Daniel Schreiber über Alleinsein, Sucht, queere Scham und innere Freiheit
1 Stunde 1 Minute
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Beschreibung
vor 2 Jahren
Bestseller-Autor Daniel Schreiber spricht über sein neues Buch
"Allein", Sucht in der LGBTI-Community, sexuelle und emotionale
Anorexie und warum Alice Weidel zur Rechenschaft gezogen werden
muss. Sein Essayband "Allein" steht auf Platz elf der
"Spiegel"-Bestsellerliste, die Tendenz geht nach oben. Mit seinem
bislang queersten Buch, erschienen Ende September bei Hanser
Berlin, erreicht Daniel Schreiber ein Publikum weit über die
LGBTI-Community hinaus. Es geht um das "Spannungsverhältnis
zwischen dem Wunsch nach Rückzug und Freiheit und dem nach Nähe,
Liebe und Gemeinschaft", heißt es in der Verlagsankündigung. Vor
allem geht es um das sogenannte Alleinsein, das Leben ohne feste
Partnerschaft. Obwohl er die Promo-Phase nach Erscheinen des Buches
ziemlich anstrengend findet und er nach eigener Aussage sogar Angst
hat, etwas Falsches zu sagen, hat sich Schreiber Zeit für einen
Besuch im QUEERKRAM-Studio von Johannes Kram genommen. Und das war
auch gut so: Die 26. Podcast-Folge bietet eines der intensivsten
und spannendsten Gespräche, einen sehr persönlichen Blick auf
Themen, die für queere Meschen existentiell sind. "Ich schreibe
nicht über mich, sondern über blinde Flecken in der Gesellschaft",
sagt Daniel Schreiber. In seinem Essay "Nüchtern" (2014)
beschäftigte sich der 1977 geborene Berliner Autor mit dem Thema
Sucht, im Nachfolger "Zuhause" (2017) schrieb er über seine
Misshandlung als queerer Junge in der DDR. Ein zentrales Thema in
"Allein" ist nun die tief verinnerlichte "queere Scham", die das
Aufwachsen in einer homo- und transfeindlichen Gesellschaft mit
sich bringe und oft nicht erkannt werde. "Es ist schwerer, mit
schwulen Männern über queere Scham zu reden als mit Heteros", sagt
Schreiber im Podcast. Die Abwehrmechanismen seien groß. Doch die
Erfahrung von Ausgrenzung und die dadurch hervorgerufenen Gefühle
gehörten zur eigenen Person, stellt er klar. "Es ist eine Frage von
Selbstakzeptanz, dass wir alle guten und schlechten Seiten, die man
hat, hinzunehmen lernen und versuchen, damit umzugehen." Sind diese
Fragen nicht zu queer für ein Hetero-Publikum, will Johannes Kram
wissen. Und ob der Verlag bei diesem Kapitel eingegriffen habe.
Nein, sagt Daniel Schreiber. Nur Authentizität schaffe
Erkenntnisgewinn. "Ich glaube nicht, dass man mehr Bücher verkauft,
wenn man sich verstellt." In dem intellektuell brillanten Podcast
geht es außerdem um sexuelle und emotionale Anorexie und in diesem
Zusammenhang um den Zwang, als Schwuler in einer Beziehung zu sein
oder mit vielen Männern zu schlafen. Außerdem um die Notwendigkeit,
sich von unrealistischen Träumen zu verabschieden, um sogenannte
Identitätspolitik und rechtsextreme "Kommunikationsfallen", in die
auch linkliberale Menschen hineinstolperten. Ohne ihren Namen zu
erwähnen, fordert Schreiber dazu auf, AfD-Chefin Alice Weidel zur
Rechenschaft zu ziehen. "Ich habe überhaupt kein Verständnis für
diesen Zynismus und diese Heuchelei, privat die Vielfalt dieser
Gesellschaft, die Demokratie dieser Gesellschaft, die
Menschenrechte dieser Gesellschaft zu genießen und davon zu
profitieren und öffentlich alles dafür zu tun, all diese Sachen zu
zerstören." Trotz viel schwerer Kost gibt sich der Mittvierziger im
Podcast aber auch hoffnungsvoll: "Eine ganz zentrale Erfahrung
