Podcaster
Episoden
05.12.2025
1 Stunde 1 Minute
Mit „Das Recht auf Faulheit“ hat Paul Lafargue, Schwiegersohn von
Karl Marx, ein provokantes Pamphlet geschrieben. In dem kurzen Buch
hinterfragt er ironisch die Tradition der Arbeiterklasse und deren
Forderung nach Recht auf Arbeit. Gewissermaßen geht das Proletariat
mit dieser Forderung der genussfeindlichen Bourgeoisie auf den
Leim, so Lafargue: Es lässt sich von Moralisten und Ökonomen
verführen, die behaupten, es brauche Wachstum. Dabei macht die
körperliche Arbeit und hohe Produktivität nicht nur krank und senkt
die Lebenserwartung. Sie führt darüber hinaus auch zu einer
Überproduktion von Konsumgütern – die Kapitaleigentümer müssen
immer neue Märkte und Bedürfnisse erschaffen oder
Finanzmarkt-Akteure suchen, um das überschüssige Kapital
loszuwerden. Lafargue plädiert dagegen für eine völlig neue
Organisation der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, wo es all das
nicht braucht. Statt Millionen von Menschen in
Bediensteten-Beschäftigungen oder in unnützen Institutionen wie
Polizei und Militär zu halten, will er die gesellschaftlich
notwendige Arbeit auf alle diese Menschen verteilen, und den
Arbeitstag für alle Menschen auf 3 Stunden reduzieren. An solchen
Arbeitstagen ist dann noch genug Zeit für Genuss, Sport, geistige
Betätigung menschliche Beziehungen – oder einfach Faulheit. Auch
die Maschine spielt bei dieser Emanzipation eine wichtige Rolle, da
sie hochproduktiv ist und die körperliche Arbeit erleichtert. Damit
sie das aber wirklich tut, statt den Produktionszwang immer weiter
zu erhöhen, müssen die Arbeiter*innen sich die Technologie aneignen
und wirklich zu ihren Gunsten nutzen. Zu Gast bei Alex Demirović
ist in dieser Folge der Soziologe Stephan Lessenich. Kontakt,
Kritik, Feedback: theoriepodcast@rosalux.org
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07.11.2025
1 Stunde 4 Minuten
Die Schriftstellerin, Aktivistin und Philosophin Angela Davis wurde
in den 1970er Jahren zur Ikone der Black-Power-Bewegung. Heute
zählt sie zu den wichtigsten Vertreter*innen des Abolitionismus –
eine Bewegung, die sich für die Überwindung staatlicher
Gewaltinstitutionen einsetzt, wie sie etwa in Form von Gefängnissen
oder der Polizei bestehen. In „Are Prisons obsolete?“ (2003), dt.
„Eine Gesellschaft ohne Gefängnisse?“, argumentiert Davis, dass das
Gefängnis weder natürlich noch notwendig sei, sondern das Produkt
einer rassistischen, klassenbasierten und patriarchalen
Gesellschaft. Sie prägt den Begriff des industriellen
Gefängniskomplex („Prison Industrial Complex“), um die
Komplizenschaft des Gefängniswesens mit dem kapitalistischen
Ausbeutungs- und Herrschaftssystem zu beschreiben. Wie anderen
Abolitionist*innen geht es Davis nicht nur um die langfristige
Abschaffung von Gefängnissen, sondern um eine radikale
Transformation der kapitalistischen Lebensbedingungen, die Armut
und Kriminalität systematisch reproduzieren. Ebenso wichtig ist
daher der Aufbau von „Caring Communitys“ und Infrastrukturen zur
Prävention von Armut, Kriminalität und Gewalt. Zu Gast in der 55.
