Rumänien – Zwischen Diktatur, Verfall und Wiedergeburt. Urbex, Lost Places und Modern Ruins. Fotografie und Filmen

Rumänien – Zwischen Diktatur, Verfall und Wiedergeburt. Urbex, Lost Places und Modern Ruins. Fotografie und Filmen

7 Minuten

Beschreibung

vor 7 Monaten

Wenn du mit deiner Kamera in der Hand durch Rumänien reist,
betrittst du ein Land voller Kontraste, das auf besondere Weise
zwischen Vergangenheit und Gegenwart oszilliert. Es ist kein
Land, das sich dir sofort offenbart. Vielmehr musst du bereit
sein, unter die Oberfläche zu schauen. Denn was auf den ersten
Blick nur wie bröckelnder Putz und rostiges Blech erscheint,
erzählt auf den zweiten Blick Geschichten von Macht, Verfall,
Hoffnung – und tiefem kulturellen Wandel.





Ein zentrales Kapitel der rumänischen Urbex-Welt führt dich
unweigerlich in die Zeit der kommunistischen Diktatur unter
Nicolae Ceaușescu. Noch heute stehen in Bukarest und darüber
hinaus gigantische Bauwerke, die mehr an dystopische Filmkulissen
erinnern als an reale Orte. Besonders eindrucksvoll ist das Haus
des Volkes – der Palatul Parlamentului, eines der größten Gebäude
der Welt. Auch wenn es offiziell genutzt wird und kein
klassischer „Lost Place“ ist, vermittelt schon allein seine
beklemmende Monumentalität ein Gefühl, das du in deinen Aufnahmen
perfekt einfangen kannst: die Wucht eines Regimes, das mit Beton
und Marmor seine Ewigkeit sichern wollte – und daran scheiterte.


Wenn du dich tiefer ins Land wagst, findest du verlassene
Ferienanlagen am Schwarzen Meer, die einst dem sozialistischen
Tourismus dienten. Orte wie Neptun, Venus oder Costinești sind im
Sommer noch teilweise belebt, doch in der Nebensaison oder
abseits der sanierten Zonen wirken viele Hotelruinen wie
eingefroren in der Zeit. Du kannst hier nicht nur Bilder der
Einsamkeit festhalten, sondern auch filmisch mit Drohnen und
ruhigen Steadycam-Fahrten das Zusammenspiel von Meer, Beton und
Vergangenheit in Szene setzen.


Transsilvanien – eine Region, die für viele untrennbar mit
Vampirgeschichten und dem Mythos Draculas verbunden ist – bietet
dir eine ganz andere Art von Lost Places. Zwischen den sanften
Hügeln und dichten Wäldern erheben sich Ruinen ehemaliger
Industrieanlagen, die in der Zeit des rasanten sozialistischen
Aufbaus entstanden und nach dem Zerfall des Regimes einfach
zurückgelassen wurden.


Besonders faszinierend sind die stillgelegten Kupferminen von
Roșia Montană. Dieser Ort steht heute auch im Fokus
internationaler Umweltdebatten: Der Konflikt um den Goldabbau und
die daraus resultierenden ökologischen und kulturellen Folgen ist
aktueller denn je. Wenn du mit der Kamera hier unterwegs bist,
kannst du nicht nur eindrucksvolle Aufnahmen von rostenden
Maschinen und versunkenen Stollen machen, sondern auch
dokumentarisch arbeiten: Interviews mit Anwohnern, Zeitraffer des
sich verändernden Terrains und das Einfangen der Spannung
zwischen Tradition, Umweltbewusstsein und wirtschaftlichem
Interesse könnten dein Projekt auf eine tiefere Ebene heben.


Weit im Norden Rumäniens, an der Grenze zur Ukraine, liegt eine
Region, die noch wie ein Relikt aus einer vergangenen Zeit wirkt:
Maramureș. Hier findest du uralte Holzkirchen und Bauernhäuser,
aber auch Dörfer, die nach und nach entvölkert werden. Die
Landflucht hat hier sichtbare Spuren hinterlassen. Ganze Anwesen
stehen leer, einstige Lebenszentren verfallen.


Diese Orte sind besonders geeignet für eine stille,
melancholische Bildsprache. Arbeite mit natürlichem Licht, spiele
mit Unschärfen und Reflektionen. Lass dich vom Wechsel der
Jahreszeiten inspirieren – im Herbst etwa verwandeln Nebel und
fallende Blätter diese Dörfer in fast surreale Landschaften. Wenn
du filmst, kannst du mit langsamen Kamerabewegungen und
atmosphärischem Sounddesign die Leere und Schönheit dieser Orte
spürbar machen. Und du wirst merken: Selbst das Knarren einer
alten Holztür oder das Pfeifen des Windes durch geborstene
Fensterrahmen kann hier zum Erzähler werden.


Rumänien ist in den letzten Jahren zu einem echten Geheimtipp
unter Urbexern geworden. Doch mit der wachsenden Popularität
kommt auch die Verantwortung. Viele Lost Places werden
mittlerweile von Street Artists, Influencern oder sogar
Partyveranstaltern heimgesucht.

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