meines queeren Lebens ist, dass Dinge wirklich besser geworden
sind." -- Micha Schulze, queer.de 11.10.2021
"Allein", Sucht in der LGBTI-Community, sexuelle und emotionale
Anorexie und warum Alice Weidel zur Rechenschaft gezogen werden
muss. Sein Essayband "Allein" steht auf Platz elf der
"Spiegel"-Bestsellerliste, die Tendenz geht nach oben. Mit seinem
bislang queersten Buch, erschienen Ende September bei Hanser
Berlin, erreicht Daniel Schreiber ein Publikum weit über die
LGBTI-Community hinaus. Es geht um das "Spannungsverhältnis
zwischen dem Wunsch nach Rückzug und Freiheit und dem nach Nähe,
Liebe und Gemeinschaft", heißt es in der Verlagsankündigung. Vor
allem geht es um das sogenannte Alleinsein, das Leben ohne feste
Partnerschaft. Obwohl er die Promo-Phase nach Erscheinen des Buches
ziemlich anstrengend findet und er nach eigener Aussage sogar Angst
hat, etwas Falsches zu sagen, hat sich Schreiber Zeit für einen
Besuch im QUEERKRAM-Studio von Johannes Kram genommen. Und das war
auch gut so: Die 26. Podcast-Folge bietet eines der intensivsten
und spannendsten Gespräche, einen sehr persönlichen Blick auf
Themen, die für queere Meschen existentiell sind. "Ich schreibe
nicht über mich, sondern über blinde Flecken in der Gesellschaft",
sagt Daniel Schreiber. In seinem Essay "Nüchtern" (2014)
beschäftigte sich der 1977 geborene Berliner Autor mit dem Thema
Sucht, im Nachfolger "Zuhause" (2017) schrieb er über seine
Misshandlung als queerer Junge in der DDR. Ein zentrales Thema in
"Allein" ist nun die tief verinnerlichte "queere Scham", die das
Aufwachsen in einer homo- und transfeindlichen Gesellschaft mit
sich bringe und oft nicht erkannt werde. "Es ist schwerer, mit
schwulen Männern über queere Scham zu reden als mit Heteros", sagt
Schreiber im Podcast. Die Abwehrmechanismen seien groß. Doch die
Erfahrung von Ausgrenzung und die dadurch hervorgerufenen Gefühle
gehörten zur eigenen Person, stellt er klar. "Es ist eine Frage von
Selbstakzeptanz, dass wir alle guten und schlechten Seiten, die man
hat, hinzunehmen lernen und versuchen, damit umzugehen." Sind diese
Fragen nicht zu queer für ein Hetero-Publikum, will Johannes Kram
wissen. Und ob der Verlag bei diesem Kapitel eingegriffen habe.
Nein, sagt Daniel Schreiber. Nur Authentizität schaffe
Erkenntnisgewinn. "Ich glaube nicht, dass man mehr Bücher verkauft,
wenn man sich verstellt." In dem intellektuell brillanten Podcast
geht es außerdem um sexuelle und emotionale Anorexie und in diesem
Zusammenhang um den Zwang, als Schwuler in einer Beziehung zu sein
oder mit vielen Männern zu schlafen. Außerdem um die Notwendigkeit,
sich von unrealistischen Träumen zu verabschieden, um sogenannte
Identitätspolitik und rechtsextreme "Kommunikationsfallen", in die
auch linkliberale Menschen hineinstolperten. Ohne ihren Namen zu
erwähnen, fordert Schreiber dazu auf, AfD-Chefin Alice Weidel zur
Rechenschaft zu ziehen. "Ich habe überhaupt kein Verständnis für
diesen Zynismus und diese Heuchelei, privat die Vielfalt dieser
Gesellschaft, die Demokratie dieser Gesellschaft, die
Menschenrechte dieser Gesellschaft zu genießen und davon zu
profitieren und öffentlich alles dafür zu tun, all diese Sachen zu
zerstören." Trotz viel schwerer Kost gibt sich der Mittvierziger im
Podcast aber auch hoffnungsvoll: "Eine ganz zentrale Erfahrung
meines queeren Lebens ist, dass Dinge wirklich besser geworden
sind." -- Micha Schulze, queer.de 11.10.2021
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