Grundsatz #45: Gedenken, Vermitteln, Entgegentreten - Stimmen von der Gedenkveranstaltung zum Holocaustgedenktag

Grundsatz #45: Gedenken, Vermitteln, Entgegentreten - Stimmen von der Gedenkveranstaltung zum Holocaustgedenktag

In dieser Folge von Grundsatz steht die Frage im Mittelpunkt, wie das Gedenken an den Holocaust in einer Zeit zunehmenden Antisemitismus bewahrt werden kann. Expertinnen und Experten und Politikerinnen und Politiker diskutieren über die Herausforderungen,
35 Minuten

Beschreibung

vor 10 Monaten

In dieser Folge von Grundsatz präsentiert der Campus Tivoli
Ausschnitte einer Gedenkveranstaltung im österreichischen
Parlament anlässlich des Holocaustgedenktags am 27. Jänner 2025.
80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz diskutieren Expertinnen
und Experten und Politikerinnen und Politiker darüber, wie das
Gedenken bewahrt und Antisemitismus entschlossen bekämpft werden
kann. 


Den historischen Kontext eröffnet Wolfgang Gerstl, der an die
Gründung der ÖVP als Gegenmodell zur NS-Diktatur erinnert. Er
hebt den Mut von Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern
wie Franz Jägerstätter hervor, die sich gegen das Regime stellten
und dafür ihr Leben ließen. Der Präsident des Campus Tivoli,
Wolfgang Sobotka betont, dass Antisemitismus heute nicht nur ein
Problem des Rechtsextremismus sei, sondern zunehmend auch in
linken und migrantischen Milieus wachse. Er warnt vor der
Verharmlosung antiisraelischer Narrative und fordert eine klare
Haltung gegen Täter-Opfer-Umkehr, insbesondere im Zusammenhang
mit dem Nahostkonflikt.


Während Sobotka die gesellschaftlichen Herausforderungen
anspricht, geht Hannah Lessing auf eine zentrale Problematik der
Erinnerungskultur ein: Mit dem Sterben der Zeitzeuginnen und
Zeitzeugen droht die Geschichte zu verblassen. Dass die
Erinnerung an den Holocaust nicht nur eine nationale, sondern
eine gesamteuropäische Aufgabe sei, unterstreicht Tomi Huhtanen.
Er mahnt, dass die Lehren aus der Vergangenheit nicht in
Vergessenheit geraten dürfen, da sie die Grundlage für Europas
demokratische Werte bilden.


Wie dringend diese Aufklärungsarbeit ist, zeigen alarmierende
Forschungsergebnisse: Thomas Stern belegt mit aktuellen Studien,
dass antisemitische Einstellungen unter Jugendlichen zunehmen,
während gleichzeitig das Wissen über den Holocaust abnehme.
Besonders problematisch sei die wachsende Zustimmung zu
Holocaust-verharmlosenden Vergleichen zwischen Israel und dem
NS-Regime. Dass diese Entwicklungen gravierende Auswirkungen auf
das tägliche Leben jüdischer Familien haben, erläutert Jasmin
Freyer. 


Als weiterer inhaltlicher Bestandteil der Gedenkveranstaltung
beleuchtet Paul Brandacher die Rolle sozialer Medien bei der
Verbreitung antisemitischer Narrative. Er weist darauf hin, dass
Holocaustverzerrung und Desinformation auf Plattformen wie TikTok
oder Instagram weitgehend ungefiltert kursieren. Ahmad Mansour
ergänzt, dass antisemitische Hetze nicht nur online, sondern auch
auf den Straßen westlicher Länder sichtbar werde. Er fordert,
politische Bildung stärker auf digitale Räume auszuweiten, um
dort gezielt gegenzusteuern.


Dass Antisemitismus auch an Universitäten oft unterschätzt werde,
kritisiert Clara Nathusius. Systematische Aufklärung über den
Zionismus und die Geschichte Israels fehle oft. Isolde Vogel
verweist passend hierzu auf das Konzept des „ehrbaren
Antisemitismus“, der sich hinter moralischen Argumenten
verstecke, aber dennoch tief antisemitische Strukturen
reproduziere. Um diesem entgegenzutreten, seien präventive
Bildungsmaßnahmen essenziell.


Zum Abschluss betont Caroline Hungerländer die Verantwortung der
Politik: Es dürfe nicht bei symbolischen Maßnahmen bleiben,
sondern es brauche konkrete Unterstützung für all jene, die sich
in der Zivilgesellschaft aktiv gegen Antisemitismus engagieren.
Dies sei keine optionale Aufgabe, sondern eine demokratische
Notwendigkeit.


Die Expertinnen und Experten sind sich einig: Erinnerung müsse
aktiv bewahrt werden, um Antisemitismus und
Geschichtsverfälschung entgegenzuwirken. Bildung, politische
Maßnahmen und gesellschaftliches Engagement seien entscheidend,
um „Nie wieder“ als Prinzip für die Gegenwart zu verankern.

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