Wie die Positive Psychologie für Pflegefamilien hilfreich sein kann
41 Minuten
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Der Podcast für Pflegefamilien oder für Familien, die Pflegefamilie werden wollen!
Beschreibung
vor 3 Jahren
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Interview mit: Priv.-Doz. Dr. Silvia Exenberger
Homepage: https://www.institut-positivepsychologie.at/
Thema: Heute spreche ich mit Dr. Silvia Exenberger aus Österreich
über die positive Psychologie und wie sie im Zusammenleben mit
Kindern und Pflegekindern unterstützend wirken kann.
Herzlich willkommen Frau Exenberger.
Sie sind klinische und Gesundheitspsychologin, Gründerin des
Instituts für positive Psychologie und Resilienzforschung,
Lehrbeauftragte an der Universität Innsbruck beim Institut für
Psychologie und weiteren Universitäten in Österreich. Sie
arbeiten und forschen zu den Themen der Positiven Psychologie und
zu Trauma bei Kindern und Jugendlichen.
Titel des Podcasts:
Wie die Positive Psychologie für Pflegefamilien hilfreich
sein kann
Mein Name ist Bertram Kasper und ich arbeite beim St.
Elisabeth-Verein in Marburg im Fachbereich Pflegefamilien Hessen.
Mit einigen Kolleg*innen produzieren wir seit April 2020 den
Podcast Pflegefamilien Deutschland. Es sind inzwischen schon 57
Episoden auf allen einschlägigen Podcastplattformen zu hören. Wir
veröffentlichen jeden 3. Freitag um 8:00 Uhr morgens eine neue
Folge.
Ich selbst arbeite schon seit über 33 Jahren in der Kinder- und
Jugendhilfe und davon fast die Hälfte der Zeit im
Pflegekinderbereich. In unserem Fachbereich Pflegefamilien
betreuen wir über 140 Familien mit fast 200 Kindern.
• Vielleicht steigen wir einmal beim Thema Positive Psychologie
ein. Was ist positive Psychologie überhaupt?
Frau Dr. Exenberger deutet hier zunächst auf das große Thema
Prävention, dem die Positive Psychologie zugetan ist. Diese
beiden Themen wurden auch detailliert von Martin Seligman
behandelt und setzen darauf, mit menschlichen Stärken psychische
Krankheiten abzuschwächen oder gar zu verhindern: Mut,
Optimismus, zwischenmenschliche Kompetenzen, Hoffnung,
Durchhaltevermögen.
In der historischen Psychologie vor dem zweiten Weltkrieg begriff
sich das Feld als dreigeteilt: erstens war das Heilen mentaler
Krankheiten ein Fokus, zweitens die Unterstützung zur Findung
eines produktiven und erfüllenden Lebens und drittens die
Förderung und Pflege von Talenten. Nach dem zweiten Weltkrieg
jedoch wurde die Psychologie einspuriger und begriff sich nurmehr
als heilende Disziplin – was fördernd für das Verständnis
psychischer Erkrankungen und deren Heilung war, sie jedoch auch
mehr als untergeordnetes Feld der Gesundheitsprofessionen
einordnete und die anderen beiden fundamentalen Aufgaben der
Disziplin ins Vergessen brachte. Auch führte diese neue
Betrachtungsweise mehr dazu, den Menschen als passives Element zu
betrachten.
• Und welche Haltung gegenüber Menschen und sich selbst ist mit
dem Ansatz verbunden?