Folge unseres Theorie-Podcasts ist die Sozialwissenschaftlerin
Vanessa E. Thompson, die gemeinsam mit Daniel Loick den
Abolitionismus-Reader (Suhrkamp) herausgegeben hat. Sie lehrt an
der Queen´s University in Ontario/Kanada. Kontakt, Kritik,
Feedback: theoriepodcast@rosalux.org
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15.10.2025
1 Stunde 11 Minuten
Mao Tse-tung prägte die europäische Linke in den 60er und 70er
Jahren weitreichend. Angesichts der heutigen Erkenntnisse über ihn
und die Auswirkungen seiner Politik, stellt sich die Frage, ob und
wie man seine Schriften heute noch lesen kann. Berühmt in der
Rezeption sind bis heute Maos Ausführungen zu Haupt- und
Nebenwiderspruch. Dabei wurde ihm oft vorgeworfen, viele
Widersprüche - und somit gesellschaftlichen Kämpfe - auf einen
Nebenwiderspruch zu reduzieren und damit wegzuwischen. Tatsächlich
besagt seine Theorie aber, dass der Hauptwiderspruch nicht von
vornherein festgelegt ist. Zwar betrachtet er etwa Proletariat und
Bourgeoisie als einen führenden Hauptwiderspruch. Es kann durch
Bewegungen jedoch zu einer Verlagerung kommen, sodass ein anderer
Widerspruch zum Hauptwiderspruch wird und den anderen überlagert.
Eine solche Verschiebung von Widersprüchen nimmt auch Louis
Althusser in seiner Analyse der russischen Revolution auf. Die
Gegensätze – Lohnarbeit und Kapital, Kleinbauern und Großbauern,
Großbauern und Adel, usw. – überlagern sich. Der Kampf der
Kleinbauern wird dann der Signifikant, in dem sich die ganzen
anderen Widersprüche verdichten. In ähnlicher Weise ließe sich auch
intersektionales Denken von heute verstehen. Zu Gast bei Alex
Demirović ist in dieser Folge der Sinologe und Mao-Experte Felix
Wemheuer. Er ist Professor für moderne Chinastudien an der
Universität Köln. Kontakt, Kritik, Feedback:
theoriepodcast@rosalux.org
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17.09.2025
1 Stunde 3 Minuten
In «Konterrevolution und Revolte» von 1972 beschreibt Herbert
Marcuse, wie die westlichen Staaten nach den 68er-Protesten mit
einer Konterrevolution reagierten, um das kapitalistische System zu
restabilisieren. Politische Repression und das Versprechen von
Wohlstand wirkten dabei zusammen – nicht nur Unterdrückung, sondern
auch die ideologische Integration der Arbeiter*innenklasse in die
«Konsumgesellschaft» machte Widerstand zunehmend
unwahrscheinlicher, indem jegliches revolutionäres Potenzial in
Konsumbedürfnisse umgelenkt und durch das Versprechen ökonomischen
Aufstiegs innerhalb der bestehenden Ordnung befriedigt werden
sollte. Gleichzeitig macht Marcuse auf die Keimformen einer neuen
Revolte aufmerksam. Diese entspringe weniger der traditionellen
Arbeiterklasse, sondern anderer gesellschaftlicher Randgruppen:
Studierenden, Frauen, People of Color, ökologischen und
antiimperialistischen Bewegungen. In ihrer Revolte zeige sich nicht
nur politischer Protest, sondern auch ein kulturelles Aufbrechen
bestehender Lebensweisen, etwa in der Sexualität, in der Kunst und
in Alltagspraktiken. Damit werde ein Feld eröffnet, in dem andere
Bedürfnisse, andere Formen des Zusammenlebens und andere Freiheiten
sichtbar werden, die der Konsum nicht zu erfüllen vermag. Wie kann
in einer Gesellschaft, die durch inhärenten Konsumzwang die
Bedürfnisse der Subjekte vereinnahmt und ihre Fantasien formt, ein
revolutionäres Begehren entstehen? Ist die Revolte marginaler
Gruppen der Anfang einer neuen politischen Praxis oder nur ein
