Monitoring der Hautmikrozirkulation mittels OPS-Imaging zur frühzeitigen Infektionsdiagnostik bei Frühgeborenen

Monitoring der Hautmikrozirkulation mittels OPS-Imaging zur frühzeitigen Infektionsdiagnostik bei Frühgeborenen

Beschreibung

vor 17 Jahren
Die steigende Überlebensrate in der Neonatologie ist insbesondere
in der Gruppe der sehr kleinen Frühgeborenen mit einem
Geburtsgewicht unter 1500 g, den sogenannten very low birth weight
infants (VLBW), zu beobachten und vor allem auf Fortschritte in der
Neugeborenenintensivpflege zurückzuführen. Ein Problem, das nach
wie vor eine Herausforderung an die moderne Medizin darstellt, ist
die hohe Infektionsanfälligkeit dieser unreifen Neugeborenen, die
als Folge der eingeschränkten Immunabwehr anzusehen ist. Da frühe
klinische Zeichen einer neonatalen Infektion bzw. Sepsis sehr
diskret und unspezifisch sind, der schnellstmögliche Therapiebeginn
jedoch deutlich den Krankheitsverlauf beeinflusst, ist eine
frühzeitige Diagnosestellung unabdingbar. Da nach
Forschungsergebnissen der letzten Jahre das Krankheitsbild Sepsis
zunehmend als Endothelerkrankung angesehen wird, bei der es durch
endotheliale Dysfunktion zu mikrozirkulatorischen Veränderungen
kommt, könnte ein Monitoring der Hautmikrozirkulation von
Frühgeborenen helfen, neonatale Infektionen frühzeitig zu
diagnostizieren. Zur Erfassung der hautmikrozirkulatorischen
Parameter verwendeten wir OPS-Imaging, eine neue nicht-invasive
Technik, die mittels polarisiertem Licht und Epi-Illumination die
Entstehung von Mikrozirkulationsbildern ohne den Einsatz von
Fluoreszenzfarbstoffen ermöglicht. Im Mittelpunkt unseres
Interesses standen die klinische Anwendbarkeit und das
diagnostische Potential von OPS-Imaging. Unsere Studiengruppe
umfasste 25 Frühgeborene mit einem Gestationsalter < 30 SSW, die
während des ersten Lebensmonats beobachtet und retrospektiv in drei
Gruppen unterteilt wurden. In Gruppe 1 befanden sich 14
Frühgeborene mit einer laborchemisch bestätigten Infektion (PosInf:
CRP > 0,5 mg/dl und/oder IL-6 > 10 pg/ml), Gruppe 2 bestand
aus sieben Frühgeborenen, bei denen sich der klinische
Infektionsverdacht laborchemisch nicht bestätigte (NegInf: keine
Erhöhung der laborchemischen Infektionsparameter) und Gruppe 3
umfasste die vier gesunden Kinder. Täglich wurden Funktionelle
Gefäßdichte (FVD), Erythrozytenfließgeschwindigkeit (RBC Vel) und
Gefäßdurchmesser (Diam) zu vergleichbaren Zeitpunkten bestimmt. Bei
den Infektionen wurde der Beginn der Antibiotikatherapie als Tag 0
definiert, die Auswertung konzentrierte sich auf fünf Tage vor (Tag
– 5 bis Tag – 1) und fünf Tage nach Infektionsbeginn (Tag + 1 bis
Tag + 5). Es ließ sich generell eine hohe interindividuelle und
intraindividuelle Variabilität aller mikrozirkulatorischen
Parameter während des ersten Lebensmonats feststellen. Überdies
fiel die FVD am Ende der vierten Lebenswoche gegenüber der FVD am
Ende der ersten Lebenswoche signifikant ab (Mittelwert Lebenstag 7
– 9 versus Mittelwert Lebenstag 27 – 29: p = 0,0028). In insgesamt
26 Fällen wurde während der Laufzeit der Studie auf Grund eines
Infektionsverdachtes eine antibiotische Therapie eingeleitet. Eine
gewisse Häufung der laborchemisch bestätigten Infektionen zeigte
sich in der zweiten Lebenswoche der Kinder, von Lebenstag 8 bis
Lebenstag 15 (10 von 17 Infektionen, entsprechend (59% der Fälle).
Es handelte sich definitionsgemäß ausschließlich um
late-onset-Formen einer neonatalen Infektion und außerdem um
klinische Infektionsfälle, d. h. es ließ sich zwar eine Erhöhung
der Infektionsparameter CRP und IL-6 nachweisen, jedoch war kein
Erregernachweis in Blut-, Urin- oder Liquorkultur möglich. Das
Geburtsgewicht der Frühgeborenen korrelierte signifikant mit dem
Auftreten einer echten Infektion, wobei ein höheres Geburtsgewicht
das Infektionsrisiko minderte. Die Funktionelle Gefäßdichte war bei