Frau Dr. Exenberger nennt hier als erstes die positive Haltung
gegenüber Menschen, in denen der Fokus auf dem Guten, Positiven
liegen sollte. Dies sind auch Grundwerte der Humanistischen
Psychologie – Carl Rogers, der Brgründer der
Gesprächspsychotherapie spricht hier von
Selbstaktualisierungstendenz. Diese stellt das grundlegende Motiv
menschlichen Handelns dar: ein ständiges Streben die eigenen
Entwicklungsmöglichkeiten zu erhalten, entfalten und
verwirklichen, sowie Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zu
erlangen. Dieses Vorgehen kann jede:r beim Gegenüber und auch
sich selbst fördern. Relevant ist hier auch die durch William
James, den Begründer der Psychologie in den USA, definierte
Healthy-Mindedness. Er beschreibt sie als die Tendenz alle
betrachteten Dinge als gut wahrzunehmen. Seiner Meinung nach gibt
es zwei verschiedene Arten gesunden Denkens: die unwillkürliche,
bei welcher man dazu neigt, sich sofort über die Dinge zu freuen
und die systematische, freiwillige Art Dinge abstrakt als gut zu
begreifen. Manche Menschen seien entschlossen, das Gute als das
Wesentliche der Dinge zu betrachten und das Böse aus ihrem
Blickfeld auszuschließen.
Laut Fredricksons (2004) Konzept ‚Broaden and build‘ führen
positive Emotionen zum optimalen Funktionieren – nicht nur im
gegenwärtigen, das Gefühl auslösenden Moment, sondern auch auf
lange Sicht. Daher sollten Menschen positive Emotionen sowohl bei
sich selbst als auch ihrem Umfeld kultivieren und zwar nicht nur
als Endzustand sondern auch als Mittel zum Erreichen von
psychologischem Wachstum und verbessertem psychischen und
physischen Wohlbefinden. Broaden and build stellt sozusagen einen
Paradigmenwechsel von negativen zu positiven Emotionen dar.
Negative Emotionen, die den Blickwinkel auf mögliche
Handlungsalternativen einschänken (Angst, Flucht) stehen
positiven Emotionen gegenüber, welche unseren Horizont und unser
Bewusstsein erweitern und größeren Handlungsspielraum ermöglichen
(z.B. Freude: Impuls zu spielen und kreativ zu sein; Interesse:
Impuls zu erforschen und lernen). Eine so umgestellte Denkweise
bringt indirekte und langfristige Anpassungsvorteile mit sich,
denn es werden dauerhafte persönliche Ressourcen aufgebaut. Dies
ist vergleichbar mit dem Spielen in der Kindheit, welches als
dauerhafte Ressource gesteigerte Kreativität mit sich bringt und
die Entwicklung des Gehirns fördert. Die Form positiver Emotionen
wird in der Broaden and Build Theorie im Sinne eines erweiterten
Denk- und Handlungsrepertoires beschrieben, welches, durch den
Ausbau dauerhafter persönlicher Ressourcen eine neue Perspektive
auf die entwickelte adaptive Bedeutung positiver Emotionen
bietet. Hierbei geht es nicht um das krampfhafte – und dadurch
unmögliche Herstellen einer positiven Stimmung, sondern vielmehr
um die Steigerung der Quantität positiver Empfindungen. Wichtig
ist der positive Quotient, ein messbarer Unterschied zwischen
negativen und positiven Gefühlen.
• Wie sind Sie zur Positiven Psychologie gekommen und was
begeistert Sie an diesem Ansatz?
Frau Dr. Exenbergers Forschungsschwerpunkte innerhalb der
Positiven Psychologie liegen bei Posttraumatischem Wachstum,
Wohlbefinden und Resilienz bei Kindern und Jugendlichen und auch
der Kehrseite, dem Trauma; durch die Positive Psychologie wird
eine Person ganzheitlich betrachtet. Frau Dr. Exenberger ist vor
allem deswegen von diesem Ansatz begeistert, da die Denkweise
eines jeden durch einfache, in den Alltag integrierbare Übungen,
so zum Positiven bewegt und verändert werden kann. Ist man in
Frust oder Problemen verstrickt, so hilft es die Gedanken auf die
positiven Ereignisse zu lenken. Die Wirkungsweise der Übungen und
des gesamten Feldes der Positiven Psychologie ist empirisch
belegt.
