Adrian, wie hast du das angestellt, Filme aus dem historischen Giftschrank im Kino zu zeigen? (Folge 7)

Adrian, wie hast du das angestellt, Filme aus dem historischen Giftschrank im Kino zu zeigen? (Folge 7)

Adrian Kutter spricht über die Bedeutung der Filmvermittlung und über Filme in politischen Systemen.
59 Minuten

Beschreibung

vor 6 Monaten
In dieser Episode widmen wir uns einem faszinierenden Aspekt Adrian
Kutters Schaffens: Wie ich es geschafft habe, Filme zu zeigen, die
offiziell nicht mehr im Kino präsentiert werden dürfen,
insbesondere Nazi-Propagandafilme, die im sogenannten "Giftschrank"
liegen. Angefangen bei der Konzeptentwicklung, über die
Kontaktaufnahme mit der Akademie für politische Bildung, bringe ich
Licht in die Prozesse, die es ermöglichten, diese Filme im Kino zu
zeigen. Dabei spielt der Film "Jud Süß" eine zentrale Rolle – ein
Paradebeispiel für die Herausforderung und die Relevanz, sich mit
unserer cineastischen Vergangenheit auseinanderzusetzen. Mein
Werdegang begann 1973, als ich nach meinem Studium in Mannheim nach
Biberach zurückkehrte und entschloss, das Kino neu zu gestalten.
Zwei große Theater übernahm ich, wobei ich ein Haus für
anspruchsvolle Kommerzfilme und das andere als Filmkunstkino mit
einem Schwerpunkt auf deutscher Filmkultur umfunktionierte. Hierbei
wollte ich nicht nur Filme zeigen, sondern auch einen Dialog mit
dem Publikum fördern. Daher entstand die Idee, Seminare zur
Filmanalyse anzubieten, um den Zuschauern zu helfen, Filme auf
einer tieferen Ebene zu betrachten. Beginnend mit einem Seminar
über Filmanalyse habe ich zusammen mit Experten, vor allem Dr. Gerd
Albrecht, eine Plattform geschaffen, um die Filmkunst in der
breiten Öffentlichkeit sowie in Schulen zu belehren. Wir
organisierten Schulvorstellungen und public screenings, kombiniert
mit Diskussionen, die das Verständnis für Film und seine Geschichte
vertiefen sollten. Durch diese Initiativen wurde das Interesse an
unserer filmhistorischen Verantwortung geweckt und viele hatten die
Möglichkeit, mit Hilfe von Experten in die Thematik des
Nationalsozialismus einzutauchen. In diesen Seminaren konnten wir
sogar vollständige Filme des Dritten Reiches zeigen, einschließlich
der Propagandawochenschauen, die den Umgang mit dieser belastenden
Zeit aufzeigten. Die Möglichkeit, die Filme auf diese Weise zu
präsentieren, erforderte eine Genehmigung vom Bundesarchiv und eine
sorgfältige Planung, um sicherzustellen, dass das Publikum in der
angemessenen Rahmenbedingungen über die Filme diskutieren konnte.
Im Laufe der Jahre haben wir zahlreiche Seminare zu
unterschiedlichen zeitgeschichtlichen Themen veranstaltet. Als
einer der ersten Schritte zur Aufklärung und Bildung über das
Dritte Reich, haben wir spezifische Filmreihen kuratiert, die ein
breites Publikum, darunter auch Schüler und Mitglieder der
Bundeswehr, ansprachen. Diese Veranstaltungen fanden großes
Interesse und trugen entscheidend zur Aufarbeitung der filmischen
Geschichte bei. Durch den Austausch mit Delegationen aus anderen
Ländern habe ich auch einen Einblick in die Filmproduktion in
anderen Kulturen gewonnen. Bei der Zusammenarbeit mit Filmteams aus
dem Ostblock und China erlebte ich nicht nur die Herausforderungen
und Schönheiten ihrer Filmproduktionspraktiken, sondern auch, wie
wichtig der interkulturelle Dialog in Zeiten politischer Spannungen
ist. Diese Erfahrungen bereicherten meine Sicht auf das Kino als
Medium der Verständigung und des Austauschs. Abschließend
reflektiere ich die heutige Situation des Filmgeschäfts im Hinblick
auf politische Strömungen. Ich sehe Parallelen zwischen der
Rückkehr autoritärer Tendenzen und den Herausforderungen, denen
sich die Filmkunst heute gegenübersieht. Gerade in solch kritischen
Zeiten ist es umso wichtiger, sich mit der Filmgeschichte
auseinanderzusetzen und den Dialog aufrechtzuerhalten. Ich hoffe,
dass wir auch in Zukunft relevante und bedeutende Geschichten
erzählen können, indem wir die Lektionen der Vergangenheit nutzen,
um die gegenwärtige und zukünftige Filmkultur zu gestalten.

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