Die prädiktive und reaktive Griffkraftkontrolle bei Kleinhirnschädigungen

Die prädiktive und reaktive Griffkraftkontrolle bei Kleinhirnschädigungen

Beschreibung

vor 17 Jahren
Das stabile Halten und Bewegen eines Gegenstandes setzt die feine
Regulation der Griffkraft zum Ausgleich von auftretenden Lasten
(z.B. Objektgewicht, bewegungsinduzierte Trägheitskräfte, extern
erzeugte Lasten)voraus. Durch eine vermutliche interne
Repräsentation der dynamischen Kräfte im Fall von selbst
produzierten Obbjektbewegungen, werden Laständerungen durch
parallele und somit prädiktive Modulationen der Griffkraft
ausgeglichen. Als ein anatomisches Korrelat wird das Kleinhirn
angenommen. In vorangegangenen Studien konnte gezeigt werden, dass
zerebelläre Läsionen die Regulation der Griffkraftamplitude, sowie
die Präzision der Griffkraftmodulation verschlechtern. Um die Rolle
des Kleinhirns bei Griffkraftregulationen während intern sowie
extern generierter Lasten genauer zu betrachten, wurden 8 Patienten
mit unterschiedlichen Kleinhirnläsionen (5 globale und 3 fokale
Schädigungen)untersucht. Zur Analyse der Griffkraftregulation auf
intern generierte Lasten wurden alltägliche Objektmanipulationen
durchgeführt. Dabei handelte es sich um das Ergreifen und Bewegen
eines zylindrischen Messobjektes in Form diskreter Auf- und
Abbewegungen. Um weitere dynamische Aspekte der
griffkraftregulation zu betrachten,erfolgten zusätzlich
kontinuierliche Auf- und Abbewegungen in drei sich steigernden
Geschwindigkeiten. In einer zusätzlichen Aufgabe wurde die
Adaptation der Griffkraftregulation auf ein unbekanntes externes
Lastprofil untersucht. Die Patienten sollten ein in der Hand
gehaltenes Objekt gegen eine zeitlich variable widerstandkraft
(Last) stabilisieren. Das Lastprofil hatte wiederkehrenden Verlauf.
Als Testobjekt fungierte ein kabelloses zylindrisches Manipulandum,
ausgestattet mit Kraft- und Beschleunigungssensoren. Gemessen
wurden die Griffkraft, mit der das Objekt gehalten wurde, und die
Objektbeschleunigungen, aus welchen die Lastkräfte berechnet
wurden. Die Auswertung der Leistungen bezog sich auf die
Griffkraftskalierung, die Modulation, die Präzision der
Griffkraft-Lastkopplung sowie die zeitlichen Aspekte, die sich bei
prädiktiver und reaktiver Griffkraftregulation charakteristisch
unterscheiden. Die Ergebnisse zeigten, dass lokale als auch globale
Kleinhirnläsionen zu einer erhöhten Griffkraftskalierung bei
Objektmanipulationen führen. Der Anstieg des
Griffkraft-Lastverhältnisses bei intern als auch extern generierten
Lasten kann als eine Kontrollstrategie der Patienten beschrieben
werden, um eventuelle motorische Defizite im Rahmen ihrer
Erkrankung auszugleichen. Es zeigte sich allerdings kein
statistischer Zusammenhang zwischen dem Ataxie-Score der Patienten
und der Krafterhöhung. Eine effiziente Objektmanipulation ist
ebenso durch die Modulation der Griffkraft und somit die dynamische
Änderung der Griffkraft mit dem auftretenden Lastprofil
gekennzeichnet. Die Patienten modulierten die Griffkraft sowohl bei
intern, als auch bei extern generierten Lasten. Änderungen der
Lasten konnten somit von den Patienten durch Anpassungen der
Griffkräfte kompensiert werden. Obwohl die Patienten somit auf
Veränderungen der Lasten reagierten, zeigten vor allem Patienten
mit globaler Kleinhirnläsion sowie Läsionen des Nucleus dentatus
Defizite im Bereich der präzisen Griffkraft-Lastkopplung. Bei der
Durchführung alltäglicher Objektmanipulationen, als auch bei der
Adaptation auf ein unbekanntes Lastprofil, wiesen die Patienten im
Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen geringere Korrelationswerte
zwischen Griffkraft und Lastverlauf, als Maß der Präzison der
präzisen Griffkraftregulation, auf. Die unpräzise Anpassung des
Griffkraftverlaufes an den Lastverlauf kann auf eine
Beeinträchtigung eines internen Modells der Bewegungskontrolle
basieren, welches im Kleinhirn vermutet wird. Hinsichtlich der
zeitlichen Korrelation von Griff- und Lastkraft zeigte sich, dass
die antizipatorische Steuerung der Griffkraft bei zerebellärer
Schädigung erhalten blieb. Die Griff- und Lastkraft wurde während
der Durchführung diskreter und zyklischer Objektbewegungen synchron
moduliert ohne wesentliche Phasenverschiebung. Auch bei der
Adaptation an ein neues Lastprofil zeigte sich eine erhaltene
Feedforward-Regulation der Griffkraft nach Läsion des Nucleus
dentatus als auch bei globaler Atrophie des Kleinhirns.
Schädigungen im Bereich der PICA jedoch resultierten bei der
Adaptation auf extern generierte Lasten mit einer reaktiven
Griffkraftregulation. Eine prädiktive Regulation der Griffkraft
konnte somit nicht etabliert werden. Hingegen zeigten sich bei
diesem Patienten erhaltene Leistungen im Bereich der
Griffkraftskalierung, Modulation und präzisen
Griffkraft-Lastkopplung mit Anwendung einer Feedforward-Regulation
bei der Adapataion an intern generierte Lasten. Diese Befunde legen
Nahe, dass das Kleinhirn nicht oder nicht alleine für die
Feedforward-Kontrolle von motorischen Kommandos zuständig ist.
Alternativ kann diese Funktion möglicherweise sehr robust sein und
auch von residualen zerebellären Strukturen übernommen werden.
Schliesslich besteht die Möglichkeit einer Redundanz und
Kompensation der originär zerebellären Funktion durch
extrazerebelläre Strukturen. Die Beobachtung, dass anders als bei
kontinuierlichen zyklischen Bewegungen, initial bei einer diskreten
auf-oder abwärts-gerichteten Bewegung bei den Patienten ein
zeitliches Defizit auftrat, ist mit diesen Hypothesen kompatibel.
Demnach benötigen die Patienten anders als gesunde Kontrollpersonen
Zeit und zusätzliche Informationen für die Feedforward Kontrolle.
Die Ergebnisse zeigen auf eine klare Beteiligung des Kleinhirns an
der prädiktiven und reaktiven Griffkraftregulierung und
demonstrieren, dass unterschiedliche Aspekte der Regulierung feiner
Fingerkräfte mittels spezifischer Mechanismen kontrolliert werden.
Zwar zeigen sich Hinweise auf eine funktionell anatomische
Zuordnung, jedoch ist es schwierig, aufgrund der Komplexität der
Bewegungskontrolle und der Vernetzung der zentralnervösen
Strukturen untereinander klare Rückschlüsse zu ziehen. Ebenso
handelt es sich hier um Untersuchungsergebnisse einer nur geringen
Anzahl von Patienten mit isolierten Kleinhirnschädigungen, sodass
auch die Gruppengrösse eine genaue Bestimmung des anatomischen
Korrelats der Griffkraftsteuerung schwierig macht.

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