kulturelles Störgeräusch, das allmählich vom System absorbiert
wird? Und wie ist Marcuses Diagnose heute zu lesen – in einer Zeit,
in der gesellschaftliche Errungenschaften von konservativen und
rechten Akteur*innen massiv angegriffen werden? Kontakt, Kritik,
Feedback: theoriepodcast@rosalux.org
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06.08.2025
1 Stunde 12 Minuten
Im ersten Band des Kapitals hat Karl Marx den Produktionsprozess
des Kapitals dargelegt. In dem viel weniger gelesenen Band II geht
es um den Zirkulationsprozess des Kapitals. Das Kapital ist in
einer kreislaufförmigen Metamorphose: Geldkapital wird vom
Kapitaleigentümer in Ware umgetauscht, die ihm wiederum als
Produktionsmittel dient. Die Produktionsmittel wiederum dienen zur
Herstellung der Ware, und die Ware wird ihrerseits wieder zu Geld,
wenn sie verkauft wird, sodass der Kreislauf von vorne beginnt. Am
Ende dieses Kreislaufs, der an jedem Punkt Anfang und Ende ist und
den der Kapitaleigentümer immer weiter fortsetzt, bekommt er mehr
Geld und mehr Ware, als er vorher in den Kreislauf hineingegeben
hat – es entsteht ein Mehrwert. Allerdings kommt es in diesen
Metamorphosen immer wieder zu Stockungen: Etwa, wenn der
Kapitaleigentümer nicht genug Rohstoffe oder Arbeitskräfte findet,
wenn es Streik gibt oder wenn die Waren an Wert verlieren oder es
nicht genug Abnehmer gibt. Das Geld bleibt dann «unproduktiv», was
zur Schatzbildung führt. Das Krisenhafte gehört zur
Durchschnittsbewegung dieser Kreisläufe. Ohne explizit eine
krisentheoretische Überlegung zu machen, wird das inhärent
Krisenhafte des Kapitalismus hier zumindest angedeutet. Im zweiten
Teil des Buchs legt Marx den Unterschied zwischen fixem und
zirkulierendem Kapital dar, im dritten Teil geht es um die
Reproduktion und Zirkulation des gesellschaftlichen Gesamtkapitals.
Auch in diesen Kreisläufen gibt es Stockungen und Krisen. Zu Gast
bei Alex Demirović ist in dieser Sendung Christian Schmidt, Autor
von Marx zur Einführung, der an der Humboldt Universität zu Berlin
lehrt und forscht.
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Über diesen Podcast
Der Theoriepodcast der Rosa-Luxemburg-Stiftung Too long, didn’t
read – so geht es einigen beim Anblick der Klassiker linker
Theorie. Die über zweitausend Seiten langen Gefängnishefte von
Antonio Gramsci, die komplizierten Schinken von Marx oder Edward
Said – wenn ihr keine Zeit habt, die Bücher alleine durchzuackern
oder eine Einführung sucht, dann hört euch den Theoriepodcast der
Rosa-Luxemburg-Stiftung an. Durch den Podcast führt Alex Demirović.
Der Professor für Politikwissenschaft an der Uni Frankfurt ist
Vertreter der kritischen Theorie und Kenner sämtlicher linker
Standardwerke. In jeder Folge stellt Alex Demirović Schlüsselwerke
der linken Theorie vor. Es werden die zentralen Thesen der Werke
und ihre heutige Relevanz diskutiert. Die Spannbreite liegt dabei
vom klassischen Marxismus, Kritischer Theorie, Feminismus,
antikoloniale Theorie, Poststrukturalismus bis hin zu
Hegemonietheorie und Existenzialismus. Prof. Alex Demirović gibt
euch in kurzen Vorträgen eine Einführung in die Biografie der
Theoretiker*innen und fasst die zentralen Thesen zusammen.
Anschließend diskutiert Alex Demirović in jeder Folge mit einem
Gast über das Werk und seine Relevanz für aktuelle politische
Kämpfe. Kontakt, Kritik, Feedback: theoriepodcast@rosalux.org
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