Julia Shaw - Warum wir endlich über Bisexualität reden müssen

Julia Shaw - Warum wir endlich über Bisexualität reden müssen

1 Stunde 2 Minuten
Podcast
Podcaster
Queer.de präsentiert den queeren Podcast mit Nollendorfblogger Johannes Kram

Beschreibung

vor 1 Jahr
Julia Shaw, die mit "Bi" das erste populäre Sachbuch über
Bisexualität veröffentlicht hat, spricht über Angst vor Fluidität,
Doppeldiskriminierung, das Schaffen von Sichtbarkeit und ihren
persönlichen „Bi-Look“. Die gesellschaftliche Diskussion über
Bisexualität hinkt der Debatte über Homosexualität etwa 30 Jahre
hinterher, sagt Julia Shaw im neuen QUEERKRAM-Podcast von Johannes
Kram. Für ihre These hat die in London lebende Psychologin und
Autorin einen sehr überzeugenden Beweis: Ihr neues Werk "Bi -
Vielfältige Liebe entdecken", erschienen vor knapp zwei Wochen bei
Hanser, ist das allererste populäre Sachbuch zum Thema überhaupt.
Tatsächlich hat sich nie zuvor ein Verlag aus wissenschaftlicher
Perspektive mit Bisexualität beschäftigt. Zum Vergleich: Der
Klassiker „Der gewöhnliche Homosexuelle“ von Martin Dannecker und
Reimut Reiche erschien bereits 1974. Shaws bahnbrechendes Buch, das
bereits in mehrere Sprachen übersetzt wurde bzw. wird, steht denn
auch im Mittelpunkt des Podcasts. Die Autorin, 1987 in Köln geboren
und in Kanada aufgewachsen, ist selbst bisexuell. Sie habe „Bi“
geschrieben, weil ihr im eigenen Leben ein solcher „Atlas der
Bi-Welt“ gefehlt habe, sagt sie im Gespräch mit Johannes Kram. Und
weil es höchste Zeit gewesen sei, die zahlenmäßig „größte sexuelle
Minderheit“ in Geschichte, Kultur und Wissenschaft endlich
sichtbarer zu machen. Tatsächlich gibt es deutlich mehr Menschen,
die sich zu mehr als einem Geschlecht hingezogen fühlen, als
„hundertprozentige“ Lesben und Schwule – doch die meisten
Bisexuellen sind nicht out. Nicht in der Beziehung, nicht im
Freundeskreis und schon gar nicht am Arbeitsplatz. Bisexuelle
versteckten ihre sexuelle Orientierung doppelt so häufig wie
Homosexuelle, zitiert Julia Shaw aus Studien. Und versucht
Antworten zu geben, warum dies so ist. Die Psychologin beklagt eine
Doppeldiskriminierung und sieht das größte Problem in der
gesellschaftlichen Biphobie. Ganz bewusst spricht sie von einer
Phobie und nicht von Feindlichkeit. „Die Menschen haben Angst vor
der Fluidität“, erklärt Shaw. „Wir schließen uns sehr ein in diese
monosexuellen Identitäten.“ Als bisexuelle Frau habe sie sich oft
gefragt, wo sie überhaupt hingehöre. Leider ist auch die queere
Community nicht unbedingt ein Safe Space für Bis. Trotz aller
Floskeln, die wir zum CSD oder zum IDAHOBIT hören, fallen sie und
ihre Anliegen oft unter den Tisch. Julia Shaw legt sogar noch einen
drauf: „Biphobie erleben wir vor allem in der queeren Community“,
beklagt sie Podcast. Während Heteros bisexuellen Menschen oft mit
einer „Hypersexualisierung“ begegneten („Du willst es mit jedem, du
kannst ja nicht treu sein“), reagierten Lesben und Schwule häufiger
mit offener Ablehnung. Bisexuelle würden als Eindringlinge
betrachtet oder belächelt als Personen in einer „Phase“ auf dem Weg
zum „richtigen“ Coming-out. Sie selbst fühle sich in Lesbenbars als
„Touristin“. In dem sehr lebendigen wie spannenden Podcast erklärt
die Autorin außerdem, warum der Begriff „bisexuell“ nichts mir
Binarität zu tun hat und Liebe zu nichtbinären Personen keineswegs
ausschließt, warum das Wort selbst in einer queeren Serie wie
„Orange Is the New Black“ als „dreckig“ gilt und warum Katy Perrys
Song „I Kissed a Girl“ alles andere als emanzipatorisch ist. Shaw
berichtet von ihren Bemühungen, auch im Privaten als bisexueller
Mensch sichtbar zu sein und ihren persönlichen,
„nicht-heteronormativen“ Bi-Look zu kreieren. Trotz der teils
scharfen Kritik ist „Bi“ keine Abrechnung mit der queeren
Community, sondern eine freundliche Einladung zum Dialog. Mit viel
Feuer appelliert Julia Shaw an ihre Leser*innen, über ihren Umgang
mit bisexuellen Menschen, über Vorurteile, Ängste sowie auch über
die eigene sexuelle Identität nachzudenken. Im Gespräch mit
Johannes Kram sagt sie: „Ich hoffe, dieses Buch trägt dazu bei,
dass sich Menschen wirklich neue, frische Fragen stellen, auch wenn
ihre Identität am Ende dieselbe bleibt.“ -- Micha Schulze, queer.de
- 28. Mai 20

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