Computergestützte Untersuchungen zur Entwicklung von Aufmerksamkeitsleistungen im Jugendalter

Computergestützte Untersuchungen zur Entwicklung von Aufmerksamkeitsleistungen im Jugendalter

Beschreibung

vor 17 Jahren
Die kognitive Funktion der Aufmerksamkeit wird anhand aktuell
gültiger Theorien als Überbegriff für mehrere
Aufmerksamkeits-Teilleistungen angesehen. Unter der Annahme
voneinander unabhängiger Funktionen besteht die Möglichkeit einer
funktionsspezifischen Entwicklung im Kindes- und Jugendalter.
Bisher konnten Studien zur Entwicklung von
Aufmerksamkeitsfunktionen im Jugendalter jedoch nur unzureichend
klären in welchem Alter für die verschiedenen
Aufmerksamkeitsfunktionen noch Entwicklungspotentiale vorhanden
sind. Die klinische Relevanz der Fragestellung, ab wann ein
Entwicklungsmaximum erreicht wird, beruht auf der Tatsache, dass
bei einer noch nicht abgeschlossenen Hirnentwicklung bei Kindern
und Jugendlichen Hirnläsionen zum Teil besser kompensiert werden
können als bei Erwachsenen. Das Wissen über den Zeitpunkt der
Entwicklungsmaxima der verschiedenen Aufmerksamkeitsfunktionen
ermöglicht somit eine bessere Einschätzung der therapeutischen
Potentiale bei Aufmerksamkeitsstörungen. Es war daher Ziel der
vorliegenden Untersuchung die Entwicklungsverläufe der
Aufmerksamkeitsfunktionen Alertness, selektive Aufmerksamkeit,
geteilte Aufmerksamkeit und Vigilanz bei gesunden Jungen und
Mädchen im Alter von 13 und 15 Jahren zu beobachten. Getestet
wurden die Teilleistungen mit der Testbatterie zur
Aufmerksamkeitsprüfung „TAP". Ausgewählt wurden die Jugendlichen
mit Hilfe eines IQ-Teiltests sowie durch einen Fragebogen für die
Eltern über eventuelle Verhaltensauffälligkeiten der Jugendlichen
(CBCL). In bisherigen Untersuchungen konnten durch unterschiedliche
Testverfahren bei Kindern und Erwachsenen gezeigt werden, dass die
Funktionen Alertness, selektive Aufmerksamkeit, geteilte
Aufmerksamkeit und Vigilanz funktionell unabhängig sind. In der
vorliegenden Untersuchung konnten diese Funktionen mit der
Testbatterie TAP nun auch bei Jugendlichen als voneinander
unabhängige Teilleistungen nachgewiesen werden. Dadurch konnte das
Mehrkomponentenmodell der Aufmerksamkeitsfunktion erneut gefestigt
werden. In Anlehnung an die aktuelle Literatur, wonach ein
Entwicklungsmaximum im frühen Jugendalter erwartet wird, stellten
wir die Hypothese auf, dass kein entscheidender Altersunterschied
zwischen 13 und 15 Jährigen mehr nachweisbar ist. Eine weitere
Hypothese beruhte auf den Ergebnissen von mehreren Studien, die zu
keinem einheitlichen Resultat bezüglich relevanter
Geschlechtsunterschiede von Aufmerksamkeitsleistungen im
Jugendalter kommen konnten. Wir erwarteten daher keine
Geschlechtsunterschiede zwischen den Leistungen der Mädchen und der
Jungen. Der Altersvergleich zeigte nun, dass die Jungen für die
Funktionen der selektiven Aufmerksamkeit und der Vigilanz mit 15
Jahren signifikant bessere Ergebnisse zeigten als mit 13 Jahren.
Die Leistungen in Alertness und geteilter Aufmerksamkeit
unterschieden sich im Altersvergleich dagegen nicht. Bei den
Mädchen ergab sich für keine der geprüften Teilleistungen ein
Altersunterschied. Untersuchungen über die strukturelle und
kognitive Gehirnentwicklung lassen Entwicklungsspielräume zum Teil
noch bis über das 15. Lebensjahr hinaus zu, jedoch gibt es bisher
keine Hinweise darauf, dass Jungen in bestimmten Teilleistungen
erst später Erwachsenenniveau erreichen als Mädchen, die in den
getesteten Funktionen bereits mit 13 Jahren an ihr Leistungsmaximum
herankommen. Zusammenfassend kann somit die Vermutung geäußert
werden, dass teilweise noch ein Entwicklungspotential bei den 13
Jährigen Jungen vorhanden ist. Im direkten Geschlechtervergleich
der Ergebnisse zwischen den Jungen und Mädchen ergaben sich auf der
anderen Seite keine signifikanten Geschlechtsunterschiede.
Bisherige Arbeiten, die mögliche Zusammenhänge zwischen Geschlecht
und Aufmerksamkeitsleistungen überprüft haben, kamen zu sehr
inhomogenen Resultaten. Da meist unterschiedliche Testverfahren
angewendet und hauptsächlich Kinder untersucht wurden, müssen
weitere Studien über Geschlechtsunterschiede von
Aufmerksamkeitsfunktionen im Jugendalter abgewartet werden.
Zusätzlich gingen wir der Frage über eine Verbindung zwischen
Intelligenzleistungen und Aufmerksamkeitsfunktionen nach.
Entsprechend der Hypothese hat sich gezeigt, dass gute Leistungen
in den Tests der einfachen Aufmerksamkeitsfunktionen Alertness,
selektive und geteilte Aufmerksamkeit sowie Vigilanz nicht mit
einem höheren Intelligenzwert einhergehen. Aktuelle Studien sehen
jedoch eine mögliche Verbindung zwischen Intelligenz und
komplexeren Aufmerksamkeitsfunktionen, insbesondere von so
genannten exekutiven Funktionen. Somit lässt sich die Vermutung
äußern, dass einfachere Aufmerksamkeitsfunktionen wie sie hier
getestet wurden, weniger mit Intelligenz korrelieren als komplexere
Aufmerksamkeitsleistungen. Letzteren, insbesondere den so genannten
exekutiven Funktionen, werden ebenso wie Intelligenzfunktionen mehr
frontale Hirnstrukturen zugeordnet, einfacheren
Aufmerksamkeitsleistungen hingegen mehr parietale und subkortikale
Bereiche.

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