Nachuntersuchung von Patienten mit Lokalanästhetika-Unverträglichkeit

Nachuntersuchung von Patienten mit Lokalanästhetika-Unverträglichkeit

Beschreibung

vor 17 Jahren
Lokalanästhetika gelten als sichere und gut verträgliche
Arzneimittel. Trotzdem werden immer wieder
Unverträglichkeitsreaktionen im Zusammenhang mit örtlichen
Betäubungen berichtet. Kausal betrachtet kann solchen Reaktionen
ein allergischer Mechanismus zugrunde liegen, was selten der Fall
ist; häufiger sind demgegenüber andere Reaktionsformen wie
psycho-vegetative, toxische oder Intoleranz-Reaktionen. In vielen
Fällen aber bleibt der Pathomechanismus unklar. Um bei betroffenen
Patienten künftige Behandlungen unter örtlicher Betäubung
durchführen zu können, ist eine allergologische Abklärung
angezeigt, die neben einer diagnostischen Zuordnung der
Unverträglichkeitsreaktion wesentlich die Ermittlung eines oder
mehrerer vertragener Ausweichpräparate zum Ziel hat. Gerade weil
die Mechanismen der Unverträglichkeitsreaktion oft ungeklärt
bleiben, ist fraglich, ob ein in einer klinischen Testsituation als
vertragen ermitteltes Präparat auch in der späteren therapeutischen
Anwendung vertragen wird. Psycho-vegetative Reaktionen sind
situationsabhängig, Intoleranzreaktionen beruhen auf dem
pharmakologischen Mechanismus und könnten bei strukturell
unterschiedlichen Substanzen auftreten. Ziel der vorliegenden
Arbeit war die Evaluierung von Ergebnissen allergologischer Tests
bei Patienten mit der Anamnese einer LA-Unverträglichkeit. Von 150
Patienten, die sich im Zeitraum von 1995 bis 1998 in der Klinik und
Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der
Ludwig-Maximilians-Universität München zur Abklärung einer
Lokalanästhesie-Unverträglichkeit vorgestellt hatten, konnten 94
Patienten, davon 15 Männer und 79 Frauen, mit einem
durchschnittlichen Alter von 50 Jahren in die nähere Auswertung
einbezogen werden. Einschlusskriterium war, dass bei allen
nachuntersuchten Patienten eine allergologische Diagnostik mit
einer genauen Anamneseerhebung vorlag. Im Einzelnen handelte es
sich dabei um Prick- und Intrakutantestungen mit einer
Standardreihe gebräuchlicher Lokalanästhetika sowie übliche
Hilfsstoffe, Naturlatex und eine subkutane Provokationstestung mit
handelsüblichen Lokalanästhetika. Nach Abschluss der Untersuchung
erhielten alle Befragten einen Allergiepass mit der Aufforderung,
diesen unaufgefordert jedem Arzt, Zahnarzt oder Apotheker
vorzulegen. Daraus gingen sowohl die zu meidenden Wirkstoffe und
Hilfsstoffe hervor, als auch die für die weitere Verwendung
empfohlenen Lokalanästhetika (Wirk- und Hilfsstoffe). Die meisten
Patienten hatten eine oder mehrere Unverträglichkeitsreaktionen im
Zusammenhang mit Injektionen im Rahmen eines zahnmedizinischen
Eingriffs erlitten. Dabei wurde überwiegend Articain nicht
vertragen. Die überwiegende Mehrheit hatte sofort nach der
Lokalanästhesie mit leichten bis mittelschweren, zumeist
subjektiven Symptomen reagiert. Einige Patienten hatten sehr
schwere anaphylaktische Reaktionen bei operativen Eingriffen
entwickelt; bei diesen waren andere Auslöser als Lokalanästhetika
wahrscheinlich, da eine Exposition zu weiteren Stoffe (Antibiotika,
Naturlatex) bestand, gegen die eine Allergie nachgewiesen werden
konnte. Eine echte IgE-vermittelte Reaktion auf Lokalanästhetika
konnte bei keinem Patienten bestätigt werden. Für jeden Patienten
konnte zumindest ein verträgliches Ausweichpräparat identifiziert
werden. 60 der 94 Patienten hatten nach Abschluss der Diagnostik
erneut eine Lokalanästhesie erhalten und diese meist problemlos
vertragen. Die wenigen dabei aufgetretenen Reaktionen waren
unspezifisch und nicht schwer. 47 Patienten wurden stets die
empfohlenen LA verabreicht. In 13 Fällen wurden ausschließlich oder
neben den getesteten auch gelegentlich nicht getestete LA
verabreicht. Ingesamt drei dieser 13 Patienten hatten erneut
Beschwerden. Nur zwei Patienten entwickelten neuerliche Beschwerden
nach therapeutischer Verabreichung zuvor als verträglich getesteter
LA. Bei beiden traten unspezifische Symptome auf, die bezüglich
ihrer Schwere wesentlich milder als in der Vorgeschichte waren.
Somit handelte es sich hierbei am ehesten um einen
psycho-vegetativen Mechanismus. Einer der drei Patienten, die nicht
empfohlene LA erhalten hatten, entwickelte eine schwere
Unverträglichkeitsreaktion. Die beiden anderen Patienten
schilderten erneut Herz-Kreislauf-Symptome. Bei einer Patientin
handelte es sich dabei vermutlich um eine allergische Reaktion auf
den Sulfitzusatz eines bereits zuvor als unverträglich
ausgetesteten Präparates. Bei der anderen Patientin war eine
Intoleranz oder Intoxikation wahrscheinlich Auslöser der
Unverträglichkeit. Der Identifizierung verträglicher
Ausweichpräparate kommt eine große Bedeutung zu. Die überwiegende
Zahl der 60 Patienten (91,7 %) hatte bei späterer LA-Anwendung
keine Unverträglichkeitsreak-tion mehr gezeigt. Diejenigen
Patienten, bei denen zuvor alternative Auslöser der
Unverträglichkeitsreaktion wie Naturlatex und Antibiotika
identifiziert worden waren und die eine erneute Lokalanästhesie
erhalten hatten, vertrugen diese problemlos. Zusammenfassend ist
von einer großen Verlässlichkeit des Ausweichtests mit LA auch für
die klinische Praxis auszugehen. Bei fünf Patienten, die wieder
Unverträglichkeitsreaktionen hatten, waren diese in drei Fällen auf
Arztfehler zurückzuführen. Sofern wieder Reaktionen (n = 5)
auftraten, so waren diese in der Mehrzahl (4/ 5) nicht bedrohlich.
Diese Untersuchung zeigt, dass bei
Lokalanästhetika-Unverträglichkeit für die weitere Versorgung
dieser Patienten der Identifizierung geeigneter verträglicher
Ausweichpräparate die größte Bedeutung zukommt. Die weitere
Anwendung von im Provokationstest als verträglich identifizierter
Lokalanästhetika ist sicher.

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