• Wieso ist die Positive Psychologie für Eltern und Pflegeeltern
so wertvoll und wie könnten Sie die Wirkung der Positiven
Psychologie beschreiben?
Frau Dr. Exenberger kann sich vorstellen, dass Pflegeeltern mit
Freude und positiven Erwartungen an ihre Aufgabe heran gehen,
doch der Alltag vielmals sehr fordernd und manchmal überfordernd
ist. Es gibt vielleicht Augenblicke in denen man denkt, dass man
so viel gibt und wenig bekommt ... und an dieser Stelle – sowieso
jederzeit - können einfache Übungen und Änderungen an der eigenen
Einstellung helfen; die Denkweise in eine andere Richtung zu
lenken.
Empirische Studien – Martin Seligman: PERMA (Wohlbefinden)
• P ositive Emotions (positive Emotionen vermehren und
nutzen)
• E ngagement (Flow erleben, eigene Stärken leben)
• R elationships (positive Beziehungen pflegen)
• M eaning (Sinn – im Alltag – transparent machen und
leben)
• A ccomplishment (Erfolgserlebnisse ermöglichen und sichtbar
machen)
• Und wahrscheinlich interessiert Eltern und Pflegeeltern
brennend, wie sich die Positive Psychologie ganz praktisch in den
Alltags des Familienlebens übertragen lässt.
• Und welche konkreten Methoden halten Sie für das Leben mit
Kindern für besonders geeignet?
• Und vielleicht können Sie davon 3 oder 4 konkreter vorstellen,
so dass diese Methoden für Familien und Pflegefamilien
durchführbar sind.
Drei Beispielübungen:
Das war gut heute (Kinder): jeden Abend mit dem Kind 3 Dinge
finden, die gut am Tag waren;
als ELTERNTEIL: Jeden Tag 3 gute Dinge, die an diesem Tag
geschehen sind, aufschreiben. Nach Festhalten der 3 guten Dinge,
wird eine der folgenden Fragen beantwortet:
• Was habe ich selbst dazu beigetragen, dass dies passiert
ist?
• Was bedeutet das für mich?
• Wie kann ich in Zukunft mehr von der guten Sache haben?
Genuss-Tage planen - mit allen Sinnen den Tag
genießen:
Frühstück, Weg von der Schule nach Hause, Dusche ...
Regeln für das Genießen
+ Genießen braucht Zeit
+ Genießen geht nicht nebenbei
+ Genieße bewusst alltägliche Dinge
+ Genuss ist Geschmackssache; nicht alle genießen die gleichen
Sachen – z.B. laute Musik
Genussspaziergang
Meist im Modus: Autopilot - schöne Dinge oft nicht mitbekommen -
man steht auf, geht durch Tag, ganz im Trott, am Abend fragt man
sich: Was war heute eigentlich? Gegenteil - bewusst einen Gang
rausnehmen, Augen auf, Ohren auf, was gibt es, das ich wahrnehmen
kann?
+ Aufmerksamkeit auf Wohltuendes fokussieren
+ Lernen, den Blick auf das Schöne zu richten
• Und was wünschen Sie all den Pflegefamilien und den
Pflegekindern im deutschsprachigen Raum aus Ihrer
Perspektive?
Hier finden Sie uns im Internet:
www.elisabeth-verein.de
www.pflegefamilien-hessen.de
www.pflegefamilien-akademie.de
www.pflegefamilien-akademie.de/podcast
www.foerderverein-pflegekinder-deutschland.de
www.pflegefamilien-im-mittelpunkt.de
Eine Bitte an unsere Hörerinnen und Hörer:
Wir freuen uns über Spenden für Pflegekinder an unseren
Förderverein. Hier der direkte Link zu Ihrem Beitrag:
https://www.foerderverein-pflegekinder-deutschland.de/ihre-spende/
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