den laborchemisch bestätigten Infektionen (Gruppe 1) einen Tag vor
der Infektion signifikant niedriger als noch fünf Tage vor der
Infektion (Tag – 5: 231 [187 – 236] cm/cm2 versus Tag – 1: 234 [190
– 257] cm/cm2; p = 0,0127). Dies konnte in der NegInf-Gruppe
(Gruppe 2) nicht beobachtet werden (p= 0,58). Bei der
Erythrozytenfließgeschwindigkeit wurde kein Unterschied zwischen
Tag – 5 und Tag – 1 gefunden, es zeigte sich lediglich eine
Reduktion der RBC Vel während Infektion, ohne jedoch statistische
Signifikanz zu erreichen (Mittelwert Tag – 5 bis Tag – 1: 306 [297–
334] μm/sec versus Mittelwert Tag 0 bis Tag + 5 280 [283 – 317]
μm/sec, p = 0,2). Beim Gefäßdurchmesser ließen sich keine
infektionsassoziierten Veränderungen nachweisen. Die Funktionelle
Gefäßdichte der laborchemisch bestätigten Infektionen (PosInf)
korrelierte am Tag 0 signifikant mit dem Hämoglobinwert des Kindes
an Tag 0, die RBC Vel korrelierte invers mit dem Schwestern-Score
an Tag 0. Weitere Korrelationen mit hämatologischen oder
hämodynamischen Parametern fanden sich nicht. Die
OPS-Imaging-Technik ließ sich nebenwirkungsfrei bei allen 25
Frühgeborenen anwenden. Es konnten qualitativ hochwertige Bilder
der dermalen Mikrozirkulation erhoben werden, wobei Artefaktbildung
und ein Verminderung des Hämatokritwertes um 25% des Ausgangswertes
zu einer Einschränkung der Bildqualität geführt haben könnten.
Druck- und Bewegungsartefakte, sowie ausgeprägte Lanugobehaarung
erfordern wiederholte Lagekorrekturen der Sondenspitze und erneute
Fokussierung. Da der Applikationsdruck nicht sicher kontrollierbar
ist, können durch den Sondendruck Gefäße komprimiert werden und als
Folge die RBC Vel vermindert gemessen wird und die FVD durch
scheinbar nicht-perfundierte Areale unterschätzt wird. Der von
Pries und Mitarbeitern erarbeitete Lösungsansatz für Druck- und
Bewegungsartefakte ließ sich jedoch wegen der Empfindlichkeit der
Frühgeborenenhaut und auf Grund nicht vorhandenen Studienmaterials
nicht anwenden. Darüber hinaus besteht bei der klinischen Anwendung
das Problem der fraglichen Vergleichbarkeit der Daten zu
unterschiedlichen Messzeitpunkten. Im Gegensatz zum Tiermodell
besteht auf Grund von Gefäßvariabilität und Größe der zu
untersuchenden Hautregion keine Möglichkeit, identische Gefäße zu
verschiedenen Messzeitpunkten gezielt zu identifizieren. Es müssen
daher in der klinischen Anwendung wesentlich mehr Daten ermittelt
werden, um statistische Signifikanz zu erreichen. Grundsätzlich
gilt, dass wir mittels OPS-Imaging infektionsassoziierte
Mikrozirkulationsstörungen bei Frühgeborenen nachweisen konnten.
Die hohe inter- und intraindividuelle Variabilität der
mikrozirkulatorischen Parameter unserer Frühgeborenen im ersten
Lebensmonat machte jedoch die Definition eines Absolutwertes
unmöglich, mittels dessen sich generelle Aussagen über den
Gesundheitszustand eines Kindes treffen ließen. Ein
mikrozirkulatorisches Monitoring mit täglichen intraindividuellen
Vergleichen der Funktionellen Gefäßdichte könnte trotzdem zu einer
Reduktion von Blutentnahmen und Antibiotikagaben führen, da sich
Veränderungen nur bei laborchemisch bestätigten Infektionen
(PosInf) zeigten und nicht bei den Infektionsverdachtsfällen (ohne
laborchemische Bestätigung, NegInf). Eine gewisse Routine im Umgang
mit dem Gerät und in der Auswertung ist jedoch erforderlich, um das
mikrozirkulatorische Monitoring mit möglichst geringem Zeitaufwand
in den Stationsalltag zu integrieren. Die Entwicklung einer
speziell bei Frühgeborenen anwendbaren Apparatur zur Reduktion von
Druck- und Bewegungsartefakten würde sicherlich dazu beitragen.
Eine Weiterentwicklung der on-line-Auswertung ist ebenfalls
erstrebenswert, da sie unmittelbare Rückschlüsse auf
mikrozirkulatorische Veränderungen erlaubt und mittels einer
permanenten Sonde ein kontinuierliches Monitoring der
Hautmikrozirkulation ermöglichen würde.

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