Zur Signalausbreitung und Konvergenz im Dendritensystem der elektrosensorischen Afferenz am Beispiel des clusterbildenden Welses Schilbe mystis

Zur Signalausbreitung und Konvergenz im Dendritensystem der elektrosensorischen Afferenz am Beispiel des clusterbildenden Welses Schilbe mystis

Beschreibung

vor 20 Jahren
Bei Welsen der Spezies Schilbe mystis kommt es im
elektrosensorischen System zur Konvergenz mehrerer (bis zu ca. 30)
ampullärer Rezeptororgane eines sog. Clusters auf ein primäres
afferentes Neuron. Es gibt zwei morphologische Grundtypen der
Clusterinnervierung (stern- oder baumförmig); bei Clustern vom
"Bäumchentyp" an der Analflossenbasis erstreckt sich das
Konvergenzareal über bis zu ca. 2 mm. Die Dendriten weisen eine
vollständige, aber untypische Myelinisierung mit u.a. sehr kurzen
Internodienabständen auf und erreichen Längen bis zu ca. 3mm. Im
Unterschied zu Physialia spec. sind bei Schilbe die Leitungslängen
innerhalb eines Clusters vom Bäumchentyp zwischen Synapse und
Axonstamm - und davon abhängig auch die elektrischen Eigenschaften
der Dendriten - sehr unterschiedlich. Ampulläre Rezeptororgane sind
spontanaktiv und generieren in der afferenten Faser
Aktionspotentiale in sehr regelmäßiger Abfolge; die statistische
Auswertung des Interspike-Intervalls zeigt eine eingipflige,
schmale, symmetrische Verteilung (s = 7%). Zusammen mit den
Ergebnissen zur Empfindlichkeitsaddition im Cluster (Peters &
Mast 1983, van Dongen & Bretschneider 1984, Peters & van
Ieperen 1989, Peters et al. 1997a) und Überlegungen zur
Signalausbreitung lassen sich diese Ergebnisse nur mit
monozentrischer Erregungsbildung im Axonstamm erklären (Bestätigung
durch progressive TTX-Vergiftungsexperimente, s.u.) und sind mit
der "Kollisionstheorie" (Murray & Capranica 1973, Pabst 1977,
Holden 1976, Sanchez & Zakon 1990, Teunis et al. 1990b, Longtin
& Racicot 1996) nicht vereinbar. Nach MS-222 Anästhesie oder
Anwendung des Natriumkanal-Blockers TTX zeigt die
Histogrammverteilung charakteristische Veränderungen und gibt so
weitere Hinweise auf Funktionsmechanismen bei Erregungsbildung und
Fortleitung. Der Vergleich der meßbaren Aktionspotentialamplituden
im Cluster zeigt keine Abhängigkeit von der Fortleitungsdistanz
innerhalb des Dendritenbaums. Die Ergebnisse sind nur mit einer
aktiven Invadierung der Endarborisation vereinbar, was auch durch
progressive TTX-Vergiftungsexperimente klar bestätigt wird (s.u.).
Es gibt während "kathodischer Inhibition" mit starken Stimuli nach
der zu erwartenden anfänglichen Unterdrückung der Nervenantwort
eine Plateauphase, in der eine reduzierte, sehr regelmäßige
Spontanaktivität bei fehlender Reizempfindlichkeit auftritt. Die
Rückkehr der Empfindlichkeit nach dieser Phase erfolgt anisotrop.
Dies legt die Existenz wenigstens zweier adaptiver Prozesse
innerhalb der analogen Verarbeitung (vor der Generation von
Aktionspotentialen) nahe. Nach den Ergebnissen der progressiven
TTX-Vergiftung ist der schnellere dieser Mechanismen in den
Dendriten lokalisiert und korreliert mit der Adaptation
dendritischer Natriumkanäle. Es gibt eine positive, nichtlineare
Korrelation zwischen Spikeamplitude und Interspike-Intervall: bei
Stimulation des Systems tritt eine Amplitudenverminderung ein und
umgekehrt. Ein Zusammenhang mit Refraktärphänomenen oder
"Shuntingprozessen" in der Endarborisation kann ausgeschlossen
werden. Das Ergebnis ist allein auf der Basis verminderter
Aktivierbarkeit der dendritischen Natriumkanäle (potentialabhängige
Inaktivation) aufgrund des EPSP-induzierten Anstiegs des
intradendritischen Potentials zu erklären und gibt damit Hinweise
auf die aktive Rolle der Natriumkanäle bei der Fortleitung
graduierter Potentiale. Progressive TTX-Blockierungsexperimente der
dendritischen Natriumkanäle zeigen bei Doppelableitungen von
proximalen und distalen Organen innerhalb eines Clusters
charakteristische, hochsignifikante Veränderungsmuster in
Aktionspotentialamplituden, Reizempfindlichkeit und
Erregungsmustern in Abhängigkeit von der Diffusionsrichtung des
Kanalblockers. Die Ergebnisse liefern u.a. eindeutige Hinweise,
daß: (1) in jedem Cluster nur ein Impulsentstehungsort für die
Generierung der Aktionspotentiale verantwortlich ist, der sich im
Axonstamm der gemeinsamen Afferenz befindet. (2) Die Ausbreitung
der postsynaptischen Potentiale erfolgt mit aktiver Unterstützung
dendritischer Natriumkanäle, die im unterschwelligen Bereich als
spannungsgesteuerte Stromverstärker arbeiten und postsynaptische
Signale stabil verstärken; damit schaffen sie erst die
Voraussetzung für Konvergenz und Addition der Analoginformation im
Axonstamm. (3) Die Endarborisation wird in ihrer gesamten
Erstreckung von den Aktionspotentialen aktiv retrograd invadiert,
was u.a. eine wichtige "Reset"-Funktion in der Endarborisation
erfüllen dürfte. Die Endarborisation stellt damit ein - in dieser
Form und Ausprägung aus der Literatur noch nicht bekanntes -
effizientes peripheres mononeuronales Konvergenzsystem dar, das in
komplexer Weise essentiell auf aktiven Funktionen dendritischer
Natriumkanäle basiert. Konsequenzen daraus für den neuronalen
Informationsverarbeitungsprozeß (analoge Vorverarbeitung) und den
Rezeptormechanismus ampullärer Organcluster werden diskutiert.

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