? Weil es die Geschichte eines
Verrats erzählt. Eine Kriegswitwe lässt sich in der Zeit des Ersten
Weltkriegs in einem provenzalischen Kaff auf eine Affäre mit einem
deutschen Kriegsgefangenen ein. Das war in der Zwischenkriegszeit,
ein schwerwiegendes Thema. Außerdem ist „Der Schmerz“ ein Roman
über weibliche Lust. Auch das empfanden viele als Provokation.
Jetzt bringt der Dörlemann-Verlag den Roman erstmals in deutscher
Übersetzung heraus. Was ihn wiederum zu einem der besprochenen
Bücher in der dritten Folge des Literatur-Podcasts Next Book Please
macht. Überdies besprechen Abendblatt-Redakteur Thomas Andre und
Literaturhaus-Chef Rainer Moritz diesmal Alina Bronskys neuen Roman
„Der Zopf meiner Großmutter“. In diesem Roman geht es um eine
Einwandererfamilie, um russische Kontingentflüchtlinge, zu denen
die Autorin Alina Bronsky einst selbst zählte, die 1978 in
Jekaterinburg im Ural geboren wurde. „Der Zopf meiner Großmutter“
ist eine literarische Komödie mit ernstem Hintergrund. Es geht um
das Ankommen in Deutschland. Der Ich-Erzähler Max ist ein
Heranwachsender, der mehr oder weniger staunend beobachtet, was
denn in der Welt der Erwachsenen so passiert. Immer an seiner
Seite, wohl oder übel, ist die titelgebende Großmutter - eine
fulminante, erstaunliche Frau. Der Enkel wird Omahelikopternd
überbemuttert, und mitunter nennt sie ihn „Mein Idiot“. Sie ist
eine wehrhafte Frau. Aber gegen die Kapriolen ihres untreuen
Ehemanns kommt sie am Ende nicht an. Nächste Novität: „Die Nickel
Boys“ von Colson Whitehead. Der Pulitzer- und
National-Book-Award-Gewinner wurde vor einiger Zeit mit seinem
Roman „Underground Railroad“ auch hierzulande bekannt. Um
geknechtete Afroamerikaner geht es auch in dem aktuellen Roman "Die
Nickel Boys". Der reale Skandal um die „Dozier School of Boys“
stand für die Geschichte der fiktiven Nickel Boys Pate. Der
Teenager Elwood kommt in eine Besserungsanstalt für delinquente
Jugendliche: eine Hölle auf Erden. Die Weißen leiden auch unter dem
Gewaltmonopol der Wächter, aber es sind die schwarzen Leben, die
nichts wert sind. Sie werden zu Tode geprügelt oder bei
Fluchtversuchen erschossen. Es ist das Amerika der Segregation, das
hier noch in voller Blüte steht. Elwood wird beinah auch zum
Zombie, der nur noch über das Gelände wankt und jedem Willkürakt
der Anstaltsgewaltigen aus dem Weg gehen will, bis er einen
folgenschweren Entschluss fast. Ein Thriller beinah, hochspannend
erzählt, temporeich, akkurat recherchiert. Das vierte und letzte
Buch dieser Episode von „Next Book Please“ ist Ian McEwans neuer
Bestseller „Maschinen wie ich". Ein Zeitgeistbuch, es geht um das
Großthema „Künstliche Intelligenz“ . Bisweilen wird es essayistisch
behandelt, vor allem aber mithilfe einer Dreierbeziehung: zwei
Menschen, ein Android. Charlie, ein Slacker und verurteilter
Steueranwalt, der Kleinstgewinne mit Aktien macht, kauft sich von
einem kleinen Erbe eine der ersten 25 Mensch-Maschinen, „Adam“ hat
irgendwann auch Sex (was ihn laut seinem wütenden Besitzer zum
„Vibrator auf zwei Beinen“ macht) mit Miranda, Charlies
Angebeteter. Ist er ein Mensch und zu Gefühlen fähig? Scheint so.
Er schreibt Tausende gefühlige Liebes-Haikus für Miranda, nachdem
die ihn abserviert hat. „Maschinen wie ich“ spielt in einer
Vergangenheit, die es so nie gab. Im Jahr 1982, in dem England den
Falklandkrieg verloren hat, Thatcher zurücktritt und außerdem Alan
Turing, der legendäre Computerpionier, noch lebt. Ist diese Idee
der alternativen Vergangenheit mehr als eine kuriose historische
Tapete? Darüber wird in Next Book Please diskutiert, dem
gemeinsamen Podcast von Hamburger Abendblatt und Literaturhaus
Hamburg.

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